GAV-Konferenz stimmt Vorgehen zum Gesamtarbeitsvertrag SBB zu
Keine Kündigung vor Ende Jahr
Der SBB-GAV wird um ein halbes Jahr verlängert. In der Zwischenzeit verhandeln die Gewerkschaften mit dem Unternehmen das neue Lohnsystem. Der Ausgang ist mehr als ungewiss.
Seit Monaten weist der SEV darauf hin, dass die Rahmenbedingungen derart viele Unsicherheiten enthalten, dass Verhandlungen über den GAV SBB sozusagen im luftleeren Raum stattfinden müssten. Die Pensionskassen- Botschaft kommt erst ins Parlament, die Restrukturierung bei Infrastruktur steht noch am Anfang, und die Cargo-Zukunft ist völlig ungewiss. Nun schliesst sich die SBB dieser Sichtweise an. Vorerst soll lediglich über das Lohnsystem verhandelt werden, eine Kündigung des GAV ist von beiden Seiten erst Ende Jahr möglich.
Wenn es beim Lohn zu einer Einigung kommt, soll die Laufzeit des im Übrigen unveränderten GAV verhandelt werden. Beides, Lohnsystem und Laufdauer, werden dann als Verhandlungsresultat den Gremien vorgelegt. Sollte eine der beiden Seiten ablehnen, ist eine GAV-Kündigung auf Mitte 2011 möglich.
Grosse Befürchtungen
Dies ist die Ausgangslage, die SEV-Vizepräsident und Verhandlungsführer Manuel Avallone den rund 120 GAVDelegierten präsentierte. Die Reaktionen waren geteilt: Zwar war niemand der Meinung, eine GAV-Verhandlung im jetzigen Zeitpunkt wäre sinnvoll.
Doch gegenüber dem neuen Lohnsystem der SBB, «Toco » genannt, bestehen grösste Vorbehalte. Zwei Befürchtungen stehen im Vordergrund: Schon wiederholt hat die SBB betont, dass sie ihre Löhne in den unteren Funktionen als zu hoch, in den obersten jedoch als zu tief erachtet. Zudem hat die SBB im neuen Bewertungssystem das Gewicht der Ausbildung erhöht und jenes der Arbeitsumstände reduziert, was bedeutet, dass Bildung zu höheren Löhnen führt, Arbeit im Freien und rund um die Uhr jedoch gering geschätzt wird.
Gegen Umverteilung
Diese beiden Elemente lassen klar eine Umverteilung von unten nach oben befürchten, und das kommt für die Delegierten überhaupt nicht in Frage.
Manuel Avallone bestätigte, dass die Anliegen von SBB und SEV diametral auseinander liegen: «Auch wir haben unsere Forderungen an ein Lohnsystem, und die werden wir einbringen!» Im Vordergrund steht dabei die Abkoppelung des Mitarbeitergesprächs von der Lohnsummensteuerung.
Völlig verschiedene Erwartungen
«Die SBB versteht unter Weiterentwicklung, dass sie sparen kann, wir verstehen unter Weiterentwicklung, dass sich die Leistungen verbessern », brachte es ein Delegierter auf den Punkt.
Mehrfach wurde die Befürchtung geäussert, dass man am Schluss mit einem unbefriedigenden Verhandlungsresultat werde leben müssen, doch Avallone widersprach klar: «Ihr, die GAV-Delegierten, werdet frei entscheiden, ob das Resultat euren Erwartungen entspricht oder nicht!» Trotz grosser Vorbehalte stimmten die Delegierten danach dem aufgezeigten Vorgehen mit deutlicher Mehrheit zu.
Peter Moor