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Die LPV-Sektionen Genf und Waadt/Unterwallis übergeben eine Petition zu Arbeitseinteilungsproblemen

Deutliche Reaktion der Betroffenen auf Vorwürfe

Marc-André Pilloud, Präsident der Sektion LPV Waadt und Unterwallis, und Jérôme Koelle, Präsident LPV Genf, haben ihrem Chef in Lausanne eine Petition überreicht. In drei Tagen haben sie 117 Unterschriften gesammelt. Die Hintergründe.

Petitionsübergabe am 21. Juli in Lausanne

Anfang Juli hat der VSLF die Lokführer aufgefordert, im Juli und August keine Freitage mehr abzugeben, «um die Überzeiten abzubauen». Von der SBB kam eine schnelle Reaktion: David Fattebert, oberster Einteiler der Lokführer, und sein Filialleiter West Markus Stauffer kündeten an, solange dieser Aushang bestehe, würde für August keinen Freiwünschen stattgegeben – eine Kollektivstrafe für alle Lokführer!

Überraschung und Verständnislosigkeit war die Reaktion der Betroffenen, die in ihrer Mehrzahl weder etwas verlangt noch unternommen hatten, selbst wenn sie mit dem generellen Anliegen einverstanden waren. Die Sozialpartnerschaft verbindet SBB und Gewerkschaften, und das bedeutet, dass solche Fragen miteinander besprochen werden. Was der SEV nun unternommen hat, indem seine Mitglieder mit Unterstützung von Gewerkschaftssekretär Jean-Pierre Etique eine Petition lanciert haben, die innert drei Tagen von 117 Kollegen unterschrieben wurde. Gefordert wird darin der sofortige Rückzug der Anweisung der SBB, die als schockierend und ungerecht betrachtet wird. Die Lokführer, die gewohnt beweglich sind im Umgang mit ihren Einsatzplänen, haben das Verhalten der SBB nicht verstanden und sich verschaukelt gefühlt.

In Abwesenheit von David Fattebert, was die SEVDelegation bedauerte, führte das anschliessende Gespräch mit Markus Stauffer dazu, dass die SBB ihre Anweisung zurücknahm. Dank der SEVPetition können die Kollegen nun doch für August Freiwünsche anbringen. Mit einem Aushang hat die SBB diesen Entscheid zwei Tage danach bekannt gemacht.

Die Spannung steigt in Genf

Am Abend des 21. Juli sah es danach aus, als könnte sich die Lage beruhigen. Aber die Lokführer hatten die Rechnung ohne die neuen Methoden der SBB gemacht: Im Moment, als die Vorgesetzten die Petition des SEV entgegennahmen, waren bereits eingeschriebene Briefe auf der Post, mit welchen Lokführer aus Genf an die Arbeit gerufen wurden – aus den Freitagen. Konkret: Am 21. Juli hat ein Lokführer einen eingeschriebenen Brief erhalten, er müsse am 23. Juli zur Arbeit kommen, wenn nicht höhere Gewalt ihn daran hindere. Unterzeichnet von genau jenem Markus Stauffer, der die Petition entgegennahm …

In der Folge wurde auf den 26. Juli erneut zu einer Sitzung in Genf eingeladen, wo die Verantwortlichen der SBB erklären, einziger Grund dieser Aufgebote in letzter Minute seien die Freiwünsche der andern Kollegen. Die SBB sieht sich frei von jeder Verantwortung. Sie will nichts wissen von den Problemen der Unterbestände, Krankheiten, Absenzen oder Kursen. Die Sitzung blieb völlig ohne jedes Resultat. Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni verlangt nun dringend einen Runden Tisch für die Westschweiz, an welchem unbedingt der Chef von P-OP, Thomas Brandt, teilnehmen müsse.

Hes / pmo

Win-win?

Aber das Grundproblem bleibt bestehen. Die Lokführer haben genug davon. Wovon? «Dass wir wie Tiere behandelt werden», erklärt ein Lokführer im Depot Lausanne. «Der Umgang miteinander hat sich verändert», ergänzt ein anderer. Der Chefeinteiler der SBB spreche dauernd von Win-win- Situationen, aber das treffe oft nicht zu: «Vielmehr ist es win-lose», finden die Betroffenen. Die Haltung gegenüber dem Personal habe sich geändert, die Personalzufriedenheit stehe am Ende der Prioritäten der Führung, und dies bei einem seit Langem bestehenden Personalunterbestand. Die SBB wolle nun den Aushang einer einzelnen Gewerkschaft zum Kernpunkt des Problems machen, das sie aber eindeutig selbst verursacht haben.

Die Lokomotivführer bedauern die jüngste Entwicklung und möchten über die Situation diskutierten, um eine echte Win-win-Lösung zu erreichen. Wenn sie von der SBB eine Wertschätzung für ihre Arbeit und eine positive Haltung zum Personal spüren würden, würden sie selbst wieder offener und beweglicher auftreten.

Chronischer Unterbestand

Der Mangel an Lokführern führt zunehmend zu heiklen Einsätzen, zu kurzfristigen Umstellungen und zu immer längeren Touren. «Wir sind immer an der äussersten Grenze des gesetzlich Zulässigen », hält ein Lokführer fest. «Man reizt das Gesetz aus, damit die Züge überhaupt noch fahren; das kann auf Dauer nicht gut gehen!» Es braucht eindeutig zusätzliches Personal, um die nötigen Reserven zu schaffen.

Auch dieser Punkt kam bei der Petitionsübergabe zur Sprache. Die SBB gab bekannt, dass über 80 Lokführer in Ausbildung sind, die Anfang 2012 die Arbeit aufnehmen können,. Das wird also in den verschiedenen Regionen der Westschweiz eine deutliche Verstärkung bringen. Der SEV ist allerdings nicht überzeugt, dass damit die Pensionierungen, die Verkehrszunahme und freiwillige Abgänge ausgeglichen werden können, zudem verlangt er Übergangslösungen, bis die Ausbildung der neuen Kollegen abgeschlossen ist.

Henriette Schaffter / pmo