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Auf den Spuren von ...

Julien Magnanou, Gleismonteur und Lokführer

Julien an der Linie Le Pont–Le Brassus, deren Unterhalt er besorgt. Ganz hinten der Dent de Vaulion.

Ob als Redner an der Westschweizer VPT-Tagung oder beim körperlich schweren Fahrbahnunterhalt, der Präsident der VPT-Sektion Nord Vaudois Travys verteidigt seine Kolleg:innen voller Überzeugung. Nebst Muskelkraft und Metal-Musik, die er in seiner Freizeit spielt, zeichnet sich Julien durch seine Freundlichkeit und Gastfreundschaft aus, die ihn sofort sympathisch machen.

In Le Brassus im Waadtländer Jura liegt die Werkstatt, in der mich Julien Magnanou empfängt. Er und seine Kollegen sind für den Gleisunterhalt im Vallée de Joux verantwortlich. Dieses hochgelegene Tal ist besonders bekannt für die Uhrmacherkunst, den Vacherin Mont-d’Or und den See, in dem sich der majestätische Berg Dent de Vaulion spiegelt. Die roten Travys-Züge, die seit 1899 die Gemeinden Le Pont und Le Brassus verbinden, schlängeln sich durch eine malerische Landschaft wie aus dem Bilderbuch. Dass die Züge auch im teilweise sehr harten Winter fahren können, haben wir Julien und seinem Team zu verdanken: «Die Leute sind sich nicht bewusst, wieviel Arbeit und Aufwand nötig ist, um eine Bahnlinie zu unterhalten.» Manchmal braucht es ein Loch in der Fahrbahn wie bei der SBB in Tolochenaz, damit sie es merken …

Travys hat Julien Magnanou 2015 als Gleismonteur und Tm-Fahrer eingestellt: «Ich hatte weder Führerschein noch Bahnkenntnisse, ich lernte alles direkt bei der Arbeit. Nach neun Monaten Ausbildung bestand ich die Prüfung und erhielt den B80-Ausweis.» Mitten in der Werkstatt steht die Lok, die Julien dank dem Führerschein fahren darf. Daran ist schon der Pflug zum Schneeräumen montiert. «Wir befinden uns hier auf einer Höhe von 1000 Metern. Da können je nach Jahr in einer Nacht bis zu 40 Zentimeter Neuschnee fallen», erklärt Julien.

Der Schnee beschäftigt ihn auch gewerkschaftlich, denn Schnee heisst Pikettdienst: Man muss auch abends oder am Wochenende kurzfristig einsatzbereit sein. «Vor ein paar Jahren haben wir noch ziemlich altmodisch gearbeitet, es gab keine Rahmenbedingungen», erinnert sich Julien. «Alles lief unabhängig vom AZG (Arbeitszeitgesetz).» Mit Gewerkschaftssekretär Jean-Pierre Etique arbeitete Julien erfolgreich an diesem Thema: «Wir konnten eine gemeinsame Basis mit der Leitung finden. Aber ich wünsche mir, dass der Schneeräumdienst im neuen GAV schwarz auf weiss geregelt wird.»

Einer Gewerkschaft beizutreten war für Julien Magnanou selbstverständlich. Bevor er zu Travys kam, war er im französischen Arbeitermillieu tätig, wo die Gewerkschaften sehr präsent sind. «Als Arbeitnehmer halte ich es für eine Pflicht, gewerkschaftlich organisiert zu sein, denn der Erfolg der Gewerkschaften basiert auf dem Solidaritätsprinzip: Je zahlreicher wir sind, desto besser. In unserem Beruf können wir es uns nicht leisten, müde zur Arbeit zu kommen. Wir müssen frisch im Kopf sein, körperlich fit und ausgeruht. Wir müssen klar denken können und positiv eingestellt sein, um einen optimalen Service zu gewährleisten. Wir können uns keine Fehltritte erlauben. Und genau deshalb geniesse ich es, Dokumente wie den GAV auszuarbeiten. Das Ziel ist eine gewisse Stabilität für die Mitarbeitenden, sodass sie ausgeruht zu ihren Schichten erscheinen und sich sicher fühlen können.» Als Julien für das Präsidium der Sektion Travys angefragt wurde, zögerte er zunächst, weil er nebst dem Beruf noch viele weitere Interessen hat und seinen vierjährigen Sohn betreut, doch schliesslich sagte er trotzdem zu.

An der Wand hängen viele verschiedene Werkzeuge. Sie zeugen von der Vielfalt von Juliens Jobs, den der 35-Jährige mit Leidenschaft ausführt: «Wir vereinen viele Berufe in einem: Fahrbahnunterhalt, Pflege der Umgebung und der Böschungen, Bäume fällen und schneiden, Kanäle und Kabel ziehen, Material transportieren, Schwellen und Schienen ein- und ausbauen, Befestigungsmaterial wechseln, Gleise justieren etc. Wir machen eigentlich alles selber. Manchmal arbeiten wir mit der Lok, um Material zu transportieren, einen Wagen zu ziehen oder Schotter zu verteilen, und im Winter räumen wir den Schnee weg. Die Arbeit am Gleis ist körperlich anspruchsvoll», fasst Julien zusammen.

Die körperliche Herausforderung hat Julien, der aus dem Moselgebiet kommt, gereizt, obwohl er nach seiner Ausbildung im Verkauf eher zufällig in diesem Beruf gelandet ist. Vielleicht war es sein Vater, der seine Entscheidung für eine schwermechanische Tätigkeit anstelle eines Bürojobs geprägt hat. Der Vater war Berufssoldat und hat später als Fahrer von Teleskopkranwagen gearbeitet. Mit ihm zusammen war Julien eine Zeit lang im selben Industriewartungsunternehmen tätig. «So kam ich auf diverse Industriebaustellen und habe in der Instandhaltung petrochemischer und nuklearer Anlagen gearbeitet. Dabei lernte ich allerlei schweres Gerät kennen, Werkzeug zum Eisenschneiden oder Schweissen – mit all dem kenne ich mich aus.»

Kein Wunder, dass Julien in der Freizeit Bodybuilding und Kampfsport betreibt und es ihn bei seinen musikalischen Projekten zum Heavy Metal hinzieht: «Ich spiele Gitarre, seit ich zwölfjährig war. Ich habe das immer geliebt. Am liebsten spiele ich Metal im Stil von Slayer.» Julien begeistert sich auch für Motorräder, alte Harleys und amerikanische Autos. «Ist das etwas klischeehaft, wie meine Tattoos ?» Er grinst. «Meine Fahrzeuge sind eher die vom Film Easy Rider. Ich mag es, wenn sie Öl und Schrauben verlieren und wenn man sie reparieren muss. Was nicht kaputt ist, macht keinen Spass!»

Yves Sancey / Übersetzung: Karin Taglang, Fi
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