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Ein Vertrag – zwei Arbeitsorte
Es geht um den Arbeitsvertrag von Lea. Der ist neu. Die Anstellung nicht. Lea arbeitet nämlich seit 5 Jahren im selben Unternehmen. Nun wird ihr ein neuer Arbeitsvertrag ausgehändigt. Im Unterschied zum bisherigen Arbeitsvertrag sind nun zwei Arbeitsorte festgehalten. Wenn sie den Vertrag nicht unterschreibt, wird ihr gekündigt. Ist das zulässig?
Es ist wichtig, welcher Ort als Arbeitsort gilt. Denn an Letzterem bestimmt sich der Arbeitsweg, also jener Weg vom Wohnort zum Arbeitsort. Dieser wird nicht bezahlt. Aber wenn die Mitarbeiterin auswärts vom Betrieb arbeitet, gilt der Weg vom Arbeitsort zum Einsatzort als bezahlte Arbeitszeit. Spesen werden ebenfalls ausgerichtet.
Sofern der Arbeitsort nicht vertraglich geregelt ist, kann der Arbeitgeber die Verlegung des Arbeitsortes einseitig anordnen. Diese muss allerdings zumutbar für die Mitarbeiterin sein. So sollte der Arbeitsweg insgesamt nicht mehr als vier Stunden pro Tag dauern. Ebenso ist auf die Gesundheit der Mitarbeiterin sowie auf deren familiäre Situation Rücksicht zu nehmen. Für die Zumutbarkeit spielt auch eine Rolle, wie lange die Verlegung des Arbeitsortes andauern soll.
Anders verhält es sich, wenn der Arbeitsort vertraglich bestimmt wurde. Eine Verlegung des Arbeitsortes braucht dann die Zustimmung der Mitarbeiterin. Ist der Arbeitsort einmal vertraglich festgehalten, braucht es eine Vertragsänderung um den Arbeitsort dauerhaft zu verlegen. Der Arbeitgeber kündigt hierfür den bestehenden Vertrag und unterbreitet der Mitarbeiterin ein neues Angebot, also einen Vertrag mit einem oder (wie in diesem Fall) mit zwei neuen Arbeitsorten. Die Mitarbeiterin erhält üblicherweise eine Bedenkzeit von 14 Tagen bis zu einem Monat, damit sie sich entweder für den neuen Vertrag oder für die Kündigung entscheiden kann. Diese sogenannte Änderungskündigung ist in der Schweiz grundsätzlich zulässig. Aber wenn es nur darum geht, der Mitarbeiterin die Spesen, den Lohn oder diverse andere Zulagen zu streichen, dann ist diese Änderungskündigung unzulässig, sprich: missbräuchlich. Der Arbeitgeber muss begründen können, dass die Verlegung des neuen Arbeitsortes betrieblich notwendig und für die Mitarbeiterin zumutbar ist sowie allfällige Mehrkosten der Mitarbeiterin rückerstattet werden.
Wenn der Arbeitsort in einer kollektiven Vereinbarung, also in einem Gesamtarbeitsvertrag oder in einem Firmenarbeitsvertrag, festgehalten ist, dann ist dieser Bestandteil des Arbeitsvertrages. Der Arbeitgeber kann dann nicht einfach kündigen und der Arbeitnehmerin einen neuen Vertrag mit einem Inhalt anbieten, welcher der kollektiven Vereinbarung zuwiderläuft. In diesem Fall gilt der bisherige Arbeitsvertrag weiterhin.
Ausnahmsweise kann der Arbeitgeber die Verlegung des vertraglich bestimmten Arbeitsortes einseitig anordnen. Das ist jedoch nur bei dringlichen betrieblichen Bedürfnissen der Fall, so z. B., wenn der Betrieb abbrennt und deswegen geschlossen werden muss. Auch das bedingt, dass die Verlegung zeitlich von kurzer Dauer und der Mitarbeiterin zumutbar ist.
Was heisst das nun für Lea? Sie soll zuerst nachschauen, ob und wie der Arbeitsort vertraglich geregelt ist: Was steht im Arbeitsvertrag, im Gesamtarbeitsvertrag bzw. Firmenarbeitsvertrag? Was steht im Personalreglement? Danach gilt es zu fragen, ob die Änderung von einem Arbeitsort zu zwei Arbeitsorten auf einer betrieblichen Notwendigkeit beruht und ihr zuzumuten ist, was den Arbeitsweg und ihre persönliche und familiäre Situation betreffen. Und letztlich ist auch zu prüfen, ob und inwiefern die dadurch entstehenden Mehrkosten ihr vom Arbeitgeber zurückerstattet werden. Lea ist gut beraten, nichts zu überstürzen und sich die Zeit für eine gute Abklärung und reifliche Überlegung zu nehmen, bevor sie unterschreibt. Als SEV-Mitglied ist ihr die Unterstützung des SEV-Berufsrechtsschutzes gewiss.
SEV Rechtsschutzteam