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Fristlose Entlassung ohne triftigen Grund

Gilbert arbeitet seit 1990 bei der SBB. Im Dezember 2017 fällt der Himmel über ihn zusammen! Sein Vorgesetzter wirft ihm vor, beim Erfassen seiner Arbeitsstunden und Pausen zu schummeln, dies aufgrund von Beobachtungen seiner Kollegen in den letzten Wochen. Man eröffnet ihm, dass das Unternehmen die Zusammenarbeit per sofort auflösen wird. Gilbert anerkennt die Tatsachen, schlägt aber mehrere Alternativen zu einer Kündigung vor. Die SBB bleibt aber bei ihrem Entscheid, begründet durch den irreversiblen Vertrauensbruch.

Gilbert erachtet die Begründung seiner Arbeitgeberin als ungenügend für eine fristlose Entlassung und wendet sich für seine Verteidigung ans Rechtsschutzteam des SEV.

Er wird beschuldigt, seine Zeiterfassung verfälscht zu haben während mehrerer Monate, doch existieren keine Beweise dafür ausserhalb der Periode zwischen November und Mitte Dezember. Und nebst anderen Argumenten hat die SBB weder seine 27 Dienstjahre noch seine stets guten Bewertungen in den Entscheid einbezogen. So wird beim Verwaltungsgericht in St.Gallen Rekurs eingereicht.

Zu Beginn betont das Gericht, dass eine fristlose Entlassung aus triftigen Gründen eine Ausnahme sein soll, die sehr restriktiv angewendet werden muss. Nur eine drastische Verfehlung (oder wiederholte Verstösse trotz Verwarnung) rechtfertigen eine solche Sanktion. Zudem müssen die konkreten Umstände des Falls berücksichtigt werden. Schliesslich obliegt die Beweislast dem Arbeitgeber. Anschliessend führt das Gericht die generelle Verpflichtung der SBB-Mitarbeitenden zur Sorgfalt und Treue an, die sich in erster Linie auf die Pflicht bezieht, ihre Aufgaben mit Sorgfalt und bestmöglich im Interesse der Arbeitgeberin zu erledigen und unangebrachtes oder unredliches Verhalten zu unterlassen.

Im vorliegenden Fall hält das Gericht schliesslich fest, dass die SBB den Beweis schuldig blieb, dass Gilbert vor dem 7. November 2017 geschummelt hat. Ausserdem wurde er während seiner Laufbahn nie über mögliche Konsequenzen eines solchen Vergehens aufgeklärt. Darüber hinaus erledigte Gilbert in den über 27 Jahren bei der SBB seine Arbeiten stets zufriedenstellend.

Er hat keine Kaderstelle mit viel Verantwortung. Sein Alter zum Zeitpunkt des Verstosses steht ihm mehr im Weg als bei einer jüngeren Person, die problemlos eine neue Stelle finden kann. Was dazu kommt: Der Vorgesetzte hätte Gilbert direkt auf die Verfehlung ansprechen sollen, anstatt zwei Kollegen auf ihn anzusetzen und ihn während eines Monats beobachten zu lassen. Das Gericht hat dieses Vorgehen als unangebracht beurteilt. Eine Vorwarnung hätte höchstwahrscheinlich dazu geführt, dass Gilbert sein fehlerhaftes Verhalten beendet hätte.

Zusammenfassend hält das Gericht fest, dass eine ordentliche Kündigung den Umständen gerechter geworden wäre. Die SBB habe das Prinzip der Verhältnismässigkeit nicht respektiert und die fristlose Entlassung sei in Abwesenheit von triftigen Gründen ausgesprochen worden.

Dank der Intervention des SEV erhält Gilbert nun seinen Lohn während der ordentlichen Kündigungsfrist. Zudem ist die SBB dazu verpflichtet, ihm eine Abfindung in der Höhe von drei Monatslöhnen auszuzahlen.

Rechtsschutzteam SEV

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