Wer nicht Mitglied der Gewerkschaft ist, hat auch kein Anrecht auf ihre Leistungen. Deshalb kriegt ein Angestellter, der nur Vollzugskosten bezahlt, auch keinen Rechtsschutz.
Trittbrettfahren ist immer unfair
Viele SEV-Mitglieder haben das schon gehört, wenn sie Kollegen/innen zum Beitritt aufforderten: «In die Gewerkschaft? Sicher nicht, den Beitrag versaufe ich lieber!»
Ob Fritz P. auch zu denen gehört, die so reden, wissen wir nicht. Er ruft aber beim SEV an und verlangt eine Rechtsauskunft zu seinem Arbeitsvertrag. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass Fritz zwar bei der X AG arbeitet, welche mit dem SEV einen GAV abgeschlossen hat, aber er selber ist kein Mitglied des SEV. Deshalb wird eine tiefergehende Recherche zu Fritz’ Problem abgelehnt, mit dem Hinweis, dass eine solche Dienstleistung nur gegenüber Mitgliedern erbracht wird.
Vollzugskostenbeitrag ist kein Mitgliederbeitrag
Fritz P. ist empört und weist darauf hin, dass er jeden Monat zehn Franken Vollzugskostenbeitrag leistet, weshalb er doch auch Anspruch auf Beratung durch die Gewerkschaft hat.
Auch Nichtmitglieder profitieren
In der Schweiz werden GAV auf alle Mitarbeitenden angewendet, die vom Geltungsbereich erfasst sind, unabhängig davon, ob diese auch Mitglied einer vertragsschliessenden Gewerkschaft sind oder nicht. Damit profitieren Nichtmitglieder von denselben Verhandlungsergebnissen (z. B. über die Löhne) wie Gewerkschaftsmitglieder, allerdings ohne monatlich einen Beitrag zahlen zu müssen. Um diese nicht sehr gerechte Besserstellung auszugleichen, werden deshalb in den GAV Vollzugskostenbeiträge vereinbart, also monatliche Beiträge der nicht organisierten Mitarbeitenden an die Kosten der Erarbeitung und Umsetzung von sozialpartnerschaftlichen Vereinbarungen. Aus Sicht der Gewerkschaftsmitglieder eine klare Sache, aus Sicht der Nicht-Gewerkschaftsmitglieder (sowie manchmal auch der Unternehmungen, die sich hier zu Anwälten der Nicht-Organisierten machen) etwas weniger.
Rechtlich klar geregelt
Rechtlich ist der Fall soweit klar: Vollzugskostenbeiträge dürfen erhoben werden, wenn ein Nicht-Gewerkschaftsmitglied einem GAV unterstellt wird. Normalerweise wird im Einzelarbeitsvertrag mit dem Mitarbeitenden der Anschluss an den GAV festgehalten, wer dazu ja gesagt hat, ist den Bestimmungen des GAV unterstellt und damit auch den Bestimmungen über die Vollzugskosten.
Zu beachten gilt es dabei allerdings, dass der Vollzugskostenbeitrag tiefer sein muss als der Mitgliederbeitrag der vertragsschliessenden Gewerkschaft, damit kein sogenannter negativer Koalitionszwang entsteht – zu Deutsch: dass jemand mit einer Gewerkschaftsmitgliedschaft finanziell besser fährt, als wenn er nicht organisiert wäre – das widerspräche dem Grundsatz, frei zu sein, sich einer Vereinigung anzuschliessen oder eben ihr fernzubleiben. Der tiefste Vollzugskostenbeitrag eines vom SEV abgeschlossenen GAV liegt bei 6 Franken, der höchste bei 12 Franken, beträgt also wesentlich weniger als der Gewerkschaftsbeitrag.
Im GAV wird sodann nicht nur die Höhe dieses Vollzugskostenbeitrags festgehalten, sondern auch dessen Verwendung. Die vertragsschliessende Gewerkschaft hat dieses Geld im vertraglich festgelegten Sinn zu verwenden, was meist darauf hinausläuft, dass sie einen Teil der Personalkosten abrechnen kann, nämlich derjenigen Personen, welche sich um die Aushandlung und Umsetzung des GAV konkret kümmern.
Der SEV erhebt halbjährlich bei seinen Sekretärinnen und Sekretären den prozentualen Aufwand pro GAV (denn in der komfortablen Lage, dass sich jemand alleine und ausschliesslich um die Aushandlung und den Vollzug eines einzigen GAV kümmert, ist er nicht; die meisten Sekretäre/innen betreuen mehrere GAV und die dazugehörigen Sektionen und haben noch diverse andere Aufgaben). Sodann ist in vielen Verträgen vorgesehen, dass die Vollzugskostenbeiträge zur Schulung und Weiterbildung der Personalkommission verwendet werden und teilweise auch zur Schulung und Weiterbildung des gesamten Personals, also auch der nicht organisierten Mitarbeitenden. Davon wird in der Praxis auch rege Gebrauch gemacht.
Verwendung wird geprüft
Zur Kontrolle der vertragsgemässen Verwendung lässt der SEV seine verschiedenen Vollzugskostenfonds von einer Revisionsstelle überprüfen und legt diesen Bericht seinem Vertragspartner offen. In einigen wenigen Fällen werden die Vollzugskostenbeiträge direkt von den Unternehmungen verwaltet, welche dafür auch entsprechend entschädigt werden.
Und last but not least: Rechtsschutzfälle laufen nie über Vollzugskosten. Das sind Dienstleistungen, die exklusiv den SEV-Mitgliedern zustehen, völlig unabhängig, ob ein GAV besteht oder nicht. Fritz P. hat also keinerlei Grund zur Unzufriedenheit, erstens, weil wir ihm sogar eine erste Rechtsauskunft erteilt haben, und zweitens, weil der Umstand, dass er Vollzugskostenbeiträge zahlt, ihn nicht zu weiteren Leistungen des SEV berechtigen.
Er profitiert schliesslich schon von seinen guten Arbeitsbedingungen, die nicht vom Himmel gefallen sind, sondern nur bestehen, weil er solidarische Arbeitskollegen/ innen hat, die gewerkschaftlich tätig sind.
Rechtsschutzteam SEV