Schifftagung: Wo und warum Personal fehlt
In gewissen Schiffsbetrieben ist der Personalmangel in bestimmten Funktionen so akut, dass sie beim Fahrplan trotz guter Frequenzen Abstriche machen müssen.
Am 17. Januar trafen sich SEV-Mitglieder von Seen aus der ganzen Schweiz auf einem Schiff in Luzern zur jährlichen Branchentagung Schiff. Während draussen der Regen nachliess und die Aussicht auf See und Berge immer freundlicher wurde, blieben drinnen die Aussichten schlecht, was den Fachkräftemangel in gewissen Funktionen betrifft.
Das Thema kam bei der Umfrage bei den Delegationen der verschiedenen Seen sogleich aufs Tapet, als Gewerkschaftssekräterin Edith Graf-Litscher über die schwierige personelle Situation bei der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft berichten musste. Die ZSG hatte wegen fehlender qualifizierter Schiffsführer:innen bereits letztes Jahr ihren Fahrplan kurzfristig ausdünnen müssen und muss dies 2024 wieder tun, wie sie im November dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und den betroffenen Gemeinden mitteilen musste. So wird im Sommer die grosse Seerundfahrt nur noch fünf statt sieben Mal täglich durchgeführt, und bei der kleinen Seerundfahrt entfallen die letzten beiden Zusatzfahrten im Juli und August.
Ausgebildet, aber noch unerfahren
Die Personalengpässe entstanden in den letzten Jahren durch eine erhöhte Fluktuation aus verschiedenen Gründen, und die im Herbst 2022 lancierte Ausbildungsoffensive brachte nicht die erhoffte Wirkung, um die Lücken bei den Schiffsführer:innen der höheren Schiffskategorien zu schliessen. Deren Zahl würde zwar nominell knapp genügen, doch fehlt den Frischausgebildeten nach der Prüfung noch die notwendige Erfahrung, um auch bei schwierigem Wetter die Verantwortung für grössere Schiffe übernehmen zu können ohne Unterstützung durch einen erfahrenen zweiten Steuermann. Weil die ZSG deshalb den bestellten Fahrplan nicht gänzlich erbringen kann, wird der ZVV seine Abgeltungen reduzieren und hat darum das ZSG-Budget noch nicht genehmigt. Der Teuerungsausgleich von 1,6 % ist trotzdem sicher, nicht aber die Stufenanstiege und Beförderungen.
Das Problem der noch fehlenden Erfahrung von Schiffsführer:innen nach ihrer Prüfung oder Weiterbildung für grössere Schiffe stellt sich auch bei anderen Schiffsbetrieben. Die Genfersee-Schifffahrtsgesellschaft (CGN) verlangt von Mitarbeitenden weiterhin mindestens zwei Jahre Matrosenerfahrung vor der Schiffsführerprüfung, und neun Jahre Erfahrung vor der Dampfschiffprüfung, wobei es früher 15 Jahre waren. Andere Betriebe sind lascher.
Kollegen warfen die Frage auf, ob das BAV nicht strengere Vorschriften zur Ausbildung erlassen müsste, um die Schiffsleute vor übertriebenen Erwartungen seitens der Direktionen zu schützen – zu ihrem persönlichen Schutz vor Überforderung und zur Gewährleistung der Sicherheit.
Besonders gesucht sind bei den Schiffsbetrieben auch Maschinist:innen. «Wenn sich bei uns ein Mechaniker für die offene Stelle meldet und den Lohn erfährt, geht er grad wieder», berichtete ein Kollege. «Nur Grenzgänger finden unseren Lohn attraktiv.» Dampfschiff-Maschinist:innen lassen sich erst recht kaum finden.
Was unternehmen die Schiffsbetriebe, um die Attraktivität der Anstellungs- und Arbeitsbedingungen zu verbessern, um Abgänge ihrer Mitarbeitenden zu verhindern und neue Mitarbeitende anzulocken? Gewisse haben gemerkt, dass der Lohn «stimmen» muss. Beispielsweise die CGN hat mit dem SEV ein neues Lohnsystem ausgehandelt, das alle Löhne wesentlich verbessert. Weil die Schiffe letztes Jahr allgemein gut bis sehr gut frequentiert waren, sind die Lohnverhandlungen für 2024 insgesamt recht erfolgreich verlaufen. Doch gerade bei kleineren Betrieben mit knappen Finanzen bleiben die Löhne vergleichsweise bescheiden. Dazu kommt viel Wochenendarbeit und im Sommer viel Überzeit, und Ferien liegen dann kaum drin. Der neue GAV der CGN setzt neue Massstäbe mit einer Jahresplanung und der Möglichkeit, im Sommer zwei Wochen freizunehmen. Zwei Betriebe wollen den SEV leider noch immer nicht als Sozialpartner anerkennen.
Was die Mitgliederwerbung betrifft, haben die Schiffssektionen letztes Jahr gute Arbeit geleistet, lobte Gilbert D’Alessandro, Zentralpräsident des Unterverbands VPT. Als Nachfolger von Barbara Schraner wurde Flavio Schulze (Vierwaldstättersee) in den Branchenvorstand gewählt, wo er Roger Maurer (Vierwaldstättersee), Manuel Pinto da Silva (Neuenburger- und Murtensee) und Martin Schild (BLS) verstärkt.
Markus Fischer