Verkehrspolitik
Wo der Bundesrat beim regionalen Personenverkehr kürzen will
Der Bundesrat will beim regionalen Personenverkehr (RPV) in den nächsten drei Jahren dreifach sparen: im Bundesbudget 2025, beim Verpflichtungskredit für den RPV 2026 bis 2028 und durch Umsetzung der Vorschläge der Expertengruppe Gaillard: Streichung der Fördermittel für Elektrobusse, zeitnahe Aufhebung der Mineralölsteuer-Rückvergütung für Busbetriebe statt erst 2030 und Erhöhung des Kostendeckungsgrades des RPV ab 2027. Simon Burgunder, Koordinator Politik im SEV, erklärt, worum es geht.
Der Bundesrat will den RPV-Kredit im Bundesbudget 2025 um 0,7 Prozent (7,7 Millionen Franken) gegenüber 2024 kürzen. Was wären die Folgen?
Simon Burgunder: Die Auswirkungen dieser Kürzung auf die Transportunternehmen (TU) wären wohl eher beschränkt, denn der ganze Bestellprozess für 2025 ist längst abgeschlossen, die Angebotsvereinbarungen sind unterschrieben und damit die Abgeltungen den TU eigentlich zugesichert. Und der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) rechnet aufgrund von Rückmeldungen der TU nicht mit einer Finanzierungslücke. Das war letzten Herbst beim RPV-Kredit 2024 anders, darum hat der SEV damals zusammen mit dem VöV die Kreditkürzung bekämpft, unter anderem mit einer Petition ans Parlament. Dieses hat den Kredit dann um 55 Millionen Franken erhöht. Eine gute Zusammenarbeit zwischen den Interessengruppen ist entscheidend.
Welche Folgen hätte die vom Bundesrat geplante Reduktion des RPV-Verpflichtungskredits 2026 bis 2028?
Für diese drei Jahre hatte das Bundesamt für Verkehr ursprünglich den Bedarf an Abgeltungen sehr sorgfältig und nachvollziehbar auf 3850 Millionen Franken berechnet. Und diesen Kredit hat der Bundesrat dann trotzdem um 354 Millionen gekürzt, also um fast 10 Prozent. Das ist ein grosser Betrag – umso mehr, weil alle TU sagen, dass die Zitrone ausgepresst ist. Die Effizienz kann nicht weiter erhöht werden. Abbau beim Personal ist unverantwortlich! Darum fordert der SEV den ursprünglichen Betrag von 3850 Millionen.
Zusätzlich will der Bundesrat Sparvorschläge der Expertengruppe Gaillard umsetzen, und zwar zum Teil schon ab 2025?
Ja, erstens will die Gruppe Gaillard die Fördergelder für die Anschaffung von Elektrobussen streichen, die das Parlament im Rahmen des CO₂-Gesetzes für die Jahre 2025 bis 2035 vorsah, jährlich bis 47 Millionen Franken. Der Bundesrat will nun gar nicht erst mit der Auszahlung dieser Gelder beginnen. Somit müssten die TU schauen, wie sie ohne diese Gelder Elektrobusse finanzieren können, die sie zum Teil schon für 2025 bestellt haben. Der VöV protestierte denn auch deutlich, und im Parlament regt sich Widerstand: So forderte der Nationalrat in der Budgetdebatte vom 5. Dezember den Bundesrat auf, diese Gelder nicht zu sperren, und stockte den RPV-Kredit 2025 um 0,7 % auf. Auch schon 2025 umsetzen will der Bundesrat den Vorschlag der Gruppe Gaillard, den Busbetrieben die Mineralölsteuer zeitnah nicht mehr zurückzuerstatten, statt wie geplant ab 2030. Das entspricht jährlich ca. 80 Mio. Franken, die die TU einsparen müssten! Drittens will die Gruppe Gaillard die Abgeltungen des Bundes für den RPV ab 2027 um 5 % senken.
Wie soll das gehen?
Dazu müssten entweder die TU die Effizienz steigern, obwohl die Zitrone schon ausgepresst ist. Oder die Tarife für die Reisenden müssen steigen. Oder das Angebot wird abgebaut, zum Beispiel durch Ausdünnung oder Streichung von Linien. Die Varianten zwei und drei sind bei Bevölkerung und Politik sehr unbeliebt, also kommen die TU unter Druck. Die entscheidende Frage ist nun: Wie reagieren die TU in dieser Situation? Wollen sie bei den Mitarbeitenden und ihren Anstellungsbedingungen sparen? Das ist klar inakzeptabel, denn es herrscht schon jetzt in vielen TU Personalmangel, auch wegen der unregelmässigen Arbeit an Wochenenden und in der Nacht. Dazu kommen weitere Belastungen wie Aggressionen oder gestiegener Stress im Strassenverkehr. Umfragen beim Buspersonal zeigen, dass ihr strenger Job viele krank macht. Also müssen wir den TU klar sagen, dass sie die Arbeitsbedingungen nicht verschlechtern dürfen und keine Dumpingofferten machen sollen. Die Politik muss wissen, dass der RPV nur mit guten Arbeitsbedingungen richtig funktionieren kann – mit motivierten und qualifizierten Mitarbeitenden.
Markus Fischer
Ouestrail warnt vor den Sparmassnahmen beim RPV
An ihrem 20. Treffen vom 29. November in La Chaux-de-Fonds befasste sich die Westschweizer Eisenbahnlobby Ouestrail mit den drohenden Kürzungen im regionalen Personenverkehr (RPV), vor allem durch den vom Bundesrat gekürzten, ungenügenden Verpflichtungskredit für 2026–2028.
Die Unzufriedenheit war in der Versammlung stark spürbar, bei den Politikerinnen und Politiker aller politischen Lager wie auch bei den Vertreter:innen von öV-Unternehmen. Zwei Tage vor dem Treffen hatte die Konferenz der kantonalen Direktor:innen des öffentlichen Verkehrs (KöV) entschieden gegen die Sparmassnahmen Stellung bezogen. Verschiedene Redner:innen forderten, dass der Volkswille in Bezug auf Klimaschutz und Investitionen in den öV respektiert werden muss. Die Kürzungen gefährdeten das Angebot vor allem in den Randregionen. Diese seien durch den vom Bund verlangten Kostendeckungsgrad schon heute benachteiligt, und dessen Erhöhung wäre katastrophal. VöV-Direktor Ueli Stückelberger verwies auf die steigenden Erwartungen an einen flächendeckenden, leistungsfähigen öV.
Antonio Massa, zuständig für das öV-Finanzmanagement im Kanton Jura, warnte, dass die Kürzungen die positive Dynamik zerstören würden, die im Kanton Jura eine Erhöhung von Angebot und Fahrgastzahlen bei gleichzeitiger Senkung der Kosten pro Kilometer ermöglicht habe. Seitens BAV blieb man vorsichtig und sprach mehr von Rentabilität als von Verteidigung des Sevice public. SEV-Vizepräsidentin Valérie Boillat betonte, dass das Personal keinesfalls die Anpassungsvariable für diese Einsparungen sein darf. Zuletzt herrschte ein gewisser Optimismus, dass dieser Sparversuchs-ballon gestoppt werden kann. Yves Sancey