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SBB cargo

Sparopfer des Personals: ein No Go!

«Wir wollen und müssen unserer Unternehmung helfen, doch irgendwann erwarten wir auch ein Dankeschön.» Foto: SBB Cargo.

Die SBB will wegen der schwierigen Finanzlage beim Personal sparen. SBB Cargo will dabei noch weiter gehen als der übrige Konzern. Dafür hat der SEV kein Verständnis.

Die Coronakrise hat der SBB finanzielle Verluste eingebrockt. Diese federt der Bund nun bei Regionalverkehr, Infrastruktur und Güterverkehr ab, aber nicht im Fernverkehr. Die SBB hat zwar Reserven, aber zurzeit ein Liquiditätsproblem, weshalb sie beim Bund Darlehen aufnehmen muss. Daher fordert die Konzernleitung vom Personal einen Sparbeitrag: Es soll nächstes Jahr auf die geplanten Lohnmassnahmen und zwei Ferientage verzichten. Das thematisierte die SBB parallel zu den Verhandlungen über das Lohnsystem. Doch der SEV will darüber erst verhandeln, wenn man sich auf eine befriedigende Lohnsystem-Weiterentwicklung geeinigt hat.

«SBB Cargo ist bei diesen Verhandlungen nicht dabei, meint aber, die Sparmassnahmen übernehmen zu können», erklärt SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn. Zudem toppt SBB Cargo den SBB-Wunschkatalog mit einer weiteren Sparforderung: Ihre Mitarbeitenden sollen bis 40 Minusstunden ins Jahr 2021 hinübernehmen müssen statt maximal 25, wie im geltenden GAV festgelegt. Auch will die SBB Cargo AG ihren GAV separat vom GAV SBB weiterentwickeln. Zu solchen Verhandlungen haben sich die Gewerkschaften beim Abschluss des GAV 2019 für 2021 bereit erklärt.

Angst machen, um sparen zu können?

SBB Cargo hat im ersten Halbjahr 27 Mio. Verlust gemacht – vor allem wegen Corona, aber nicht nur: «Die Geschäftsentwicklung von SBB Cargo ist grundsätzlich schwierig, Szenarien, worauf die Leitung gehofft hatte, sind nicht eingetreten. Corona ist als Supplément dazugekommen», analysiert Hadorn. Darum fand er den Ton der Videobotschaft der Cargo-Leitung Ende August an die Mitarbeitenden zur Lage von SBB Cargo fehl am Platz. Geradezu angstschürend waren etwa die Sätze: «Uns geht buchstäblich das Geld aus, damit wir auch in Zukunft die Löhne noch bezahlen können. (…) Nur gemeinsam schaffen wir es, dass wir SBB Cargo am Leben erhalten. (…) Dies wird von uns allen Opfer verlangen.»

Loyalität der Mitarbeitenden nicht überstrapazieren

«Auf dem Rücken des Personals zu sparen ist ein No Go», betont Hadorn. «Die Mitarbeitenden bringen schon genug Opfer, damit der Betrieb funktionieren kann, trotz Personalmangel usw. Aus Loyalität zum Unternehmen tun sie manches, das eigentlich unzumutbar wäre. Geht man ihnen an den Lohn, die Ferien und den GAV, wird diese Loyalität irgendwann überstrapaziert und kippt in Frust und Resignation. Das wäre für alle schlecht.»

Für Hadorn fokussierte der Videoappell allzu sehr auf interne Unzulänglichkeiten und blendete die Rahmenbedingungen aus: Dass die Coronakrise vorbeigehen wird und dass es Bundeshilfe gibt. «Allerdings verlangt die Politik von SBB Cargo grundsätzlich Eigenwirtschaftlichkeit und hat die Bundessubventionen zurückgefahren, was für Cargo heute im Binnenverkehr eine schwarze Null noch schwieriger macht als früher», führt Hadorn aus. «Dies steht im Widerspruch zur Erwartung der Gesellschaft, dass der Güterverkehr möglichst klimaverträglich sein soll und darum möglichst auf die Schiene gehört. Darum muss die öffentliche Hand SBB Cargo weiter subventionieren. Und die Leitung darf und soll dies auch selber fordern.»

Kein weiterer Abbau!

Fragwürdig erscheinen Hadorn die im Video erwähnten «Angebotsanpassungen»: «Cargo darf jetzt keine weiteren Abbaurunden anvisieren. Immer wieder hat man in der Vergangenheit etwas abgeschnitten, das am ertragsärmsten schien. Doch ein nachhaltiger Erfolg blieb aus. Vielmehr ging mit jedem Abbau Umsatz und Entwicklungspotenzial verloren. Diese Abwärtsspirale gilt es endlich zu stoppen! Überfällig sind jetzt Angebotsanpassungen, welche für die Zeit nach dem ‹Corona-Freezing› endlich eine Teilhabe am Wachstum des Güterverkehrs auf der Schiene vorsehen.»

Markus Fischer
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Unruhe beim Lokpersonal

«Seit der alarmierenden Videobotschaft der Cargo- Leitung von Ende August haben bei uns viele Angst um ihren Lohn und die Zukunft», sagt Yannick Durand, Vorstandsmitglied des LPV Waadt und Unterwallis und Mitglied der Peko Cargo. «Die neuen, frisch ausgebildeten Lokführer fragen sich, ob sie zur Konkurrenz wechseln sollten. Gehen sie weg, wird der Lokführermangel noch grösser. Wir werden ständig angefragt, ob wir an freien Tagen arbeiten können, und machen Abstriche bei unserer Freizeit. Wir wollen und müssen unserer Unternehmung helfen, doch irgendwann erwarten wir auch ein Dankeschön. Es gibt eine Unzufriedenheit, die noch zunehmen wird, wenn auf unserem Rücken gespart wird. Viele Kollegen wollen sich mit 60 pensionieren lassen. Von den 93 Lokführern in Lausanne-Triage werden in den nächsten vier Jahren wohl 20 in Pension gehen. Es ist kompliziert: Die meisten von uns lieben das Unternehmen Cargo, aber wir verstehen die Reorganisationen nicht immer. Wir haben so viele erlebt und fragen uns angesichts der heutigen Finanzlage, wozu sie gut waren… Ich finde, die Leitung könnte das Personal ein wenig beruhigen, aber sie tut es nicht. Wir sind es, die unsere Kollegen zu beruhigen versuchen…»

Affront für die Rangierer

Wie kommen die Sparforderungen bei den Rangiermitarbeitenden an? «Sie verstehen das nicht, nachdem sie in der Coronazeit freiwillig ihre Mehrarbeitszeitkonten hinuntergefahren und Ferien bezogen haben, obwohl der Zeitpunkt dafür nicht ideal war», sagt Hanspeter Eggenberger, Zentralpräsident RPV. «Sie haben diesen Beitrag geleistet, weil sie zum Unternehmen stehen und sahen, dass seine Situation schwierig ist. Und sie haben es geschätzt, dass bei Kurzarbeit weiterhin 100% Lohn bezahlt wurde. Aber wenn die Leitung nun bei den Löhnen sparen will, kommt das bei unseren tiefen Lohnkategorien ganz schlecht an. Dann wird es schwierig, für Rangierarbeiten noch Leute zu finden. Das Rangierpersonal ist seit langem knapp und sein Durchschnittsalter mit etwa 50 hoch. Unsere Einstiegslöhne sind zu tief, dafür kann man auch Regale auffüllen, ohne 24 Stunden am Tag draussen und am Wochenende zu arbeiten. Abgänger einer Logistiklehre gehen in der Ostschweiz lieber zur RhB, weil sie höhere Einstiegslöhne zahlt. Die B100-Lokführer fordern seit Jahren mehr Lohn. Und wenn man den Lohnaufstieg in einem Jahr streicht, ist das nicht eine einmalige Sache, sondern das schleppt man dann immer mit.»

Kommentare

  • Fuchs Franz

    Fuchs Franz 13/10/2020 16:00:25

    Den Bericht in der Rundschau vom 7. Oktober 2020 habe ich gesehen. Vorher schon befasste ich mich mit den Gütergeleisen an den Bahnhöfen im Kanton Schwyz. Da wird gar nicht mehr auf den Waggonladungsverkehr gesetzt. Es gibt aber auch keine Planung, wie und wo Schienegüterverkehr angeboten werden könnte, bzw wo noch Möglichkeiten für WVL vorhanden wären. Viele Fabriken und Produktionsanlagen sind ins Ausland verlagert worden. Z. Papier
    Die Eisenbahn ist auch eine Art Konjunkturpuffer. Gibt es grosse Nachfrage nach Transporten wird auch die Schiene in Betracht gezogen. Sind aber die eigenen Käpazitäten nicht ausgelastet, schaut man für sich. Was ich mich halt frage, warum das Interesse von Wirtschaft und auch von kantonalen Stellen am Schienengüterverkehr nicht grösser ist. Nur Abbau bringt keine Zugkunft.

  • Claudius Gromer

    Claudius Gromer 14/10/2020 18:49:07

    Liebe SEV,

    ich bin zwar nicht im Transportsektor tätig, interessiere mich aber immer für Eisenbahn, Züge und ÖPNV (nicht nur in Deutschland / "Schwabenland" :-) ). Trotzdem ein paar Beobachtungen von hier: Die deutschen Bediensteten des Öffentlichen Nahverkehrs sind in der Gewerkschaft Ver.di organisiert, bei den Eisenbahnern sind GDL als relativ kleine Gewerkschaft überwiegend für Lokführer und EVG die Ansprechpartner.

    Es gab z.B. 2014 einen längeren Streik der GDL, dem in Medien und sozialen Netzwerken (mit zunehmender Dauer) mit viel Hass, Häme und Hetze begegnet wurde. Seit einigen Wochen gibt es (eher kurze) Warnstreiks im Öffentlichen Dienst, von Erziehern/-innen und eben auch dem Personal des ÖPNV. Das Echo und die "veröffentlichte" (nicht unbedingt öffentliche!) Meinung sind ähnlich aufgebracht, unsachlich, beleidigend: Die Vorwürfe reichen von "Geiselnahme der Bevölkerung", "asozial", "Gerade jetzt streikt ihr... (Schimpfwörter en masse)", "Ihr setzt die Zukunft von ... aufs Spiel", dann natürlich auch: "Deswegen fallen Züge aus, die Leute sind dichter gedrängt, Corona..." bis hin zu "Ihr sabotiert die Verkehrswende".

    "Großzügigere" Zeitgenossen haben dann "generell Verständnis", aber gerade jetzt "in solchen Zeiten" nicht. Anders gesagt: Gar nie. Es heißt ja immer: "Dies ist jetzt nicht der Zeitpunkt für - Achtung! - 'Verteilungskämpfe' !". Ver.di müht sich redlich, aber mit Sachinfos zur Situation der Beschäftigten und den zusammengesparten Strukturen ist vielen Leuten nicht beizukommen. Als alter Südschwarzwälder würde ich sagen: "Sell isch, wie wennde en Ochs ins Horn pfetzesch!" (Was ja in einem Teil der Schweiz durchaus verständlich sein dürfte, haha). Mich würde interessieren, ob ihr und eure Kollegen mit ähnlichen Problemen von Hassrede etc. betroffen seid. Ich schreibe immer mal was auf Facebook, Argumente gibt es viele, aber es ist auch ermüdend; die Postfaktiker sind z.T. auch sehr aggressiv, suhlen sich geradezu in ihren Bestrafungsfantasien ("Euch sollte man...", "Hoffentlich bleiben die Arbeitgeber hart", "Das kann euch noch auf die Füße fallen!"), sind aber meinem Eindruck nach fast durchgehend nicht mutig genug, ihrem eigenen Chef mal "e Gosche a'z'hänge". Sind vielleicht selber Chefs irgendwo, dynamische Unternehmer (die Streiks natürlich nicht so toll finden, o.k.), oder auch offenbar "Helden der Arbeit" (Tapferkeitsmedaille?). Sprüche wie "Andere müssen von... leben, ihr habt also keinen Grund zu streiken" gibt es natürlich als Dreingabe noch "obe druff". Nach oben buckeln, nach unten treten, Untertanengeist, verhetztes Kleinbürgertum. Was tun?

    Euch alles Gute bei der Arbeit, Verhandlungen und allem, was halt so ansteht

    Claudius Gromer