SBB Cargo: Neue Lokpersonallaufbahn überzeugt
Am 31. Mai hat SBB Cargo mit der Verhandlungsgemeinschaft (VG) von SEV, VSLF, Transfair und KVöV die Verhandlungen über die Einreihung der neuen Berufsbilder abgeschlossen. Es resultierte eine neue Laufbahn für das Lokpersonal Cargo vom B100 zur Kategorie B. Wie beurteilen der B100-Lokführer Danilo Tonina und der B-Lokführer Beat Kieliger das Resultat?
Als Zentralpräsident des Unterverbands des Rangierpersonals (RPV) begleitete Danilo Tonina den Verhandlungsprozess im so genannten Soundingboard von Vertreter:innen der betroffenen Unterverbände, mit denen sich SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn vor und nach den insgesamt neun Verhandlungsrunden ab Februar 2022 laufend besprach. Hadorn vertrat den SEV in der VG und führte deren Verhandlungsdelegation an. Beat Kieliger arbeitete als Ressortleiter Lokpersonal Cargo des Unterverbands des Lokomotivpersonals (LPV) ebenfalls im Soundingboard mit.
Wie haben Kieliger und Tonina die Soundingboards erlebt, die grösstenteils digital stattfanden? «Philipp hat bei uns zuerst mal abgeholt, was unsere Vorstellungen sind, und wir haben uns laufend eingebracht und geschaut, dass nichts vergessen geht», sagt Beat Kieliger. Das Soundingboard-System habe gut funktioniert. Er hätte zwar persönlich statt den Videokonferenzen lieber präsenzielle Sitzungen gehabt, doch auch für ihn sei es praktisch gewesen, sich Wegzeiten sparen zu können. «Die Stimmung war sehr gut, es wurde rege diskutiert und konstruktiv gearbeitet», bilanziert Danilo Tonina.
Schwierige Ausgangslage
Was waren bei den Verhandlungen die grössten Knacknüsse? Die erste habe darin bestanden, die Cargo-Leitung überhaupt an den Verhandlungstisch zu bringen, berichten Kieliger und Tonina übereinstimmend. Denn aus Arbeitgebersicht hat die VG zu Berufsbildern und Stellenbeschrieben nur ein Anhörungsrecht. Hilfreich war, dass im Herbst die Cargo-Leitung zur Übernahme des neuen SBB-Lohnsystems das Einverständnis der VG brauchte. Diese erreichte im Gegenzug von SBB Cargo die Zusicherung, «im Zusammenhang mit den neu eingereihten Berufsbildern der Produktion Verhandlungen zu möglichen geldwerten Leistungen zu führen (…), dies namentlich beim Berufsbild Lokführer:in Cargo B100 mit PWL und anderem mehr.»
Für beide Kollegen war ein Hauptanliegen, dass die Zusatzausbildungen für Funkfernsteuerung (FF), Betriebliche Zuguntersuchung (BZU) und Prüfer Wagenladung (PWL) nicht einfach so ins Berufsbild des Lokpersonals übernommen werden, sondern finanziell honoriert werden müssen durch eine jährlich wiederkehrende Entschädigung oder eine Lohnerhöhung dank höherer Einreihung. «Denn durch die Polyvalenz ist eine Produktivitätssteigerung klar gegeben», betont Tonina. Insbesondere eine wiederkehrende Entschädigung für die PWL-Ausbildung sei schon lange ein Streitpunkt gewesen, denn verschiedene Aussagen von Cargo-Verantwortlichen hätten Verwirrung und Verunsicherung gestiftet; das Verhandlungsresultat habe nun Klarheit gebracht.
Doch zu Beginn schien es sehr schwierig, eine Lösung zur Entschädigung der Zusatzausbildungen zu finden, weil die HR-Spezialisten der SBB für das B100-Lokpersonal kein zusätzliches Anforderungsniveau (AN) als gerechtfertigt sahen: «Sie sind im letzten Herbst zum Schluss gekommen, dass die Funktion B100-Lokführer auch mit dem sogenannten Dreiklang von FF, BZU und PWL grad knapp nicht reicht für das AN G», erzählt Beat Kieliger. «Darüber war SBB Cargo selber überrascht.»
Zusätzliches Anforderungsniveau für die B100
Die VG hat dann gefordert, die Einreihungen überprüfen zu können, und dass hier das AN G möglich sein muss. Dazu bot die Cargo-Leitung schliesslich Hand, weil sie die Entschädigung der Zusatzausbildungen über den Lohn statt über Zulagen bevorzugte. Sie akzeptierte die neue Laufbahn für das Lokpersonal Cargo mit den Kategorien B100 Level 2 mit AN F, B100 Level 3 (mit «Dreiklang») mit AN G und Kat. B Level 4 mit AN H – auch wenn die letzten beiden Kategorien nach Ansicht des HR gemäss den Kriterien des Toco-Systems in die AN F und G gehören.
Danilo Tonina ist mit diesem Resultat «sehr» zufrieden: «Nach vielen Jahren gibt es endlich eine Lohnerhöhung beim B100. Und wer den so genannten Dreiklang nicht hat, aber die PWL-Ausbildung, erhält eine jährliche Zahlung von 1500 Franken, auch die Rangierpersonalkategorien A 40 und Ai 40. Diese finanzielle Verbesserung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht selbstverständlich. Und ein Rangierer kann nun über den B100 zum B-Lokführer aufsteigen. Dass der ‹RCP-Spezialist B100 mit Fahrkompetenz› nun ‹Lokführer B100› heisst, ist zwar eine Kleinigkeit, hat aber grossen Symbolcharakter. Ich wünsche mir, dass dieses Resultat auch als Erfolg angesehen wird, trotz dem Wechsel vom Frühpensionierungsmodell Valida zu Priora. Von einer Verschlechterung zu sprechen wäre einfach nicht weitsichtig.»
Frühpensionierung mit Priora
Der Wechsel vom Valida ins Priora-Modell erfolgt wegen der Höhereinreihung. «Priora ist ebenfalls ein gutes Modell, aber vielen Kollegen noch wenig bekannt», sagt Philipp Hadorn. «Nachteile drohen eigentlich nur, wenn man nach vielen Jahren in Valida kurz vor der Pensionierung steht. So könnte es sein, dass einige Kollegen noch etwas länger arbeiten müssen als geplant. Doch es gibt Einschüsse in die Pensionskasse beim Wechsel zu Priora und eine Härtefallregelung. Wer knapp nicht als Härtefall gilt und vor einer inakzeptablen Situation steht, kann beim SEV Rechtsschutz beantragen.»
Weiterbildungen honoriert und Lohndumping-Gefahr entschärft
Auch Beat Kieliger ist mit dem Resultat für das B100-Lokpersonal zufrieden: «Mit dem SEV-Hut, den ich bei diesen Verhandlungen auch anhatte, finde ich es sehr gut, dass die B100-Lokführer mit ‹Dreiklang› das AN G bekommen und jene, die nur den PWL machen, jährlich 1500 Franken erhalten, auch die RCP A 40 und Ai 40. Das war für mich ein wichtiges Anliegen, dass jeder, der Zusatzausbildungen macht, dafür honoriert wird.» Wichtig war ihm auch, die Lohndumping-Gefahr zu entschärfen, die mit dem zunehmenden Einsatz von B100-Lokpersonal auf Streckenloks verbunden ist. Dies sei mit der Reduktion des Lohnunterschieds zum B-Lokpersonal gelungen.
«Als Vertreter der B-Lokführer finde ich es aber etwas unschön, dass für uns die Zusatzausbildungen des ‹Dreiklangs› dazukommen, das Lohnmaximum aber nur um 312 Franken pro Jahr steigt», fügt Kieliger an. Denn trotz dem Wechsel vom bisherigen AN G der «Lokführerkurve» zum AN H der normalen Lohnskala steigt der Lohn des B-Lokpersonals nur geringfügig an. Kieliger räumt aber ein, dass ab Alter 58 die neuen Kurse freiwillig sind und dass Cargo den B-Lokführer:innen den Lohnaufstieg in zehn statt zwanzig Jahren zugesichert hat. «Sie werden damit ihren Kolleg:innen des Personenverkehrs gleichgestellt», unterstreicht LPV-Zentralpräsidentin Hanny Weissmüller, die im Soundingboard ebenfalls mitgewirkt hat.
Beat Kieliger ist auch froh, dass er die Cargo-Leitung davon abbringen konnte, einem Teil der jungen B-Lokführer nur das AN G zu geben – jenen nämlich, die in letzter Zeit direkt als B-Lokführer angestellt worden sind, obwohl das Ausbildungskonzept vor der B-Lokführerprüfung zuerst einen zweijährigen Einsatz als B100 vorsieht. Dies war aber aus organisatorischen Gründen nicht immer möglich. Wichtig ist für Beat Kieliger, darüber zu wachen, dass alle B100-Lokführenden, welche die B-Prüfung machen wollen, dies nach zwei Jahren Arbeit als B100 tun können.
Markus Fischer