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Auf den Spuren von ...

Jonas Lischer, selbsternannter Mobilitätsberater

SBB-Kundenberater Jonas Lischer versucht Leute, die den öffentlichen Verkehr noch wenig nutzen, für diesen zu begeistern, indem er sie aktiv über dessen Nachhaltigkeit und gute Angebote aufklärt. Das hilft dem Klima und dem SBB-Umsatz.

Wer Jonas Lischer im Reisezentrum Olten bei der Arbeit zuschaut, fällt auf, dass er die Kundschaft immer wieder auf Angebote hinweist, die für sie attraktiv sein könnten. So bietet er allen, die noch kein Halbtax-Abo haben, systematisch eines an. «Viele Leute glauben, dass ein Halbtax mehrere hundert Franken koste, und haben von der Juniorkarte und den anderen Rabatten für Familien noch nichts gehört. Gerade Leute mit Migrationshintergrund kennen das öV-Angebot in der Schweiz oft noch zu wenig und sind darum dankbar für diese Informationen.»

Nachhaltige Mobilität verkaufen

Das wichtigste Verkaufsargument von Jonas Lischer aber ist der Beitrag des öV zum Klima- und Umweltschutz. Darum sieht er es schon lange als seine Aufgabe an, «als Botschafter für den öV möglichst viele Leute für diese nachhaltige Mobilitätsform zu akquirieren». Seit er selber zwei Mädchen (6 und 2) hat, dünkt es ihn noch wichtiger, «für die nächste Generation zur Natur zu schauen. Mit dem öV haben wir eines der besten Produkte, welches entschieden dazu beiträgt. Ich will niemanden bekehren, spreche die Leute aber aktiv darauf an. Wenn ich ihnen sage, dass für das Klima zumindest ein Mix zwischen öV und Auto gut wäre, ohne dass sie ganz auf das Auto verzichten müssen, ist das ja nicht so brutal. Viele finden dann, das stimme eigentlich, und kaufen schon mal eine Juniorkarte und später ein Halbtax.» Durch Nachfragen hat Jonas Lischer auch schon Flugreisende dazu gebracht, mit der Bahn zum Flughafen zu fahren, statt sich hinbringen zu lassen.

«Wenn wir uns vom Mobilitätskuchen ein grösseres Stück abschneiden wollen, ist es wichtig, dass wir Kundenberater:innen den Mut haben, als selbsternannte Mobilitätsberater mit Nachfragen etwas weiter zu gehen als bisher üblich», ist Jonas Lischer überzeugt. «Die SBB könnte mit einer Berufsbildveränderung dazu beitragen, dass sich jeder von uns noch mehr mit unserem Kerngeschäft identifiziert.»

Kontakt zur Landbevölkerung wichtig

«Gerade auf dem Land gibt es noch viel Kundenpotenzial», weiss der Einwohner von Burgäschi bei Herzogenbuchsee. «Wir haben es bisher verpasst, auf dem Land Präsenz zu markieren und die Leute für den öV zu begeistern.» Von den Schalterschliessungen, die die SBB per Juli angekündigt hat, bedauert er darum jene in Herzogenbuchsee ganz besonders. Denn trotz gesunkener Kundenzahlen bleibe dieser Schalter, an dem er früher mal selber gearbeitet hat, angesichts des grossen Einzugsgebiets mit 15 000 Leuten wichtig, um den öV in der Region zu fördern. «Die Leute kaufen zwar immer mehr Billette online, kommen aber regelmässig am Bahnhof vorbei, und wenn sie eine Frage haben, bietet sich die Chance, sie zu ‹bearbeiten›, wie es nur im direkten Kundenkontakt möglich ist. In diesem wird meist auch die Basis für das wichtige Drittgeschäft gelegt.»

Jonas Lischer versteht durchaus, dass man gewisse Bahnhöfe auf die Wirtschaftlichkeit hinterfragt. Aber gerade jetzt Schalter zu schliessen, wo die Pandemie zu Ende geht, wo die Leute wieder mehr unterwegs sind und die Nachhaltigkeit wieder mehr thematisiert wird, findet er nicht den richtigen Zeitpunkt.

Welche Tipps könnte Jonas Lischer, der seit bald 28 Jahren bei der SBB arbeitet, der SBB-Führung sonst noch mitgeben? Den geplanten Umbau von Reisezentren nach dem Vorbild der Swisscom-Shops, um quasi physisch auf die Kundschaft zuzugehen, sieht er nicht als prioritär nötige Investition, weil die jetzigen Schalter ihren Zweck bestens erfüllen und im Fall einer erneuten Pandemie einfach mit Plexiglas ausgerüstet werden könnten. Nach wie vor ist er auch der Meinung, dass die SBB als Haupttransportpartner vieler Events wieder ins Event-Geschäft einsteigen sollte. Als er in Herzogenbuchsee arbeitete, habe das Verkaufsteam dort mal für ein einziges U2-Konzert Eintritte im Wert von 30 000 Franken verkauft. Das Drittgeschäft findet er allgemein wichtig, weil die Kundschaft durch «Cross-Selling» fürs öV-Kerngeschäft gewonnen werden kann, also zum Beispiel die Nutzer:innen von Geldüberweisungen für das Halbtax-Abo. «Wir verpassen es nach wie vor, die Western-Union-Kundschaft, welche uns während der Pandemie fast allein verblieb, mit dem Kerngeschäft öV vertraut zu machen», findet der engagierte Kundenberater. Weiter würde er sich wünschen, dass vor der Einführung neuer Produkte und Systeme die Mitarbeitenden an der Basis stets in die Evaluation einbezogen werden.

Dem SEV trat Jonas Lischer wenige Monate nach Beginn seiner Lehre als Bahnbetriebsdisponent bei und war eine Weile im Vorstand seiner Sektion. «Die SBB ist zwar ein sehr guter Arbeitgeber, aber die Leute, die bei ihr arbeiten, sind manchmal etwas unglücklich in ihren Entscheiden. Darum ist es wichtig, dass wir einen guten GAV haben und den SEV, der sich dafür einsetzt. Ohne diese Basis hätten wir wohl schon länger schlechtere Arbeitsbedingungen.»

Neben seiner Familie widmet sich Jonas Lischer der Organisation von Musik-Events (die mit dem öV erreichbar sind), ist Supporterpräsident des FC Lommiswil und Passivmitglied weiterer Vereine. Falls ihr ihn persönlich kennenlernen möchtet, dann meldet euch bei ihm für die Celtic, Blues & Rocknights an der Lenk im Simmental vom 20. bis 22. Mai an: Enable JavaScript to view protected content..

Markus Fischer
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