Kaufkraft
Familien droht ein Verlust von 3500 Franken
Die aktuelle Teuerung von mehr als 2 Prozent und der Prämienschock bei den Krankenkassen belasten die Kaufkraft der Arbeitnehmenden. Ohne Teuerungsausgleich drohen den Familien Reallohneinbussen von 2200 Franken und zudem ein Kaufkraftverlust von 1000 Franken aufgrund der Erhöhung der Krankenkassenprämien. Christian Fankhauser, Vizepräsident des SEV, wirft einen Blick auf den Transportsektor.
Die Rückkehr der Teuerung nach mehr als zehn Jahren schafft eine völlig neue Lage. Am vergangenen 20. April stellte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) einerseits alarmierende Zahlen und andererseits seine Forderungen vor (siehe Kasten).
Pierre-Yves Maillard, Präsident des SGB, fasst die Lage wie folgt zusammen: «Für uns ist das ein Schock, wie wir ihn seit vielen Jahren nicht mehr erlebt haben. Die Arbeitnehmenden sind darauf angewiesen, dass unverzüglich substanzielle Lohnverbesserungen erfolgen und Massnahmen gegen die Last der Krankenkassenprämien getroffen werden.»
2022 wird die jährliche Teuerung zwei Prozent übersteigen. Unter diesen Bedingungen sind allgemeine Lohnerhöhungen unumgänglich, damit eine schmerzhafte Reallohneinbusse vermieden werden kann. Ohne Teuerungsausgleich würden die Berufstätigen mit mittleren Einkommen einen realen Verlust von jährlich 1600 Franken erleiden. Für Familien mit Kindern, in denen beide Elternteile arbeiten, wird der Verlust sogar gegen 2200 Franken betragen.
Der drohende Prämienschock von bis zu zehn Prozent wird die mittleren Einkommen besonders hart treffen. Sie erhalten kaum Prämienverbilligungen und zahlen oft mehr als zehn Prozent ihres Einkommens an die Krankenkassen. Der Prämienschock für eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern könnte dazu führen, dass sie beinahe 1100 Franken mehr Prämien bezahlen müssen.
Die oberen Einkommensgruppen und die Top-Manager kassierten beträchtliche Gehaltserhöhungen, gerade als ob es nie eine Kritik an den Abzockern gegeben hätte. Auf der Kehrseite müssen sich wieder mehr Arbeitnehmende mit einem Tieflohn begnügen. Diese besorgniserregende Ausgangslage erfordert gezielte Massnahmen, damit die Kaufkraft der Gering- und Normalverdienenden steigt und nicht etwa sinkt. Ohne Gegenmassnahmen droht Familien ein Kaufkraftverlust von gegen 3500 Franken. Daniel Lampart, Chefökonom des SGB, erklärt: «Die Realeinkommen müssen steigen, damit die Inflation für die Berufstätigen keine Gefahr darstellt.»
Schon seit langer Zeit sind die Löhne der Normalverdienenden viel zu langsam gestiegen. Vania Alleva, Präsidentin der Unia, hält fest: «Die Gewinne aus den Produktivitätssteigerungen wurden nicht an die Arbeitnehmenden weitergegeben. Deshalb besteht bei den niederen und mittleren Einkommen ein dringender Nachholbedarf. Die allgemeine Konjunkturlage ist nach wie vor positiv. Viele Branchen haben sich inzwischen vollständig von der Krise erholt und erleben einen Boom. Deshalb ist der Spielraum für Lohnerhöhungen klar vorhanden.
Dazu kommt noch die gute finanzielle Lage der Kantone, die teilweise von den Corona-Massnahmen des Bundes profitiert haben. So konnten sie das erste Pandemiejahr 2020 mit Überschüssen von mehr als einer Milliarde Franken und das zweite Pandemiejahr 2021 gar mit 2,7 Milliarden Franken Überschuss abschliessen.
Der Transportsektor steht nicht zurück
«Trotz der soliden Finanzlage der Kantone stellen wir vielerorts Bestrebungen fest, bei den Transportunternehmen zu sparen und die Teuerung bei den Lebenshaltungskosten gar nicht zu berücksichtigen», doppelt Christian Fankhauser, Vizepräsident des SEV, nach. «Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) den Gesundheitskosten nur sehr beschränkt Rechnung trägt. Die wiederholten Erhöhungen der Krankenkassenprämien werden deshalb klar nicht ausgeglichen.» Es darf deshalb nicht erstaunen, dass sich das Verkehrspersonal bei dieser Ausgangslage lautstark vernehmen lässt, wie es beispielsweise aktuell bei den SBB, TPG, TL und auch TPF der Fall ist.
SGB / Vivian Bologna / Übersetzung Peter Moor
Forderungen des SGB
Angesichts des drohenden Kaufkraftverlusts fordert der SGB die folgenden Massnahmen:
• Generelle Lohnerhöhungen mit Teuerungsausgleich und einem Reallohnzuwachs als Beteiligung an der guten Wirtschaftsentwicklung.
• Alle Arbeitnehmenden sollen bei einer Vollzeittätigkeit mindestens 4000 Franken Lohn erhalten – 13 mal.
• Es braucht dringend höhere Prämienverbilligungen bei der Krankenversicherung. Niemand soll mehr als 10 Prozent seines Einkommens für die Krankenkasse zahlen müssen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund erwartet vom Bundesrat rasch einen Vorschlag, wie der drohende Prämienschock abgewendet werden kann.
Kommentare
Willi Walther 13/05/2022 11:42:16
Und was passiert bei den Rentnern?
Wir zahlen im jetzigen Zeitpunkt mehr als 10% unserer Jahresrente.