Unterverband ZPV
Überlange Züge und Belastungen des Personals
Bekanntlich wurde mit dem Projekt «Kundenbegleitung 2020 bzw. 2021» die durchgehende Doppelbegleitung (immer mindestens zwei Kundenbegleitende auf dem Zug) auf den Fernverkehrszügen per Fahrplanwechsel Dezember 2018 aufgehoben. Das Personal wurde damit «motiviert», dass dann auf den neuen Fernverkehr-Doppelstockzügen, die zum grossen Teil als Doppelkompositionen mit einer Länge von 401 Metern verkehren, mit mehr als zwei Kundenbegleitenden begleitet werden soll. Die Aktualität zeigt jedoch ein ganz anderes Bild: So kommt es mit schöner Regelmässigkeit nun vor, dass sich Kolleginnen und Kollegen mit langen Zügen bestehend aus Doppelkompositionen wie die neuen Fernverkehrs-Doppelstockzügen, zwei Einheiten Intercity-Neigezüge (ICN) mit 378 Metern Länge oder Pendelzüge mit Verstärkungsmodulen usw. alleine herumschlagen müssen. Dies notabene möglichst noch an Tagen, wo viele Gruppen, Ausflügler und Reisende mit Velos unterwegs sind.
Mehrfach wurde in diesem Kontext an Gesprächen mit der Leitung Kundenbegleitung und Cleaning (KBC) auch das Thema «überlange Züge» angesprochen. Als «überlange Züge» werden im Fachjargon Züge genannt, die länger sind als die Perrons auf den Bahnhöfen, an welchen sie planmässig anhalten und somit einzelne Wagen ausserhalb des Perrons zu stehen kommen. In solchen Fällen sind alle Einstiegstüren der Wagen, die sich ausserhalb der nutzbaren Perronkante befinden, vor dem Halt auf dem betreffenden Bahnhof durch den oder die Kundebegleiter/in abzuschliessen, welche(r) den betreffenden Wagen zugeteilt hat. Sie bzw. er hat das Aussteigen der Reisenden durch die anderen Einstiegstüren zu überwachen und die abgeschlossenen Türen nach Abfahrt wieder zu öffnen, da am nächsten Haltebahnhof die Perrons dann allenfalls wieder lang genug für den ganzen Zug sind.
Diese Züge wären eigentlich bereits von der Jahresplanung her mit zwei Kundenbegleitenden fix eingeplant. Nun kommt es regelmässig vor, dass auf solchen Zügen nur ein/e Kundenbegleiter/in eingeteilt ist und die Diensttour des zweiten Mitarbeitenden anderweitig verplant wurde. Trotz Versprechungen der Leitung KBC, die Einteilungen in den Regionen auf diese Züge zu sensibilisieren, spüren wir aktuell von einer Änderung der alleinigen Begleitung sehr wenig. Sind dies also nun alles schöne Worte und leere Versprechungen seitens der Leitung KBC? Als ein Beispiel von vielen zeigen wir einige Situationen bei den Zügen 2059 Basel SBB – Zürich Flughafen und 2064 Zürich Flughafen – Basel SBB auf. Bei diesem Zug handelt es sich von montags bis freitags um einen Pendelzug bestehend aus Einheitswagen Typ IV und Eurocity-Wagen vom Typ Apm61 und Bpm61. Insgesamt besteht der Zug aus 11 Wagen und einer Lok Re 460 und hat eine Zugslänge von 308.90 Meter.
Der allein anwesende Kundenbegleiter muss beim Abfahrtsprozess also eine Übersicht der Einstiegstüren an 11 Wagen und insgesamt 22 Einstiegstüren haben. Die Distanz von der ersten bis zur letzten Einstiegstüre beträgt bei 11 Wagen knappe 290 Meter! Wohlgemerkt, solche Situationen kommen nicht nur bei Tageslicht, sondern auch bei Dunkelheit, Regen, Nebel usw. vor. Dabei ist der Umlauf von Zug 2059 nicht einmal der längste Zug, der in Baden (AG) Gleis 1 anhält: Mit den Zügen 1959 und 1979 kommt noch ein Umlauf mit 12 Wagen (Zugslänge 335.30 Meter) im Bahnhof Baden (AG) vorbei, dort befinden sich also bereits eineinhalb Wagen ausserhalb der Perronkante.
Der aktuelle Abfahrprozess gibt bei diesen Zügen vor, dass beim Erreichen der Abfahrtszeit und dem Fahrt zeigenden Signal die Türen durch den Chef Kundenbegleiter am Zug geschlossen werden und dann alle auf dem Zug eingeteilten Kundenbegleitenden «ihre» Türen der zugeteilten Wagen auf den geschlossenen Zustand hin kontrollieren und dies entsprechend zurückmelden. Danach steigen sie ein und schliessen ihre eigene, vor Beginn des Abfahrtsprozesses blockierte Türe (die verhindert, dass sie durch die schliessenden Türen ausgesperrt werden). Der Chef Kundenbegleiter übermittelt anschliessend dem Lokführer die Abfahrterlaubnis. Da der/die Kundenbegleiter/in jedoch alleine auf dem Zug ist, muss er/sie also in diesem Fall über eine Länge von knapp 290 Metern die Übersicht haben, ob sich alle 22 Einstiegstüren auf der Perronseite korrekt geschlossen haben und sich beispielsweise niemand in einer geschlossenen Türe die Hand eingeklemmt hat.
Fakt ist, dass seit dem Fahrplanwechsel 2018 die physischen und psychischen Belastungen für das Zugpersonal stetig zugenommen haben, was sich in den Absenzenzahlen entsprechend widerspiegelt. Das ganze Begleitkonzept nimmt keinerlei «Rücksicht» auf Zugslängen, Belegung, Gruppenreisende, Velos usw. – es geht nur noch darum, dass sich auf jedem Zug mindestens ein/e Kundenbegleiter/in befindet. Die SBB und die Leitung KBC unternehmen aktuell sehr wenig bis überhaupt nichts, um diese Belastungen entsprechend zu reduzieren. Dabei wären eigentlich gesunde und motivierte Mitarbeitende das höchste Gut einer Unternehmung.
Ein guter Rat
Bitte niemals in eine sich schliessende Einstiegstüre fassen – bei diesen Wagen-, bzw. Türtypen wird der Einklemmschutz der Türe wenige Zentimeter bevor sich die Türe vollständig geschlossen hat, deaktiviert. Denn ansonsten würde der Einklemmschutz ansprechen, sobald die Türe durch das vollständige Schliessen die Kante des Türrahmens berührt. Der Zug würde somit also nie abfahren …