Busausschreibung im Jura
Stopp Dumping!
Rund 150 Chauffeure von CJ und Postauto haben am 27. November gemeinsam mit ihren Familien und Gewerkschaftsaktivist/innen von SEV und Syndicom vor dem jurassischen Parlament demonstriert. Die Ausschreibung der kantonalen Buslinien stösst ihnen sauer auf. Sie wollen nicht für die unnötige und gefährliche Ausschreibung bezahlen müssen.
Es dämmert noch, als sich die Demonstrant/innen am Mittwoch, 27. November, vor dem Kantonsparlament des Juras versammeln, um die Parlamentarier/innen zu dieser wichtigen Sitzung zu empfangen. Unter ihnen ist auch Jean-Charles Froidevaux, Busfahrer der CJ (Chemins de fer du Jura), in seiner weissen SEV-Weste. Am Tag darauf wird die Eingabefrist ablaufen, um Offerten für den Betrieb der lukrativen jurassischen Buslinien einzureichen (20 Millionen pro Jahr während 10 Jahren).
Unsere Gewerkschaftsaktivisten Vincent Hennin (PCSI), der bei den CJ arbeitet, und Nicolas Maître (SP) treten im Parlament ans Rednerpult, um die Interessen der CJ- und Postauto-Angestellten zu vertreten (siehe Box), denn sie haben viel zu verlieren. Mit der Ausschreibung hat der Kanton multinationale Verkehrskonzerne angelockt, darunter das Unternehmen RATP, das kürzlich wegen mangelhaftem Fahrzeugunterhalt und seiner antigewerkschaftlichen Haltung in die Kritik geraten ist.
Draussen stehen die Männer, Frauen und Kinder Spalier für die ankommenden Parlamentarier/innen. «Respekt für die Chauffeure, Nein zum geplanten Dumping!», lautet die Parole. Die Befürchtungen sind begründet: Mit der Ausschreibung, zu der es aufgrund des Vertrauensbruchs mit Postauto gekommen ist, hat die kantonale Regierung die Tür für einen Wettbewerb geöffnet, bei dem die Preise gedrückt werden. Bei den Personalkosten lässt es sich am besten sparen. Bei der Bewertung wird der Preis zu 45 % gewichtet – die Gefahren für das Personal sind offensichtlich.
«Der Druck auf die aktuellen Arbeitsbedingungen ist gross. Ausserdem laufen die Angestellten von CJ und Postauto Gefahr, ihre Stellen zu verlieren, falls ihr Unternehmen keine Konzession mehr erhält», erklärt SEV-Gewerkschaftssekretär Jean-Pierre Etique. «Ein neues Unternehmen wäre nicht verpflichtet, das Personal zu übernehmen. Und wenn es dies trotzdem tut, dann zu welchen Bedingungen? Der Kanton hat in der Ausschreibung nicht einmal die GAV von CJ und Postauto als Mindeststandards definiert und hat damit den Willen des Parlaments missachtet, das eine entsprechende Motion angenommen hatte. Auch eine öffentliche Petition mit über 4000 Unterschriften hat die Regierung einfach ignoriert.»
Wenige Monate nach der Konzessionsvergabe im nächsten Herbst stehen kantonale Wahlen an. Diese verliert zu diesem Zeitpunkt niemand aus den Augen.
Doch die Angestellten von CJ und Postauto haben andere Sorgen als die politische Dimension. Wegen der unnützen und schädlichen Ausschreibung müssen sie und ihre Familien um ihre Zukunft fürchten.
Die Versprechen von David Eray
Die Parlamentssitzung war nicht weniger spektakulär als erwartet. Wie ein verletztes Tier griff der Verkehrsminister David Eray die Gewerkschaften an und warf ihnen Desinformation vor. Ausserdem versuchte er die Zuhörenden davon zu überzeugen, dass die Regierung die Unternehmen nicht zwingen könne, GAV zu unterzeichnen, und dass der Wille des Parlaments nicht übergangen worden sei, da die branchenüblichen Bedingungen in der Region erwähnt würden. Die Zweifel an den künftigen Lohn- und Arbeitsbedingungen des Personals konnte er jedoch nicht beseitigen. Er wies lediglich darauf hin, dass es nicht in der Verantwortung des Kantons liege, die Löhne festzulegen.
Auf eine Interpellation von Nicolas Maître (SP) antwortete er, dass «die Löhne der Chauffeure nicht auf 58 300 Franken reduziert» würden. Ihr Einkommen werde nicht sinken, weder bei einer allfälligen Übernahme der Linien durch ein oder zwei neue Unternehmen, noch im Jahr darauf. Eray betont zudem, dass «durch die Ausschreibung die Kosten für die öffentliche Hand gesenkt werden und mehr Transparenz geschaffen wird».
Er versuchte, den Chauffeuren die Angst vor der Zukunft zu nehmen, indem er sogar behauptete, dass durch die Ausschreibung mehr Arbeitsplätze geschaffen würden.
Auch die Gewichtung des Preises bei der Vergabe hat er erwähnt: «Sie beträgt 45 %. Bei manch anderen Bestellern sind es 50 % oder gar 55 %. Wir haben das richtige Mass gewählt», lobte er sich selbst. Das BAV empfiehlt allerdings eine Gewichtung des Preises zu 40 % …
Vincent Hennin ist zwar Parteikollege des Verkehrsministers (PCSI), aber nicht auf der selben Wellenlänge. Er erinnerte an einen springenden Punkt: «Die Empfehlung, die das BAV dem Bund und den Kantonen für Vergaben zur Verfügung stellt, ist deutlich: Das BAV plädiert für die Berücksichtigung der aktuellen GAV.» Dennoch fanden die GAV von CJ und Postauto in der Ausschreibung keine Erwähnung. «Warum folgt der Kanton den Empfehlungen im Leitfaden nicht?», fragte Hennin. «Ich mache ein Beispiel: Der Lohn eines Chauffeurs der beiden aktuellen Unternehmen könnte in 12 Monaten von 6000 auf 4500 sinken! 2017 versprach die Regierung, dass Sparmassnahmen nicht das Ziel seien. Doch heute ist klar: Es wird gespart, und zwar auf dem Rücken des Personals.»
Eine Motion von Nicolas Maître, die vorletzten Mittwoch eingereicht wurde, verlangt, dass die Gewerkschaften bei der Bewertung der Offerten einbezogen werden. Ob sie angenommen wird, ist noch unklar.