Innert weniger Jahre wurden bei den meisten Verkehrsbetrieben die Personalreglemente in GAV überführt
Die GAV beim SEV: eine kurze, aber intensive Geschichte
Seit Ende der 90er-Jahre hat der SEV über 50 GAV ausgehandelt. Die allermeisten sind Firmenarbeitsverträge, aber es gibt auch Rahmenverträge, darunter einen nationalen.
Die GAV haben beim SEV eine relativ kurze Geschichte von rund zehn Jahren. Zwar hatte er schon vor 2001 einige GAV ausgehandelt, doch waren dies klare Ausnahmen. Bis zur Jahrtausendwende hatten die Angestellten der SBB den Beamtenstatus und jene der Konzessionierten Transportunternehmungen (KTU) Personalreglemente.
Die GAV bei SBB und SBB Cargo waren dann die ersten, die der SEV aushandelte, um den abgeschafften Beamtenstatus zu ersetzen. Diese GAV traten am 1. Januar 2001 in Kraft. Sie sind inhaltlich gleich, jedoch basiert der GAV SBB auf dem öffentlichrechtlichen Bundespersonalgesetz und der GAV SBB Cargo auf dem privatrechtlichen Obligationenrecht. Ab Anfang 2001 wurden innert kurzer Zeit auch bei fast allen KTU die Personalreglemente in Firmenarbeitsverträge überführt.
Gegenwärtig hat der SEV 53 GAV unterzeichnet. Die allermeisten sind Firmenarbeitsverträge. Aber es gibt auch den national geltenden Rahmen- GAV für den regionalen Personenverkehr Normalspur sowie vier GAV mit kantonaler Reichweite: die Rahmenverträge in den Kantonen Bern und St. Gallen für den Busbereich und in den Kantonen Waadt und Neuenburg für den ganzen öffentlichen Verkehr.
Bisher ist noch keiner dieser Rahmen-GAV allgemeinverbindlich erklärt worden. Eine Allgemeinverbindlicherklärung bedeutet, dass jeder Verkehrsbetrieb, der im entsprechenden Kanton oder in der betreffenden Branche aktiv wird, den Rahmen- GAV einhalten muss. Zurzeit konzentriert sich der SEV auf die Allgemeinverbindlicherklärung des Rahmen-GAV im Kanton Neuenburg sowie auf diejenige des GAV für den regionalen Personenverkehr Normalspur auf nationaler Ebene. Dies ist zurzeit eine der grossen Herausforderungen für den SEV.
SEV-Vizepräsidentin Barbara Spalinger (Zweite von rechts) unterzeichnet am 17. Dezember 2009 auf Schloss Aigle den erneuerten Rahmen-GAV für den öV im Kanton Waadt für die Jahre 2010–13. Der neue Vertrag brachte gegenüber der ersten Fassung vom 23. März 2006 etliche Verbesserungen für das Personal.
Drei Fragen an Barbara Spalinger, Vizepräsidentin SEV:
kontakt.sev: Ist in den GAV, die der SEV unterzeichnet hat, auch die grenzüberschreitende Arbeit in zwei Ländern geregelt?
Barbara Spalinger: Auch wenn man dazu im GAV SBB/SBB Cargo keine direkte Bestimmung findet, lässt dieser GAV doch grenzüberschreitende Arbeit zu. Zum Beispiel für Cargo-Lokführer, die auch in Deutschland oder Italien fahren, oder für Zugpersonal auf internationalen Zügen wie dem TGV Lyria. Wir haben mit der SBB spezielle Vereinbarungen zur grenzüberschreitenden Arbeit abgeschlossen – zu Arbeitszeit, Zulagen usw.
Wie haben sich die GAV-Verhandlungen entwickelt? Gibt es Punkte, die heute einfacher oder schwieriger auszuhandeln sind als früher?
Es ist heute einfacher als vor zehn Jahren, Arbeitgeber für einen GAV zu gewinnen. Das gilt auch für die Arbeitnehmenden. Zu Beginn hingen unsere Mitglieder sehr an ihren Reglementen, vor allem in der Westschweiz. Wir brauchten damals etwas Zeit, sie zu überzeugen, doch heute sind sie von den Vorteilen der GAV überzeugt. Was den Lohn betrifft, bleiben die Verhandlungen heikel, denn die Arbeitgeber wollen im Lohnsystem möglichst keine Automatismen haben und individuelle Prämien auszahlen können. Warum es einen «Vollzugskostenbeitrag » der Nichtorganisierten braucht, ist den Arbeitgebern teilweise auch schwer verständlich zu machen.
Gibt es eine Entwicklung bei den prioritären Forderungen der Mitglieder? Was ist ihnen vor allem wichtig?
Seit ich GAV aushandle, stehen für die Mitglieder immer dieselben Themen im Vordergrund: Arbeitszeit, Lohn, Zulagen. Prioritär sind für die Mitglieder auch die Dienstpläne, doch diese lassen sich nicht in einem GAV regeln, weil sie von den Fahrplänen abhängig sind und daher jedes Jahr ändern. Sie beeinflussen die tägliche Arbeit aber stark und geben viel zu reden. Ansonsten kommt es auf die Unternehmung und deren spezifische Probleme an.
Hélène Koch / Fi