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Covid-19: Sind Risikopersonen gegen Kündigung geschützt?
Wie steht es um den Kündigungsschutz von Arbeitnehmenden, die einer Covid-Risikogruppe angehören? Sind sie durch eine Sperrfrist geschützt?
Im Arbeitsrecht wird zwischen sachlichem und zeitlichem Kündigungsschutz unterschieden. Missbräuchlich ist die Kündigung dann, wenn sie aus bestimmten im Gesetz (Art. 336 OR) als unzulässig genannten Gründen erfolgt (sachlicher Kündigungsschutz). Die Rechtsfolge einer missbräuchlichen Kündigung kann je nach Art des Arbeitsverhältnisses unterschiedlich ausfallen.
In privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen führt der sachliche Kündigungsschutz grundsätzlich nicht zu einem Anspruch auf Wiedereinstellung, sondern lediglich zu einem Entschädigungsanspruch, der maximal sechs Monatslöhne betragen kann. Demgegenüber haben Mitarbeitende mit einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis auf Bundesebene Anspruch auf Wiederanstellung (oder wahlweise Entschädigung), wenn sich eine Kündigung als ungerechtfertigt oder gar missbräuchlich erweist (so auch die Regelung im GAV SBB).
Das Gesetz sieht in Art. 336c OR Situationen vor, in denen das Arbeitsverhältnis während eines bestimmten Zeitraums nicht gekündigt werden darf (zeitlicher Kündigungsschutz). Von der gesetzlichen Regelung kann zu Gunsten der Arbeitnehmenden abgewichen werden. So sieht etwa der GAV SBB eine zweijährige Sperrfrist vor, während der eine Kündigung wegen medizinischen Gründen ausgeschlossen ist. Eine ausgesprochene Kündigung während der Sperrfrist ist nichtig und entfaltet keinerlei Wirkung. Diese Rechtsfolge ist einschneidend, da die Kündigung als nicht erfolgt gilt und nach Ablauf der Sperrfrist erneut ausgesprochen werden muss.
Wie steht es vor diesem Hintergrund um den Kündigungsschutz von Arbeitnehmenden, die einer Risikogruppe angehören und damit als besonders gefährdet gelten? Darf diesen Personen gekündigt werden oder sind sie – solange sie als besonders gefährdet gelten – durch eine Sperrfrist geschützt?
Die aktuelle Rechtslage ist unklar. Der Zweck des Sperrfristenschutzes gemäss Art. 336c OR besteht darin, Arbeitnehmende in einer Zeit, in der sie in aller Regel keine Chance bei der Stellensuche haben und von einem Arbeitgeber in Kenntnis der Arbeitsverhinderung nicht angestellt würden, vor einer Kündigung zu schützen. Das Gesetz nennt als Gründe namentlich Krankheit oder Unfall. Noch unter der vormaligen Covid-Verordnung des Bundesrates gab es einige Stimmen, welche die Ansicht vertraten, dass eine besondere Gefährdung mit einer Krankheit gleichzusetzen und der Sperrfristenschutz damit zu beachten sei. Diese Ansicht scheint sachgerecht, da realistischerweise davon auszugehen ist, dass ein neuer Arbeitgeber eine besonders gefährdete Person, die ihre Tätigkeit nicht im Homeoffice ausüben kann, voraussichtlich nicht anstellen wird. Der Zweck des Sperrfristenschutzes wäre damit erfüllt. Umgekehrt gilt, dass besonders gefährdete Arbeitnehmende, die ihrer beruflichen Tätigkeit auch im Homeoffice nachgehen können, nicht vom Sperrfristenschutz profitieren.
Zwischenzeitlich hat der Bundesrat die Massnahmen und Empfehlungen zum Schutz besonders gefährdeter Personen aufgehoben. Der Sperrfristenschutz kann damit nicht mehr allein gestützt auf die Tatsache, dass ein/e Arbeitnehmer/in einer bestimmten Risikogruppe angehört, bejaht werden.
Weiterhin gilt natürlich, dass der Sperrfristenschutz immer dann, wenn Arbeitnehmende selbst infolge Krankheit, z. B. aufgrund des Coronavirus, an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, zum Tragen kommt. Zu prüfen bleibt schliesslich auch in jenen Fällen, in denen Arbeitnehmende nicht vom Sperrfristenschutz profitieren, ob allenfalls eine missbräuchliche Kündigung vorliegt.
Rechtsschutzteam SEV