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Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Kollege S. hatte sich sehr gefreut über die Einladung zum Essen. Als Logistiker in einem IW der SBB hatte er gelegentlich mit Lieferanten zu tun, und einer der Lieferanten hatte ihn zum Essen eingeladen, zusammen mit dem Chef von S. Der Chef sagte dann zwar kurzfristig ab, er sei verhindert, doch S. ging am vereinbarten Termin zum Lieferanten. Zuerst gab es noch eine kurzweilige Präsentation zum Unternehmen, das eingeladen hatte.

Ein Geschenk–mit ungeahnten Folgen …

Als Dank fürs gezeigte Interesse erhielt S. sogar ein Paar Sicherheitsschuhe geschenkt. Gut, die hätte er auch von der SBB beziehen können, aber sie waren praktisch, sassen gut und sahen auch gut aus.

Der Chef fragte ihn ein paar Tage später, wie es gewesen sei. Das Essen im Personalrestaurant des Lieferanten sei sehr gut gewesen, rühmte S., und er vergass auch nicht, das Geschenk zu erwähnen: «Schau mal, die Schuhe, die ich trage, haben Sie mir auch noch geschenkt. Schade, dass du nicht mitkommen konntest!» Der Chef war gar nicht erfreut – aber nicht etwa, weil er das Geschenk nicht erhalten hatte, sondern weil S. dieses angenommen hatte. Das sei Bestechung. Und die sei verboten.

Wo liegt die Grenze?

Nun bekam es S. doch ein bisschen mit der Angst zu tun. Eingeladen worden sei er, weil er ein tüchtiger Mitarbeiter sei, rechtfertigte er sich. Und die Schuhe seien schliesslich nützlich bei der Arbeit, da habe die SBB sogar einen Vorteil davon.

Im GAV steht es geschrieben

Das mit dem Vorteil ist sicher wahr. Doch wie sieht die rechtliche Seite aus? Der GAV SBB ist klar: «Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen weder für sich noch für andere Personen Geschenke oder sonstige Vorteile beanspruchen, annehmen oder sich versprechen lassen, wenn dies im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit geschieht», heisst es in Artikel 40. Und hier wird auch definiert: «Als Geschenke gelten grundsätzlich alle Zuwendungen, die direkt oder indirekt einen Vermögensvorteil bringen, insbesondere auch Naturalien, Schuldenerlasse, Rabatte, Einladungen zu Reisen oder Essen.» Und wenn es trotzdem passiert ist? «Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen Geschenke oder sonstige Vorteile, die sie widerrechtlich angenommen haben, der SBB aushändigen. Die SBB gibt die Geschenke und sonstigen Vorteile der oder dem Schenkenden zurück.» Das ist hier ja wohl schwer möglich, man kann weder das gegessene Essen zurückgeben noch die schon getragenen Schuhe.

«Landesübliches» bleibt erlaubt

Immerhin entlastet der GAV-Artikel 41 S. in Bezug auf das Essen, denn «geringfügige Zuwendungen» sind ausdrücklich erlaubt, und als solche gelten «landesübliche Trinkgelder und Aufmerksamkeiten» bis höchstens 100 Franken und zweimal pro Jahr. Das Essen im Personalrestaurant dürfte also gestattet sein. Der Arbeitgeber könnte für «besondere Personalgruppen» allerdings sogar die Annahme solcher «geringfügiger Zuwendungen» verbieten, wenn es angezeigt wäre. (Die zitierten Artikel stammen aus dem GAV SBB, aber in allen GAVs stehen praktisch gleichlautende Bestimmungen.)

Zurückhaltung ist angebracht

Bei S. ist das allerdings nicht der Fall. Die ganze Sache wird mit einem Gespräch und einem Verweis gelöst. S. verspricht, sich in Zukunft vor einer beruflichen Einladung genau zu erkundigen, ob sich diese noch im Rahmen des Erlaubten bewegt.

Rechtsschutzteam SEV