Finanzpolitik
Es braucht diesen Sparwahn nicht!
Obschon die Bundesfinanzen im Lot sind, wird im Bundeshaus im Moment über eine rigorose Sparpolitik debattiert. Wird diese Politik durchgesetzt, hat das einschneidende Folgen für den Service public, also auch für die Verkehrsunternehmen und deren Personal sowie für die Reisenden. Eine andere Politik wäre auch möglich.

Seit Bundesrätin Karin Keller-Sutter das Finanzdepartement übernommen hat, gehören Sparpakete einfach dazu! Mantraartig wiederholt sie bei jeder Gelegenheit, es drohe ein strukturelles Defizit, weshalb einschneidende Sparmassnahmen unumgänglich seien.
Es beschleicht einem das Gefühl, die Schweiz stehe kurz vor dem finanziellen Zusammenbruch. Die Handlungsfähigkeit der Schweiz sei akut bedroht und es drohe Wohlstandsverlust. In drastischen Worten wird das düstere Bild einer neuen Schuldenkrise gezeichnet. Das weckt Erinnerungen an die Krise in Griechenland 2008. Geht es der Schweiz wirklich so schlecht?
Werfen wir den Blick auf die Kennzahlen zu den öffentlichen Finanzen des Bundes, zeigt sich ein anderes Bild:
• Bis zu den Corona-Jahren hat die Schweiz 10 Jahre lang stets mit einem Finanzüberschuss abgeschlossen.
• Die Verschuldung ist heute nicht höher als vor 20 Jahren, weder in absoluten Zahlen noch prozentual an der Wirtschaftsleistung der Schweiz.
• Die Schuldenquote, also der proportionale Anteil der Schulden an der Wirtschaftsleistung, hat in den letzten 20 Jahren sogar abgenommen.
• Der Bundeshaushalt 2024 ist ausgeglichen. Das budgetierte Defizit von 2,6 Mia. Franken hat sich in Luft aufgelöst. Karin Keller-Sutter selbst hat ebengerade darüber informiert.
Diese Fakten sind entlarvend. Es drängt sich die Frage auf, wieso uns die Bundesrätin einreden will, die Schweiz stehe kurz vor dem finanzpolitischen Fiasko. Geht es nur darum, den Staat klein zu schrumpfen, wie es das zentrale neoliberale Dogma propagiert?
Unbestritten haben Sparpakete zur Folge, dass staatliche Leistungen abgebaut werden. Es wird bei der Grundversorgung gespart, beim Service public. Gleichzeitig findet die Politik immer Möglichkeiten Steuerprivilegien für Konzerne und Superreiche zu erschaffen. So erreichen die Vermögen der 300 reichsten Personen der Schweiz 2024 gemäss der Zeitschrift «Bilanz» 833,5 Mia. Franken. Das ist ein neuer Rekordwert.
Diese Politik ist weder nachhaltig noch im Interesse der Bevölkerung. Es kann und darf nicht das politische Ziel sein, die Schweiz in ein Monaco der Alpen umzubauen. Es braucht eine Finanzpolitik zum Nutzen der Bevölkerung. Die Mehrheit profitiert heute nicht vom wachsenden Reichtum. Stattdessen werden nur die Reichen immer reicher. Wir müssen uns wehren gegen dieses ideologische Spardiktat. Stehen wir ein, für eine gerechte, soziale und solidarische Schweiz.
Kommentar von Simon Burgunder, Koordinator Politik SEV
Mehreinnahmen statt Abbau
Wenn Bund, Kantone und Gemeinden sparen, trifft es oft als erstes das Personal. Das gilt auch für den öffentlichen Verkehr. Wird die Förderung des öV gestrichen oder gekürzt, führt das meist zu schlechteren Anstellungsbedingungen oder aber zu einer Verschlechterung des Angebots: weniger Personal, mehr Stress, keine Lohnerhöhungen, kein Teuerungsausgleich. Der SEV setzt sich deshalb dafür ein, dass beim öV nicht gespart wird.
Eine Gruppe von Finanzexpertinnen und -experten hat im Auftrag des Bundesrates einen Bericht geschrieben, wie der Bundeshaushalt entlastet werden kann. Geleitet hat die Gruppe Serge Gaillard, der ehemalige Direktor der eidgenössischen Finanzverwaltung und früherer Chefökonom des SGB. Zu den Mitgliedern der Gruppe «Gaillard» gehörten unter anderem Ökonomen, die bekannt sind für ihre neoliberale Ideologie: Sie sind für einen möglichst schlanken (sprich: armen) Staat und eine liberalisierte und deregulierte Wirtschaft. Kein Wunder, kommt der Bericht zum Schluss, dass der Bund sparen muss. Kein Wunder, spielen Mehreinnahmen kaum eine Rolle. Kein Wunder, wird verschwiegen, dass der Bund finanziell eigentlich gut dasteht.
Umverteilung von Arm zu Reich
Die neoliberale Politik der letzten dreissig Jahre hat dazu geführt, dass ehemals staatliche Aufgaben ganz oder zum Teil privatisiert wurden. Die Wirtschaft ist zwar gewachsen und gewisse Dienstleistungen sind billiger geworden. Doch gleichzeitig sind auch viele Dienstleistungen verschwunden. Und vom Wirtschaftswachstum haben praktisch nur die Reichen und Superreichen profitiert. Herr und Frau Schweizer haben Geld und Anteil am Wohlstand verloren. Die Kaufkraft ist für viele gesunken. Es ist zu einer Umverteilung von unten nach oben gekommen. Aus gewerkschaftlicher Sicht wäre aber das Gegenteil richtig: Die breite Bevölkerung sollte in den Genuss des wachsenden Wohlstands kommen, nicht nur die Reichsten.
Eine Möglichkeit, den Wohlstand besser zu verteilen, hat der Staat: Bund, Kantone und Gemeinden können Dienstleistungen bereitstellen, von denen alle Menschen profitieren, zum Beispiel einen preisgünstigen und gut funktionierenden öffentlichen Verkehr. Wenn einfach nur gespart wird, verliert in erster Linie die breite Bevölkerung. Die soziale Sicherheit kommt unter die Räder.
Geld liegt auf der Strasse!
Würde der Bund tatsächlich aus dem letzten Loch pfeifen und müsste jeden Rappen umdrehen, gäbe es auch Möglichkeiten, die Finanzen mit Mehreinnahmen aufzupeppen. Und da gäbe es durchaus Spielraum, der die grosse Mehrheit kaum belasten würde.
So könnte eine Erbschaftsteuer auf sehr hohen privaten Erbschaften eingeführt werden. Auch die Kapitalsteuer, die vor dreissig Jahren abgeschafft wurde, könnte wieder eingeführt werden. Das hiesse, dass auch diejenigen, die nur von Zinsen und Dividenden leben, ohne jemals einen Finger krumm zu machen, etwas abgeben müssten. Schon ein winziger Steuersatz hätte das Potential, Milliarden in die Bundeskasse zu spülen. Das wäre auch der Fall bei einer Mikrosteuer auf Finanztransaktionen. So eine Steuer wäre so klein, dass sogar die meisten Reichen nicht viel davon merken würden. Grundsätzlich könnte auch die Vermögenssteuer für sehr hohe Vermögen etwas erhöht werden. Ungerechter wäre die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die von der breiten Bevölkerung, also von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Rentnerinnen und Rentnern berappt werden müsste und die Kaufkraft weiter vermindern würde.
Die Gegnerinnen und Gegner von höheren Steuern für Reiche und Superreiche argumentieren, diese würden das Land verlassen, wenn sie mehr Steuern bezahlen müssten, und dann verliere die Schweiz diese Einnahmen. Gegen dieses Argument spricht die Abschaffung der Pauschalbesteuerung für Millionäre und Milliardärinnen in einigen Kantonen. In diesen Fällen haben ein paar Superreiche die jeweiligen Kantone verlassen, weil sie stärker besteuert wurden. Doch die meisten sind geblieben und zahlen nun mehr Steuern. Die Bilanz für die Kantone ist ausgeglichen oder sogar positiv. Fakt ist, dass die meisten Steuerflüchtlinge einfach in andere Kantone gezogen sind, nicht aber die Schweiz mit ihrer hohen Lebensqualität verlassen haben.
Michael Spahr