solidar suisse tritt alliance sud bei
Schweizer NGOs rücken zusammen
Solidar Suisse ist neu Mitglied von Alliance Sud, der gemeinsamen Plattform für Entwicklungspolitik der wichtigsten Schweizer NGOs. Was ist die Rolle und der Auftrag von Alliance Sud? Und was bringt die neue Mitgliedschaft? Felix Gnehm, Direktor von Solidar Suisse, erläutert die Hintergründe.
Können Sie kurz die Mission von Alliance Sud erklären?
Felix Gnehm: Alliance Sud ist eine gemeinsame Plattform der wichtigsten Schweizer Entwicklungsorganisationen. Seit 50 Jahren setzt sich Alliance Sud in der Politik, der Öffentlichkeit und gegenüber Wirtschaftsakteuren für globale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung ein. Zentral ist, dass Alliance Sud somit mit geballter Kraft, aber parteipolitisch ungebunden, Einfluss auf die Politik der Schweiz im Interesse der benachteiligten Menschen in den Ländern des globalen Südens nehmen kann.
Solidar Suisse war lange Zeit assoziiertes Mitglied von Alliance Sud und wird nun Vollmitglied. Warum diese Entscheidung?
Wir wollten schon längst vollwertiges Mitglied werden, dies war auch die ursprüngliche Absicht, als wir uns 2008 als assoziiertes Mitglied zum entwicklungspolitischen Verbund gesellten. Damals lief die erfolgreiche 0,5-Prozent-Kampagne, die das Parlament zur Vorgabe bewegte, dass die Schweiz zumindest 0,5 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für internationale Zusammenarbeit einsetzen soll. Das internationale Ziel von 0,7 Prozent, zu dem sich die Schweiz auf globalen Konferenzen bereits mehrfach vollmundig bekannt hat, liegt aber in weiter Ferne, auch weil Parlament und Behörden immer wieder Schlupflöcher finden, um die Mittel doch anderweitig einzusetzen. Dieses skandalöse Gebahren ist nur ein Beispiel, wo Solidar Suisse nicht allein kämpfen will, sondern Synergien sucht und im Verbund agieren will. Nicht jede NGO muss selber rechtliche, wirtschaftliche und politische Auswirkungen der Schweiz auf Entwicklungsländer analysieren und schädliche Praktiken aufdecken und dagegen ankämpfen, wenn Alliance Sud für uns alle vordenken und uns koordinieren kann.
Haben Sie Projektideen oder spezifische Synergien zwischen Solidar Suisse und Alliance Sud im Kopf?
Wir profitieren sicher zuerst vom Alliance Sud-Know-how in Bereichen wie Klimapolitik, Steuerungerechtigkeit, Handelspolitik sowie Wirtschaft und Menschenrechte. Im Gegenzug bringt Solidar Suisse Wissen und Netzwerke in unseren Kernbereichen wie beispielsweise faire Arbeit ein. Ganz sicher werden wir gemeinsam die grassierende Repression gegen die Zivilgesellschaft bekämpfen, also rücken Menschenrechte ins Zentrum. Hier kann Solidar Suisse mithelfen, den Fokus auf die drastische Missachtung von Arbeitsrechten zu lenken, denn viele Produkte, die in der Schweiz landen, werden unter unvorstellbarem menschlichem Leid hergestellt.
In der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit gibt es derzeit strukturelle Veränderungen: Fusionen zwischen NGOs, Erneuerung der Leitung von Alliance Sud, Änderung der Regeln für öffentliche Beiträge etc. Wie analysieren Sie diese Situation?
Das ist richtig, wobei mich eher erstaunt, wie wenige Fusionen und Transformationsprozesse bei Non-Profits stattfinden. Die Welt dreht schliesslich schnell, seit Jahren dominiert ein Umfeld, das man mit VUCA umschreibt – also Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Zudem gilt es, Machtstrukturen zu hinterfragen, Diskriminierung zu bekämpfen und noch mehr Entscheidungsräume vom globalen Norden in den globalen Süden zu verschieben. Dies bereitet wohl vielen Organisationen Mühe, und ich bin überzeugt, mit Ansätzen aus dem 20. Jahrhundert funktioniert es nicht mehr – man wird Support und Spenden verlieren. Auch für Solidar Suisse sind dies Herausforderungen, die wir aber mit Elan anpacken, und die uns auch guttun. Ich darf sagen, dass es in unserer DNA steckt, dass wir keine Lösungen hier in der Schweiz für Probleme in Afrika entwickeln, sondern gut zuhören können und partnerschaftlich Veränderungsprozesse unterstützen, die zu besseren Lebensbedingungen und somit zu mehr Fairness führen.
Welche Bedeutung messen Sie den Angriffen der parlamentarischen Rechten auf die Arbeit von NGOs bei?
Hier spiegelt sich erstaunlicherweise ein Muster, welches weltweit vorherrscht. Medien, Zivilgesellschaft, Menschenrechtsaktivistinnen, Künstler, Gewerkschaften werden von Machthabern unter Druck gesetzt. Was diese Kräfte offensichtlich verbindet, ist ihr kritischer Blick auf Autorität und Macht. Wer wagt zu kritisieren, wird mundtot gemacht. In Myanmar heisst dies Tod, Folter oder Gefängnis, bei uns in der Schweiz läuft es subtiler. Die Rechte will Gesetze ändern, um Nichtregierungsorganisationen das Leben schwer zu machen, und vor allem werden Geldgeber wie der Bund unter Druck gesetzt, die Finanzierung von NGOs zu stoppen. «Hilfe vor Ort» wird als zulässig taxiert, Kritik an schädlichen Praktiken der Schweizer Politik oder Wirtschaft hingegen ist nicht angebracht. Für uns ist daher wichtig, dieses Recht auf freie und kritische Meinungsäusserung zu bewahren und im Verbund mit Alliance Sud zu erhalten.
Lionel Frei, Solidar Suisse
Über Solidar Suisse
Solidar Suisse ist eine Schweizer Entwicklungsorganisation mit Projekten in Afrika, Asien, Lateinamerika und Südosteuropa. Gemeinsam mit unseren Partnern kämpfen wir für faire Arbeit, soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung und gegen extreme Ungleichheit.