SBB und SBB Cargo: Die Rechnung geht nicht auf, die Löhne müssen steigen
Die Aussagen sind deutlich und der Auftrag ist klar: Die GAV-Konferenz SBB / SBB Cargo hat der Verhandlungsdelegation des SEV das Mandat erteilt, eine Lohnerhöhung auszuhandeln, insbesondere für die tiefen Einkommen. Sie hat zudem klar gemacht, dass sie die Berufsinvalidität beibehalten will. Eine Verschlechterung kommt nicht in Frage.
«Die SBB ist nicht so sozial, wie sie sich gibt. Sie greift die Schwächsten an.» «Wir lassen uns bei den Löhnen schröpfen, und bei der Pensionskasse lassen wir uns nochmals schröpfen! Wir müssen gemeinsam aktiv werden!» «Und wenn man die Friedenspflicht übergehen würde und wir streiken?» «Die Stellen zur Wiedereingliederung nehmen ab. Die steigenden Lebenshaltungskosten treffen uns voll. Nun muss etwas gehen!»
Die Delegierten der GAV-Konferenz SBB / SBB Cargo haben an ihrer Sitzung vom 6. September in Bern kein Blatt vor den Mund genommen, um von ihrer Arbeitgeberin einen Teuerungsausgleich zu verlangen, aber nicht nur dies. «Die Delegierten haben klar verlangt, dass die Löhne steigen müssen, besonders für Leute mit tiefen Einkommen. Diskutiert wurde auch über die Mitteilung der SBB, dass sie die meisten Stellen neu ab 60 % ausschreiben will, um neue Arbeitsmodelle zu ermöglichen. Die Delegierten haben festgestellt, dass für Leute in tieferen Anforderungsniveaus Arbeiten zu 60 % nur schwer möglich ist», betont Valérie Solano, Vizepräsidentin des SEV, zuständig für SBB und SBB Cargo.
Offenes Mandat
Das Mandat, das die Delegierten erteilt haben, ist offen. Dafür haben 96 Delegierte gestimmt, wogegen 12 Personen ein Mandat wollten, in dem eine klare Zahl genannt wird. Die Verhandlungsdelegation hat also in den Gesprächen mit der SBB Spielraum: «Die Teuerung muss ausgeglichen werden, die Reallöhne müssen steigen und zudem muss eine Summe für die variablen Lohnbestandteile nach Lohnsystem zur Verfügung gestellt werden», ergänzt Valérie Solano.
Zurzeit liegt die Teuerung in der Schweiz bei rund 3,5 %, aber niemand weiss, wo sie in einigen Monaten sein wird. Hinzu kommt die Erhöhung der Krankenkassenprämien von gegen 10 %, die Ende September bekannt gegeben wird.
Berufsinvalidität ist sakrosankt
Die drei Sparmassnahmen auf dem Buckel des Personals gaben auch viel zu reden. Auch wenn diese von der SBB zurzeit sistiert sind, haben die Delegierten ihren Widerstand gegen die Massnahmen bekräftigt, insbesondere wegen der Lohneinbussen, die sie bewirken würden. Wie berichtet, hat die SBB den Vertrag über die Berufsinvalidität mit der Pensionskasse gekündigt, und sie will die Bedingungen mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden neu verhandeln. «Es gibt nichts zu verhandeln. Man muss die Berufsinvalidität unverändert beibehalten. Das sind erworbene Rechte.» Dies war eine in der Versammlung breit geteilte Haltung. Für Valérie Solano ist es aber nötig, Gespräche zu führen: «Da der Vertrag gekündigt ist, haben wir ab 1. Januar 2023 gar nichts.»
Die Versammlung hat zudem erneut gefordert, dass die beiden Sparmassnahmen (Erhöhung der Risikoprämien und Erhöhung der Beiträge an die Krankheitskosten) von der SBB definitiv zurückgenommen werden müssen. Sie hat dem SEV das Mandat erteilt, die Beibehaltung der Berufsinvalidität zu verhandeln.
Unterstützung von Giorgio Tuti
Diese GAV-Konferenz war voraussichtlich die letzte des abtretenden Präsidenten Giorgio Tuti. Er hat gleich zu Beginn festgehalten, dass die Preissteigerungen in allen Ländern die Lebenskosten verteuern, bei unsern Nachbarn noch mehr als in der Schweiz (7 % in Frankreich und Deutschland, 8 % in Italien) und dass der Kampf für den Teuerungsausgleich auch bei der SBB geführt werden muss.
«Stimmt zweimal Nein und ruft alle zum Abstimmen auf»
Giorgio Tuti richtete an die Delegierten auch einen feurigen Appell gegen die Vorlage AHV 21 und rief sie auf, zweimal Nein zu stimmen und rundherum alle zum Abstimmen aufzurufen. «Es wird behauptet, es gehe um Gleichstellung. Aber man kann nicht von Gleichstellung reden, wenn die Frauen schon heute insgesamt um einen Drittel tiefere Renten als die Männer haben. Und es ist wichtig zu begreifen, was mit dieser Abstimmung auf dem Spiel steht: die Erhöhung des Rentenalters für alle auf 67 Jahre, oder gar noch höher. Zudem will eine Initiative die Renten an die Entwicklung der Finanzmärkte binden. Und dies, obwohl die Rentner:innen fixe Ausgaben haben. Und gerade jetzt steigen diese Ausgaben deutlich! Es geht also um einen Rentenabbau. Wir verlangen hingegen eine 13. AHV-Rente, die aus Gewinnen der Nationalbank finanziert wird.»
Abschliessend hielt Tuti fest, dass er bei Demonstrationen auch in Zukunft an der Seite der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner stehen werde. «Selbstverständlich mit einer SEV-Fahne!» Es folgte tosender Applaus.
Vivian Bologna / Übersetzung: Peter Moor