Finanzierung öV
«Der Zug ist noch nicht am Ziel»
Die Nachfrage im öffentlichen Verkehr erholt sich nach dem Lockdown langsam wieder. Von den hohen Ertragsausfällen werden sich die öV-Unternehmen allerdings nur schlecht erholen. Die Vorlage des Bundes zur finanziellen Unterstützung des öV wird aktuell in den Eidgenössischen Räten behandelt. Der SEV sieht darin nach wie vor Lücken und setzt sich im Parlament entsprechend ein.
Im Lockdown lag die Auslastung des öffentlichen Verkehrs teilweise bei gerade mal 20 Prozent. Nichtsdestotrotz mussten die Verkehrsunternehmen ein Grundangebot aufrechterhalten, auch im Fernverkehr. Die Folge davon sind hohe Ertragsausfälle. Der Bundesrat hat Handlungsbedarf erkannt und mit dem «Dringlichen Bundesgesetz über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise» eine Vorlage zur finanziellen Unterstützung des öffentlichen Verkehrs erarbeitet (siehe dazu auch SEV-Zeitung Nr. 10). Dieses sieht Massnahmen im Umfang von 700 Millionen Franken vor. «Der Bundesrat teilt unsere Ansicht, dass die Verluste, die der Lockdown im regionalen Personenverkehr und im Schienengüterverkehr verursacht haben, abgegolten werden müssen», erklärt SEV-Gewerkschaftssekretärin Edith Graf-Litscher, die sich als Nationalrätin auf politischer Ebene für die Anliegen des SEV einsetzt.
Es gibt noch grosse Lücken
«Im Gegensatz dazu will der Bundesrat die im Fernverkehr entstandenen schweren Verluste nicht decken, obwohl auch dort immer ein Mindestangebot sichergestellt werden musste!» präzisiert Edith Graf-Litscher. Verluste, die sich notabene auf rund 400 Millionen Franken belaufen. Davon sind indirekt auch BLS und SOB betroffen, die im Auftrag der SBB Fernverkehrslinien betreiben. Die SBB soll diese Verluste gemäss erläuterndem Bericht vorerst aus eigenen Mitteln auffangen, da sie einen gewissen Spielraum habe. Diese Beurteilung steht allerdings im Widerspruch zur Erhöhung der Limite für SBB-Darlehen bei der Bundestresorerie um 500 Mio. auf 750 Mio. Franken. Diese Erhöhung – die für Kredite mit extrem kurzer Laufzeit von höchstens einem Jahr zu nutzen ist – begründete der Bundesrat nämlich mit der Notwendigkeit der Überbrückung eines akuten Liquiditätsengpasses der SBB. «Sie sollen also schlicht der Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der SBB bis Ende 2020 dienen», hält die Nationalrätin weiter fest. «Die Aufnahme von Krediten führt ausserdem zu weiterem Spardruck, worunter vor allem das Personal leiden wird.»
Aus diesem Grund hat Edith Graf-Litscher, die auch Mitglied in der Fernverkehrskommission des Nationalrats (KVF-N) ist, einen Antrag an die Verwaltung gestellt. Sie fordert diese auf aufzuzeigen, «welche Anpassungen im Personenbeförderungsgesetz notwendig sind, damit auch der Fernverkehr in den finanziellen Ausgleich einbezogen werden kann [...].»
Touristischer Verkehr im Minus
Touristische Betriebe wie die Schifffahrt mussten ihren Betrieb während zweieinhalb Monaten ganz einstellen. Entsprechend gross sind die finanziellen Lücken, die entstanden sind. In ihrem Antrag fordert Edith Graf-Litscher den Bundesrat auf aufzuzeigen, «in welcher Form der Bund die grossen Verluste dieser Betriebe mittragen kann.»
Die KVF-N hat den Antrag Graf-Litscher mit solider Mehrheit angenommen. Damit sind die Weichen im Nationalrat in die richtige Richtung gestellt. «Der Zug ist aber noch nicht am Ziel, wir werden bis zuletzt kämpfen müssen», ist sich die Gewerkschaftssekretärin sicher. «Ich werde mich deshalb nach allen Kräften dafür einsetzen, dass neben dem regionalen Personenverkehr auch der Fernverkehr und die touristischen Linien angemessen unterstützt werden. Denn der öffentliche Verkehr muss auch weiterhin funktionieren, und dafür braucht es Personal, das sich nicht vor Spardruck fürchten und die Auswirkungen der Krise tragen muss!» schliesst Edith Graf-Litscher.
Chantal Fischer
Die Herbstsession
Das «Dringliche Bundesgesetz über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs» wurde am 7. September, am ersten Tag der Herbstsession, im Ständerat behandelt. Heute kommt der Nationalrat zum Zug. Ziel ist, dass sich die Räte in dieser Session einigen, damit das Gesetz so schnell wie möglich umgesetzt werden kann.
Der SEV hat sämtlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern vorgängig seine Haltung und die wichtigsten Argumente dafür schriftlich mitgeteilt.