WC-Reinigung: Zulage ist gerecht und soll bleiben
Die Leitung Zugbereitstellung (ZBS) des Personenverkehrs SBB teilte dem Personal am 1.Februar mit, dass sie nicht verpflichtet sei, für das Reinigen von WCs eine Arbeitserschwerniszulage zu bezahlen. «Aufgrund von Änderungen im System» werde diese Zulage seit Anfang 2019 nicht mehr automatisch erfasst. Sobald das weitere Vorgehen definiert sei, werde informiert. Der SEV fordert die Beibehaltung dieser Zulage, weil sie gerecht und für die Motivation des Personals wichtig ist.
Wenn Herr und Frau Schweizer vom Wochenendausgang oder Grossanlass zu später oder früher Stunde in der Nacht-S-Bahn nach Hause gefahren sind, bieten viele Zugtoiletten ein widerliches Bild. «Die Schüsseln sind mit Erbrochenem und anderem verstopft», erzählt eine Cleaning-Mitarbeiterin, die in einer SBB-Unterhaltsanlage Züge reinigt. «Der Boden ist überschwemmt, die Wände sind verschmiert, Fäkalien überall.» Diese Schweinereien zu beseitigen ist kein angenehmer Job: nicht nur wegen dem ekligen Anblick und Gestank, sondern auch, weil es besonders anstrengende und aufwändige Arbeit ist. Neben dem Reinigen an sich gehört dazu auch das Hin- und Herschleppen von Geräten oder das Herumstapfen im Schotter nachts bei jedem Wetter. «Wir müssen die WCs grundreinigen, brauchen spezielles Material wie Nasssauger und müssen für das Auspumpen verstopfter WCs im Gleisfeld arbeiten, zusammen mit dem aufgebotenen Techniker.»
Auch für das Ablaugen von Graffitis gab es bisher eine Arbeitserschwerniszulage – welche die SBB nun ebenfalls infrage stellt. Obwohl auch diese Tätigkeit besonders unangenehm und schwer ist, wie die Kollegin aus eigener Erfahrung weiss: «Man verwendet dabei starke Chemikalien, steht auf Gittern über Auffangwannen und auf Leitern in unangenehmen Körperhaltungen.»
Die Kollegin findet darum die Arbeitserschwerniszulage für beide Tätigkeiten richtig und gerecht. «Sie soll jenen zukommen, die diese Arbeiten wirklich tun, aber z.B. nicht einem Schichtleiter, wenn er dabei nicht selber Hand angelegt hat.»
Rechtliche Grundlagen
Zulagen für besonders unangenehme Arbeit haben bei der SBB Tradition. Sie sind im Reglement R113.2 von 1987 über die «Vergütung für besondere Arbeitserschwernisse» geregelt. Diesen Begriff definiert Ziffer 1 als Tätigkeiten, «bei denen das Personal einer übermässigen Beschmutzung ausgesetzt ist oder die widerlich oder in anderer Weise besonders unangenehm sind». Das Reglement wird durch die Richtlinie P142.5 von 2013 präzisiert. Sie führt im Anhang das Reinigen von WCs in Reisezugwagen (Grund- oder Unterhaltsreinigung) und das Ablaugen von Graffitis an Fahrzeugen innen und aussen als Tätigkeiten der Vergütungsklasse 2 auf, für die das Reglement eine Zulage von CHF 1.45 pro Stunde vorsieht.
Trick mit der Stellenbeschreibung
Allerdings hält die Richtlinie in Ziffer 2, Absatz 1 auch fest: «Sind diese Tätigkeiten in der Stellenbeschreibung erfasst und gehören somit zum Aufgabengebiet, gelten diese nicht als Arbeitserschwernis. Die Abgeltung dieser Tätigkeiten ist mit der Zuordnung berücksichtigt.» Darum seien diese Zulagen für WC-Reinigung und Graffiti-Entfernung für die Cleaning-Mitarbeitenden in den Unterhaltsanlagen ab 2020 grundsätzlich abzuschaffen, erklärten Verantwortliche des Personenverkehrs am 12. März an einer Sitzung dem SEV, der interveniert hatte. Denn in ihren neuen Stellenbeschrieben seien seit dem 1.1.2018 beide Tätigkeiten als Hauptaufgaben aufgeführt – und damit nicht vergütungsberechtigt.
SEV-Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni hat für dieses Argument kein Verständnis: «Die SBB hat diesen Passus einseitig in die Richtlinie geschrieben. Sie soll ihn wieder rausnehmen und diese Zulagen weiter ausrichten. Denn sie werden von den Mitarbeitenden als gerecht empfunden und sind wichtig für ihre Motivation.» Weil die Schichtleiter diese Arbeiten sowieso festhalten, sei die Zuordnung der Zulagen einfach möglich und nicht mit einem besonderen administrativen Aufwand verbunden.
Sparen bei tiefen Einkommen?
Gewerkschaftssekretär Christoph Geissbühler stört an der Abschaffung dieser Zulagen besonders, «dass hier bei den Mitarbeitenden mit den tiefsten Einkommen gespart wird. Es geht um insgesamt 200000 Franken pro Jahr: Das ist im Vergleich zum letztjährigen SBB-Gewinn von 568 Millionen ein Klacks! Für die rund 510 Betroffenen aber sind diese Zulagen ein spürbarer Einkommensbestandteil.» Auch deshalb fordert der SEV deren Beibehaltung.
Wie würde «unsere» Cleaning-Mitarbeiterin auf die Abschaffung dieser Zulagen reagieren? Würde sie die WCs weniger gut reinigen? «Nein, ich würde meine Arbeit weiterhin gründlich machen, denn saubere WCs sind bei der Hygiene im Zug das A und O. Ich würde es aber nicht verstehen und könnte mir vorstellen, dass die WC-Reinigungstouren unbeliebter werden. Es wäre nicht gut für unsere Motivation.» Christoph Geissbühler ergänzt, dass eine solche Vergraulung der Cleaning-Mitarbeitenden im Widerspruch stände zu den bisherigen Massnahmen der SBB für sauberere Züge. Auch deshalb besteht der SEV auf diesen Zulagen und wird diese Forderung wenn nötig bis zur Konzernleitung tragen.
Markus Fischer
Kurzmeldung SEV-Zeitung 05/19 (26.04.2019).
Vergangene Woche fand ein erstes Gespräch zwischen SBB und SEV zur Arbeitserschwerniszulage statt. «Bislang gibt es keine Resultate. Das Gespräch war aber konstruktiv und wir sind dran, eine Regelung zu suchen», sagt Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni. Weitere Gespräche folgen Anfang Mai.
Kommentare
Ernst Imhof 04/04/2019 08:30:08
Ich hoffe sehr, dass der SEV sich für die Beibehaltung dieser Zulagen einsetzt.
Saubere und funktionierende Zugstoiletten sind beste Werbung für die SBB und eigentlich kostenlos
Bossard Esther 04/04/2019 10:55:31
Die Cleaningmitarbeitenden verdienen diese Zulage! Danke, dass der SEV sich für sie einsetzt. Und Danke an die Cleaningmitarbeitenden, die täglich, und oftmals unter viel Zeitstress, die wirklich nicht immer angenehmen Reinigungsarbeiten verrichten.
Kati 09/04/2019 08:40:44
Ich hoffe sie haben Erfolg. Was hier geschieht ist einfach nicht mehr normal!!!! Es ist schon fast pervers, dass man hart arbeiten Menschen noch so bestraft. Wenn sie Streiken,komme ich mit um einfach zu unterstützen.
Sacipi irfan 05/04/2019 14:09:13
Wc zulagen soll erhöhen veil das ist schimste arbeit in ganze velt
Bamert Markus A. 05/04/2019 10:50:00
Es ist eine Zumutung, wie grosszügig die Konzernleitung der SBB bei Ihrem Konzernchef und dem "Top" Kader ist und wie knausrig Sie gleichzeitig bei jenen ist, die eine Drecksarbeit zu unser aller Wohl verrichten. Dem Reinigungspersonal dass täglich und oftmals unter viel Zeitstress diese meist unangenehmen Arbeiten verrichtet, sollte mehr als nur ein Dankeschön erhalten.
Andy 11/04/2019 13:51:17
Bei der Gelegenehit möchte ich mich als Pendler bei allen Reinigungsfachkräften herzlich bedanken dass ich immer in einen sauberen Zug sitzen darf. Aber auch beim RailClean Personal dass für die Sauberkeit in Bahnhöfen sorgt. Diese Personalgruppe die für die Kunden sehr wichtige Arbeiten erledigt ( Kunden nehemn ja das Thema Sauberkeit besonders zur Kenntnis ) und im Lohnbereich bei der SBB im unteren Segment eingestuft ist verdient meinen Respekt. Und das im Schichtbetrieb ohne Möglichkeit von Home Work und Privilegien die viele Andere haben. Daher erachte ich vor allem auch bei sehr unangenehmen Arbeiten wo ich selber niemals machen würde aus Ekel, eine solche Zulage als mehr als gerechtfertigt! Sie könnte sogar höher sein da der Grundlohn eher tief ist.