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SOB und BLS setzen SBB mit Projekten am Gotthard und Simplon unter Druck

Das Gotthard-Dilemma

Die SBB erntet viel Kritik für ihre künftigen Pläne auf der Gotthard-Bergstrecke. Jetzt kommt Druck von der SOB, und damit wird es verzwickt.

Es ist nur wenige Jahre her, dass von SBB-Seite her die Meinung geäussert wurde, nach der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels die Bergstrecke umgehend stillzulegen: Zu teuer im Unterhalt, zu wenig attraktiv für Reisende.

Untaugliches Konzept der SBB

Inzwischen ist die Stilllegung kein Thema mehr, aber richtig warm wird die SBB nicht mit der Bergstrecke. Ihre Idee, mit unbegleiteten Regionalverkehrs-Kompositionen ein Minimalangebot zu fahren, wird von allen Seiten kritisiert. Dies nicht zuletzt vom SEV, der unbegleitete Fahrten auf dieser Strecke mit mehreren Kehrtunneln und dem 15 Kilometer langen Scheiteltunnel für unverantwortlich hält.

Ebenso deutlich kommt die Kritik von der Kundenorganisation Pro Bahn, die neben dem unbequemen Rollmaterial auch das Angebotskonzept kritisiert, das keine durchgehenden Züge zwischen Arth-Goldau und Lugano bzw. Locarno mehr vorsieht. Auch Tourismus-Experten finden das SBB-Angebot zu mager.

Vorstoss der SOB

Schon vor zwei Jahren meldete erstmals die Südostbahn SOB Interesse an und lieferte ein Konzept für abgeltungsberechtigten Regionalverkehr ab. Damit lag sie allerdings falsch: Einerseits befand das Bundesamt für Verkehr, die Bergstrecke verbleibe vorerst innerhalb der Fernverkehrskonzession bei der SBB. Andererseits zeigten sich die Kantone wenig interessiert, an die Leistungen zahlen zu müssen.

Nachdem die SBB fast unverändert an ihrem Konzept festhielt, preschte die SOB abermals mit einem Projekt vor. Dieses sieht jetzt ein Fernverkehrsangebot vor, das mit Verbindungen sowohl von Basel–Olten–Luzern und Zürich–Zug nach Arth-Goldau und über die Bergstrecke nach Lugano führt. Doch damit ist der Appetit der SOB noch nicht gestillt: Gleichzeitig schlägt sie eine Verlängerung des Rheintalexpress Chur– St.Gallen nach Zürich vor. Zusammen mit dem bereits von der SOB betriebenen Voralpen-Express Luzern–Arth-Goldau– St.Gallen ergäbe sich damit ein zusammenhängendes Netz im Dreieck Basel–Lugano–Chur, von dem sich die SOB so massive Effizienzgewinne verspricht, dass sie die neuen Angebote kostendeckend erbringen will.

BLS will den Simplon

Fast gleichzeitig steigt auch die BLS wieder in den Ring und erneuert ihren Vorschlag, ihre Lötschberg-Züge über Brig hinaus nach Domodossola führen zu wollen. Allerdings handelt es sich beim Simplon eindeutig um Regionalverkehr, und der Entscheid, wer dort fahren wird, fällt auch nicht beim BAV, sondern in Italien.

pmo

Kommentar

Es ist komplizierter, als es auf den ersten Blick aussieht

Von links bis rechts gibt es breite Zustimmung für die SOB, die anscheinend aufzeigt, wie künftig die Gotthard-Bergstrecke nicht nur attraktiv, sondern auch kostendeckend betrieben werden kann. Tatsächlich hat die SBB es der SOB leicht gemacht, hier zu punkten. Mit ihrer nachgerade provokativen Vernachlässigung der Bergstrecke hat sie dem Herausforderer das Feld bereitet.

Nur: Sollte die SOB tatsächlich auf der Bergstrecke zum Zug kommen, stellen sich gewerkschaftlich und verkehrspolitisch wesentliche Fragen: Sowohl Lok- als auch Zugpersonal müsste die SOB zweifellos neu rekrutieren, während es bei der SBB und Tilo überzählig würde – beim Zugpersonal im Tessin sind die entsprechenden Zahlen bereits bekannt.

Der SEV ist Vertragspartner beider Bahnunternehmen und würde entsprechend beiderseits die Personalanliegen vertreten, weshalb er auch davon absieht, aktiv für die eine oder andere Bahn Partei zu ergreifen.

Die Kritik des SEV am Angebot der SBB ist bekannt. Ein Zuschlag an die SOB würde wohl das Angebot verbessern. Weiter würde es auch die Forderung nach Zugpersonal erfüllen – wobei vom BAV eine Erklärung vorliegt, dass es diese Frage auch bei einer Neukonzessionierung der SBB prüfen werde.

Aber ein Zuschlag an die SOB würde grundsätzliche Fragen der Verkehrspolitik aufwerfen, auf die der SEV seit Langem warnend hinweist. Sollte das BAV im Fernverkehr neben der SBB einen weiteren Anbieter zulassen, wäre dies eine Öffnung, die zweifellos weitherum Gelüste wecken würde.

Das vierte Bahnpaket der EU sieht die Liberalisierung des Fernverkehrs vor, und es würde einmal mehr stark den Eindruck machen, dass die Schweiz im vorauseilenden Gehorsam wirkt. Die SOB wäre dann die Speerspitze für ausländische Konzerne – staatliche wie private.

Peter Moor

Kommentare

  • Stefan Waldispühl

    Stefan Waldispühl 06/08/2016 10:29:22

    Eines ist klar - das ab Ende 2016 geplante SBB-Konzept für die Gotthard-Bergstrecke ist billig, kundenunfreundlich und aus touristischer Sicht (Bahnland Schweiz!) komplett untauglich! Bleibt dies so einige Jahre bestehen, wird auf der Gotthard-Bergstrecke in ein paar Jahren kein Zug mehr fahren, das BAV hat dann genug Argumente, die Strecke stillzulegen.

    Es ist sicherlich auch im Interesse des SEV, das Angebot von SOB, BLS oder wem auch immer zu unterstützen, solange dieses um Längen besser ist als dasjenige der SBB. Auf jeden Fall lieber ein kundenfreundliches, innovatives, touristisch wertvolles Angebot mit anständigem Rollmaterial in BLS-grün oder SOB-rot, attraktiven Fahrplänen, das auch die Bergstrecke langfristig sichern vermag.

    Nur so wird der Druck auf SBB und BAV gross genug sein, um ein Desaster an der historischen Gotthardstrecke zu verhindern.