Sicherheit bei der SBB
Patrouillen, die ganz auf Prävention setzen
Der jüngste SBB-Beruf heisst «Präventionsassistent/in». Die neuen Angestellten der Bahnpolizei sollen dazu beitragen, dass es gar nicht zu ungebührlichem Verhalten und Gewalt in Zügen und Bahnhöfen kommt. kontakt.sev hat eine Patrouille begleitet.
Thomas Dattke (45) und Djilali Seddiki (38) üben den neuen Beruf «Präventionsassistent » seit dem 27. April aus. Zusammen mit acht Kollegen sind sie im Rahmen des Programms RailFair im Genferseegebiet in Regionalzügen und Bahnhöfen präsent. Bevor sie im Bahnhof Lausanne in den Regionalzug nach Palézieux steigen, melden sie sich beim Lokführer. Der Empfang ist herzlich. «Wir sind von den SBB-Kollegen sofort gut aufgenommen worden, und sie haben uns auch gleich geduzt », sagt Djilali Seddiki. «In Regionalzügen gehen wir zuerst zum Lokführer, und wenn auf einem Zug Kontrolleure sind, melden wir uns bei ihnen.»
Keine Grands frères
«Wir werden noch oft mit den Grands frères verwechselt, und wir gehören ja auch beide zur SBB-Sicherheitskette (siehe Kasten Seite 14). Zwischen uns gibt es aber einen wesentlichen Unterschied: Die Grand frères sind Arbeitssuchende, die von der SBB im Rahmen eines Programms der Arbeitslosenvermittlung für vier Monate angestellt werden», erklärt Thomas Dattke. «Wir hingegen sind feste Angestellte der Bahnpolizei.»
Dialog beginnt von selbst
Während sich der Zug über den Lavaux-Rebhängen hoch über dem Genfersee Palézieux entgegenwindet, gehen die Präventionsassistenten durch die Abteile und grüssen die Reisenden. Einige zeigen den beiden spontan ihren Fahrausweis und bieten ihnen so die Gelegenheit, ihre Aufgabe zu erklären: «Besten Dank, Madame, doch wir sind keine Kontrolleure, sondern Präventionsassistenten. Wir sind dazu da, dafür zu sorgen, dass es in den Zügen keine Probleme gibt, und der Kundschaft Auskünfte zu geben.» So kommen sie mit den Fahrgästen automatisch ins Gespräch, und ihre Präsenz wird meistens begrüsst. «Es ist wirklich gut, dass es in den Regionalzügen wieder Personal gibt», sagt die ältere Dame.
Die Präventionsassist/innen haben fünf Aufträge:
- Sie patrouillieren durch Züge (vor allem Regionalzüge) und Bahnhöfe, um das Sicherheitsgefühl der Reisenden und des SBB-Personals zu erhöhen. Indem sie für vermehrte menschliche Präsenz sorgen und bei Konflikten vermitteln, leisten sie einen präventiven Beitrag zur Ruhe und Ordnung.
- Sie beobachten die Kundschaft bei der Reise und intervenieren, wenn nötig verbal, um allfällige Spannungen zwischen Reisenden und dem SBBPersonal zu verringern.
- Sie stehen den Reisenden und dem SBB-Personal helfend zur Seite (bei Unwohlsein, Verkehrsstörungen, Unfällen usw.).
- Sie sorgen für die Sicherheit der verschiedenen SBB-Partner für Bahndienstleistungen.
- Kundendienst (Auskünfte usw.).
Gegenwärtig gibt es in Lausanne zehn Präventionsassistenten (sechs Männer und vier Frauen) und in Zürich neun (acht Männer und eine Frau). Sie sind in einem dreiwöchigen Kurs durch die SBB, das Schweizerische Rote Kreuz und die Bahnpolizei auf ihre Aufgaben vorbereitet worden. Sie sind feste Angestellte der Bahnpolizei und arbeiten in Uniform. Sie tragen ein Gilet mit der Aufschrift «RailFair – Prävention » auf dem Rücken und vorne einen Bagde mit ihrem Foto.
Hoch motiviert
Thomas Dattke und Djilali Seddiki bewegen sich im Zug wie Fische im Wasser, zwischenmenschliche Kontakte behagen ihnen offensichtlich. Seddiki hat in Marseille im Sozial- und Erziehungsbereich gearbeitet und war dann sieben Jahre lang Sicherheitsbeamter in Genf. «Repression gefällt mir nicht, Prävention ist besser und sehr nützlich!», findet er.
Der ursprüngliche SBBAngestellte Dattke wechselte zur Bahnpolizei, verliess dann die Bahnwelt für ein paar Jahre und freut sich nun, viele alte Kolleginnen und Kollegen bei der SBB wieder anzutreffen. Er ist hoch motiviert für seinen neuen Job: «Präventionsassistenten brauchen einen langen Atem. Es müsste davon im ganzen Land noch viel mehr geben. Das bringt Öl ins Getriebe des öffentlichen Verkehrs.»
Bahnpolizei als Verstärkung
Natürlich reisen wir hier ausserhalb der Stosszeiten in einem gemütlichen Zug durch den idyllischen Lavaux, der mit seinen Terrassen zum Unesco-Welterbe gehört. Was aber geht in Vorortszügen an den Wochenenden ab? «Natürlich sind dann in den Spät- und Frühzügen vor allem Jugendliche unterwegs. Am meisten eingreifen müssen wir wegen beschuhten Füssen auf Sitzbänken und zu lauter Musik, Türsperren und Überschreiten der Geleise in den Bahnhöfen », erzählt Thomas Dattke. «Wir begrüssen die Fehlbaren und machen sie freundlich darauf aufmerksam, dass sie sich falsch verhalten haben. Normalerweise funktioniert das sehr gut.»
Was aber tun Präventionsassistenten, wenn sie bedroht werden? «Unsere einzige Waffe ist das Telefon», antwortet Djilali Seddiki. «Wir rufen die Zentrale der Bahnpolizei an, die Bahnpolizisten in den Zug schicken kann. Doch wenn man mit diesen Jungen, die sich einen provokativen Anschein geben, ins Gespräch kommen kann, merkt man, dass sie sehr anhänglich sind. Es entwickelt sich eine Freundschaft. »
Züge werden wieder menschlicher
Doch Thomas Dattke und Djilali Seddiki haben noch viele weitere Aufgaben wahrzunehmen: «Wir helfen Müttern mit Kinderwagen beim Ein- und Aussteigen, geben Fahrplanauskünfte und schauen, dass sich in Regionalzügen niemand im Gepäckwagen versteckt. Wenn ganze Gruppen auf dem Zug sind wie beispielsweise jetzt in der Schulreisezeit, begleiten wir diese usw.» Indem sie professionell auf die Kundschaft zugehen, bringen die Präventionsassistenten wieder mehr Menschlichkeit in die Züge und weisen so respektloses Verhalten in die Schranken. Wenn sie vorbeigekommen sind, wirkt das Abteil nicht mehr so anonym wie vorher, und die Reisenden sind sich weniger gleichgültig. Das macht schon einen Unterschied!
Alberto Cherubini/Fi