SEV kommentiert den Jahresabschluss der SBB
SBB setzt die falschen Prioritäten
Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV ist erstaunt über den riesigen Jahresgewinn der SBB. Angesichts sinkender Sicherheit und Pünktlichkeit, vor allem aber anhaltend tiefer Personalzufriedenheit muss festgestellt werden, dass die SBB die Prioritäten einseitig auf das wirtschaftliche Ergebnis ausgerichtet hat.
Trotz sinkenden Verkehrszahlen sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr weist die SBB für 2012 einen weiter gesteigerten Gewinn aus. Und selbst wenn man der wiederkehrenden Leier von einmaligen Effekten Glauben schenken will, verbleibt ein Gewinn in Vorjahreshöhe.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich SBB Cargo einmal mehr mit Restrukturierungskosten selbst tief in die roten Zahlen gesteuert hat. Die kumulierten Verlustzahlen, die als Begründung für Restrukturierungen vorgebracht werden, sind vor allem genau auf diese Restrukturierungen zurückzuführen. Anders herum: Würde sich SBB Cargo endlich darum kümmern, vermehrt Güter auf die Schiene zu holen, statt sich dauernd mit dem eigenen Abbau zu beschäftigen, wären schwarze Zahlen längst denkbar.
Äusserst bedenklich ist das Zusammenspiel von Finanzresultat und betrieblichen Werten: Sowohl die Pünktlichkeit als auch die Sicherheit haben letztes Jahr einen Rückgang verzeichnet. Für SEV-Vizepräsident Manuel Avallone lässt sich daraus nur ein Schluss ziehen: «Die SBB-Kader setzen die Prioritäten einseitig auf das wirtschaftliche Ergebnis, was sich negativ auf den Betrieb auswirkt, aber positiv auf ihre Boni. Hier wurden falsche Anreize geschaffen.»
Aktuellste Beispiele sind die temporär beigezogenen Lokführer, die eine praktisch fabrikneue Cargo-Lok in einem Fluss versenken, oder der Abbruch von Verhandlungen, bei denen es darum ging, das unbestritten überlastete Verkaufspersonal leicht zu entlasten. Faktisch hat das Verkaufspersonal im Alltag keine Zeit, um sich über die andauernd neuen Produkte und Angebote zu informieren. Mehrkosten von leicht über einer Million jährlich liegen bei der SBB aber anscheinend nicht drin, um ihre Aushängeschilder am Schalter auf ein vernünftiges Niveau zu entlasten.
Der SEV erwartet, dass die SBB ihre Prioritätenordnung revidiert. Als öffentlich finanziertes Unternehmen hat sich die SBB nicht am Gewinn zu orientieren, sondern an der Qualität der Leistung. «Dazu gehören für uns neben der Sicherheit und der Pünktlichkeit auch die Personalzufriedenheit, die nach wie vor äusserst tief ist und zeigt, dass die Unternehmensführung nicht das Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat», betont Manuel Avallone.