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Alt. Arbeitslos. Ausgesteuert.
Seit dem 1. Juli 2021 gibt es das sogenannte Überbrückungsleistungsgesetz (ÜLG). Das Gesetz mit dem sperrigen Namen bezweckt eigentlich nur, dass ältere und ausgesteuerte Fachkräfte nicht Sozialhilfe beziehen müssen und dennoch motiviert bleiben, eine Stelle anzunehmen – sollte sich eine Gelegenheit hierfür bieten. Was heisst das konkret?
Es ist nicht zu fassen: Miko ist Reiniger in einem Grossunternehmen und erhält seine Kündigung pünktlich an seinem 60. Geburtstag! Man versichert Miko, dass es nicht an seiner Person liege. Das Unternehmen müsse restrukturieren – halt wettbewerbsfähig bleiben, etc., etc. Es wird eine sentimentale Feier gehalten, wo man noch einmal die letzten dreissig Jahre Revue passieren lässt, in denen Miko für das Unternehmen tätig war. Miko erhält an diesem Abend viel anerkennendes Schulterklopfen, ein kleines Präsent und wird in eine ungewisse Zukunft entlassen. Seine Frau arbeitet nicht, und er weiss, dass er als Reiniger mit 60 keine grossen Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat.
Folgt nach dem RAV der Gang aufs Sozialamt? Nicht unbedingt, denn seit dem 1. Juli 2021 gibt es für solche wie Miko das ÜLG.
Wer kann Überbrückungsleistungen beziehen?
Die Überbrückungsleistungen erhält man nach dem 60. Geburtstag – und auch nur dann, wenn keine andere Sozialversicherung (AHV, IV, AVIG, etc.) in Frage kommt. Hinzu kommt, dass man mindestens 20 Jahre bei der AHV versichert sein muss (davon 5 Jahre nach dem 50. Geburtstag) und dabei in dieser Zeit ein jährliches Mindesteinkommen von 21 510 Franken erzielt hat. Das persönliche Vermögen muss ebenfalls bescheiden sein: d. h. für Alleinstehende nicht mehr als 50 000 Franken und für Paare nicht mehr als 100 000 Franken. Anmelden kann sich jeder, der seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt in der Schweiz, in der EFTA oder in der EU hat. Es gibt hierfür Durchführungsstellen. Je nachdem, ob man in der Schweiz wohnt oder in einem EFTA- oder EU-Land, ist jene Durchführungsstelle zuständig, wo man seinen Wohnsitz hat oder zuletzt seinen Wohnsitz gehabt hat, oder die Durchführungsstelle am Sitz des letzten Arbeitgebers.
Wie werden die Leistungen berechnet und ausbezahlt?
Bei den Überbrückungsleistungen handelt es sich um Bedarfsleistungen, welche vom Bund finanziert werden. Ähnlich wie bei den Ergänzungsleistungen zur AHV oder zur IV werden die Überbrückungsleistungen individuell berechnet. Es geht um gesetzlich anerkannte Ausgaben, welche die gesetzlich anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Berücksichtigt wird immer das Familieneinkommen. Was der/die Ehepartner/in verdient, bzw. die Bemühungen, die diese/r anstellt, um etwas zu verdienen, spielt also eine wesentliche Rolle.
Sind die Überbrückungsleistungen ermittelt, werden sie jährlich ausgezahlt. Der Mietzins bzw. die Ausgaben für die Wohnung sind in den jährlichen Zahlungen inbegriffen. Es handelt sich hier um Maximalbeträge: 44 123 Franken für Alleinstehende und 66 184 Franken für Paare. Zusätzliche Krankheits- oder Behinderungskosten sind in den jährlichen Zahlungen nicht inbegriffen und werden bis zu einem Maximalbetrag vergütet. Das sind für Alleinstehende bis zu 5000 Franken im Jahr und für Paare bis zu 10 000 Franken im Jahr.
Bezüger/innen müssen Stellensuche fortsetzen
Wer Überbrückungsleistungen bezieht, muss sich weiterhin darum bemühen, eine Stelle zu finden, bzw. freiwillig beim RAV angemeldet bleiben und an den entsprechenden Integrationsmassnahmen teilnehmen. Sofern man ein Einkommen erzielt oder eine Rente bezieht, muss man das unverzüglich melden. Dasselbe gilt auch, wenn sich das Vermögen verändert.
Finanzielle Existenz gesichert
Gewiss: Miko bekommt damit seine vertraute Stelle im Unternehmen, seine geliebte Arbeit und sein gewohntes Arbeitsumfeld nicht wieder zurück. Aber zumindest ist seine finanzielle Existenz nicht gefährdet – und das bis zu seiner ordentlichen Berentung. Auch wenn er von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert ist, kann er immer noch beim RAV freiwillig angemeldet bleiben und von den Überbrückungsleistungen zehren. Und wer weiss, vielleicht öffnet sich ja doch eine Tür.
Rechtsschutzteam SEV