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Reiniger ohne Schuld an Glatteis
Der Reiniger kann nicht für jede Eisfläche auf dem Perron verantwortlich gemacht werden. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb auf ein Strafverfahren verzichtet.
Ein kalter Dezembermorgen in einem grösseren Bahnhof: Auf dem vereisten Perron rutscht eine Reisende aus und bricht sich den Arm. Sie macht Anzeige gegen unbekannt wegen fahrlässiger Körperverletzung. Die SBB rückt nach internen Abklärungen den Namen jenes Mitarbeiters heraus, der am betreffenden Tag für die Reinigung auf dem Perron zuständig war, und der Staatsanwalt des betreffenden Kantons eröffnet gegen ihn eine Strafuntersuchung.
In diesem Moment schaltet das betroffene SEV-Mitglied den Berufsrechtsschutz ein, der ihm sofort einen Anwalt zur Seite stellt. Nach der Einvernahme von Zeugen und weiteren Abklärungen kommt der Staatsanwalt zu einem klaren Schluss: Der Reiniger trägt keine Schuld am Unfall, auch wenn die Frau tatsächlich direkt beim Einsteigen auf einer vereisten Stelle auf dem Perron ausgerutscht ist.
Nicht jederzeit überall sein
Das Strafverfahren wird eingestellt, der Anwalt vom Staat entschädigt. Was aber war der entscheidende Punkt? In der Verfügung der Staatsanwaltschaft steht, dass dem Reiniger keine Schuld zugewiesen kann, weil er aufgrund seiner verschiedenen Aufgaben innerhalb seiner Tour nicht jeden Eisfleck erkennen und umgehend beseitigen kann.
Der Reiniger sei am selben Tag für mehrere Bahnhöfe zuständig, weshalb er nicht an einem einzelnen Ort dauernd putzen und salzen könne, betont der Staatsanwalt. Wenn also der Perron vereinzelte Eisstellen aufweise, stelle dies noch keine Verletzung der Sorgfaltspflicht dar, zumal vorbeifahrende Schnellzüge das Streusalz wegwehen könnten.
Der Mitarbeiter kommt also dank dem SEV-Rechtsschutz ungeschoren davon. Dies ist das Resultat des Strafverfahrens. Ob das Unfallopfer die Hausherrin SBB vor Zivilgericht auf Schadenersatz verklagt hat, ist dem SEV nicht bekannt.
Befremdlich wirkt in der ganzen Sache allerdings der Umstand, dass SBB Immobilien in ihrem Schreiben an die Staatsanwaltschaft ihren Mitarbeiter nicht etwa in Schutz nahm. Im Gegenteil: Sie vermerkte ausdrücklich und ungefragt, der jeweilige Reiniger müsse in eigener Verantwortung Prioritäten setzen, um dem «sicheren Zugang des SBB-Kunden auf die Bahnanlagen oberste Priorität zu setzen».
Rechtsschutzteam SEV