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Schichtarbeit bei Thurbo

Zwischen Flexibilität und Gesundheitsschutz

Stefan Hanselmann, Präsident der VPT-Sektion Thurbo, gibt Auskunft zum Thema Schichtarbeit. © Fotomontage Eva Schmid.

Arbeitszeiten und Schichtmodelle sind beim Lokpersonal von Thurbo immer wieder ein Thema. Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden mit jenen des Unternehmens in Einklang zu bringen, ist dabei nicht ganz einfach. Stefan Hanselmann, Präsident der SEV-Sektion VPT Thurbo, erklärt im Interview, worum es geht.

Feste Früh- oder Spätschichten haben beim Lokpersonal an Beliebtheit gewonnen. Wie geht Thurbo heute auf dieses Bedürfnis ein?

Als SEV begrüssen wir die Tatsache, dass das Lokpersonal vermehrt feste Früh- oder Spät-schichten bevorzugt. Dies kann Fehltage reduzieren und die Gesundheit spürbar verbessern. Leider hat Thurbo bisher nicht in ausreichendem Masse auf dieses Bedürfnis reagiert. Zwar gibt es vereinzelte Modelle, die diesen Wunsch berücksichtigen, jedoch ist die Umsetzung nicht immer transparent. Wir würden eine verbindliche Regelung bevorzugen, mit der die Wünsche des Lokpersonals berücksichtigt werden können, ohne dass jemand benachteiligt wird.

Was halten Sie davon, dass Wegzeiten nicht als Arbeitszeit zählen und vom Personal selbst getragen werden müssen? Welche Auswirkungen könnte diese Regelung auf die Mitarbeitenden haben?

Die aktuelle Regelung, dass Wegzeiten von Thurbo nicht als Arbeitszeit anerkannt werden, stellt für uns als SEV eine Herausforderung dar. Diese Praxis entspricht denn auch nicht den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (AZG). Zum Teil müssten die Lokführerinnen und Lokführer mehr Zeit für Fahrten aufwenden, ohne dass diese als Arbeitszeit erfasst wird. Damit werden die Dienste durch den weiteren Arbeitsweg länger und der positive Effekt der gewünschten Schichtlage wird verfehlt.

Entscheiden sich Lokführerinnen und Lokführer freiwillig für das Thurbo-Modell, erhalten sie die gewünschte Schichtlage offenbar nicht garantiert. Braucht es eine verbindliche, für alle Fälle gültige Regelung?

Ja, unbedingt. Es ist unbefriedigend, dass Mitarbeitende nur in zwei Dritteln der Fälle ihre gewünschten Schichtlagen bekommen hätten. Wünschenswert wäre eine verbindliche Regelung, die die entsprechende Schichtlage zu 100 % garantiert.

Thurbo hat alle bisher bestehenden Vereinbarungen über die Arbeit in Schichtlagen mit dem Lokpersonal gekündigt. Was bietet Thurbo aktuell an?

Es gibt keine Schichtlagenmodelle für das Lokpersonal. Somit müssen alle in allen Schichtlagen arbeiten. Ausgenommen sind Mitarbeitende, die aus medizinischen Gründen eingeschränkt sind.

Nach welchen Regeln erfolgt die Einteilung bei der Vergabe der Dienste?

Es wird mit folgenden Prioritäten eingeteilt:

  • Erste Priorität haben die Reservisten, die keine pauschalen Wünsche hinterlegt haben, damit ein Schichtlagenwechsel alle 2 bis 3 Wochen gemäss AZG sichergestellt wird.
  • Zweitens hat das Lokpersonal in der Flexeinteilung Anspruch auf eine lückenlos eingeteilte Monatseinteilung.
  • Dritte Priorität haben Mitarbeitende, die aus medizinischen Gründen in der Schichtlage eingeschränkt sind.
  • Vierte und letzte Priorität haben Mitarbeitende, die einen Schichtlagenwunsch bei Thurbo deponiert haben.

Der SEV kritisiert, dass Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz durch selbst bezahlte Autofahrten «erkauft» werden. Wie beurteilst du diesen Vorgang im Hinblick auf die Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden des Personals?

Der SEV sieht in der Regelung, dass Mitarbeitende selbst für ihre Autofahrten aufkommen müssen, eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Indem Thurbo die Kosten für Fahrten den Mitarbeitenden aufbürdet, werden diese finanziell belastet. Darüber hinaus führt das häufige Fahren auf eigene Kosten zu zusätzlichem Stress und körperlicher Belastung. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Auch deshalb fordern wir Thurbo auf, diese Praxis zu überdenken.

Wie sieht eine mögliche neue Vereinbarung zwischen SEV und Thurbo aus, die sowohl den Bedürfnissen der Mitarbeitenden als auch jenen des Unternehmens gerecht wird?

Für eine neue Vereinbarung braucht es den Dialog zwischen SEV und Thurbo. Es ist notwendig, dass die Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen sowohl den Bedürfnissen der Mitarbeitenden als auch den betrieblichen Anforderungen gerecht werden. Eine mögliche Lösung könnte die Einführung von verbindlicheren Schichtregelungen sein, die allen Mitarbeitenden gleiche Chancen bieten. Zudem sollte das Thema Wegzeiten und Fahrtkosten neu überdacht werden. Spielraum haben wir nur bei verbindlichen Verbesserungen für die Mitarbeitenden. Wichtig ist, dass Gesundheits- und Sicherheitsaspekte in einer neuen Vereinbarung oberste Priorität haben, um langfristige Belastungen und Schäden zu vermeiden. Ziel soll es sein, dass Mitarbeitende den Schichtdienst gesund verrichten können und nicht aus gesundheitlichen Gründen in einer Schichtlage arbeiten müssen.

Eva Schmid