Gesundheitsumfrage Bus
Ungesundes Personal
Die Resultate der Umfrage zur Gesundheit der Busfahrer:innen, die der SEV zusammen mit Syndicom, VPOD und Unisanté durchgeführt hat, sind beunruhigend. Fast alle sind gesundheitlich angeschlagen und leiden an diversen Beschwerden: Muskelschmerzen, Erschöpfung, Schlafstörungen oder Stress. Unfallzahlen und Krankheitsausfälle steigen. Die Gewerkschaften fordern eine maximale Dienstdauer von zehn Stunden und die Anpassung der Dienstpläne.
Zum dritten Mal nach 2010 und 2018 wollte der SEV wissen, wie es um die Gesundheit der Busfahrer:innen steht und welche Umstände den Beruf erschweren. Im Februar haben SEV, Syndicom und VPOD 4324 Fragebogen an ihre Mitglieder in diesem Beruf verschickt. 916 Personen haben geantwortet, also eine Beteiligung von 21 %. Damit hat sich die Basis der Auswertung nahezu verdoppelt und sie ist recht repräsentativ für die Berufsgruppe mit 13,2 % Frauen, 34 % Teilnehmenden im Alter zwischen 46 und 55 Jahren und 31 % über 56 Jahren.
Die Sicht auf die Studie von Christian Fankhauser, SEV-Vizepräsident
Die Umfrage des universitären Zentrums für Allgemeinmedizin und öffentliche Gesundheit zusammen mit den Gewerkschaften zeigt eindeutige Resultate: Nur 3,9 % der Fahrer:innen haben keine gesundheitlichen Probleme. Durchschnittlich gibt jede Person an, an vier Problemen zu leiden. Jede Zweite verspürt Muskelschmerzen im Schulter- oder Halsbereich (57 %), übermässige Erschöpfung und Rückenschmerzen (50 %). Mehr als jede Dritte hat Schlafprobleme (43 %), Stress (42 %), ist gereizt (35 %) und hat Kopfschmerzen (33 %). Seit 2018 zeigt sich eine markante Steigerung der Schmerzen im Schulter- und Halsbereich. Die Zahl der Arbeitsausfälle hat von 2010 bis 2018 zugenommen und ist bis 2022 weiter gestiegen. Eine von zwei Personen fiel 2021 mindestens einmal wegen Krankheit aus. 37 % der Fahrer:innen sehen die Krankheit in Verbindung mit der Arbeit. 57 % der Frauen verzeichnen Arbeitsausfälle, 51 % der Männer. Auch wenn der Frauenanteil im Beruf steigt, braucht es insbesondere bei den Dienstplänen noch Verbesserungen für eine bessere Integration.
Es steht nicht nur die Gesundheit des Personals auf dem Spiel, sondern auch deren Sicherheit und jene der Passagiere. Fast ein Drittel (32 %) fühlen sich nicht immer im Vollbesitz ihrer Kräfte, wenn sie sich ans Steuer setzen (meist wegen Erschöpfung, zu wenig Ruhezeit und Muskelschmerzen). Die 36- bis 45-Jährigen fahren vermehrt in schlechtem Zustand (38 %). Erschöpfung und Kopfschmerzen haben einen Einfluss auf die Unfallhäufigkeit, die sowohl 2018 als auch 2022 gegenüber 2010 zugenommen hat.
Weshalb haben Busfahrer:innen so grosse Gesundheitsprobleme? Dazu erlaubt die Umfrage keine endgültige Aussage. Immerhin hält Unisanté fest, dass sich «angesichts des hohen Anteils gewisser eher besonderer Gesundheitsprobleme annehmen lässt, dass diese mit den Arbeitsbedingungen in Verbindung stehen. Beispielsweise wurde nachgewiesen, dass die Vibrationen, denen der ganze Körper der Busfahrer:innen täglich ausgesetzt ist, eine Ursache für Rückenschmerzen sind.» «Da unsere Kolleg:innen gezwungen sind, mit Stress zu leben, wirkt sich das auf ihren Körper aus, der Krankheiten entwickelt», erklärt Valérie Solano, Vizepräsidentin des SEV.
Einige Fragen zielten darauf ab, verschiedene Erschwernisse zu bewerten. Dienstschichten über zehn Stunden stehen zuoberst, lange Arbeitszeiten ohne Zugang zu Toiletten an dritter und Arbeitszeiten am Steuer von über vier Stunden an fünfter Stelle. «Was die Dienstschichten über zehn Stunden angeht, liegen die Antworten ‹beschwerlich› und ‹sehr beschwerlich› zusammen bei über 80 % der Antworten. Und 75 % für die langen Arbeitszeiten ohne Zugang zu Toiletten», betont Christian Fankhauser, Vizepräsident des SEV. «Das zeigt, dass unsere Kampagnen ‹Zehn Stunden sind genug!› und ‹WC statt Gebüsche› richtig liegen und weiterhin zu unseren Prioritäten zählen müssen. Fahrzeiten über vier Stunden sind ebenfalls eine starke Beeinträchtigung in diesem Beruf. Dagegen gilt es etwas zu unternehmen.»
Das Verhalten der Radfahrer:innen und die Aggressivität anderer Verkehrsteilnehmer:innen liegen auf den Plätzen 2 und 4 der Erschwernisse. Sie waren schon Thema bei der Umfrage 2018, das Problem des Veloverkehrs hat aber stark zugenommen. Die Zunahme des Langsamverkehrs und der Velos aufgrund des Lockdowns haben zweifellos eine Rolle gespielt. Die Umfrageresultate zeigen auch, wie wichtig Fragen der Ergonomie, insbesondere des Sitzes sind, die praktisch von allen als wichtig bezeichnet werden. Die Fahrer:innen über 56 Jahre, also am Ende der Berufslaufbahn, sind am anfälligsten für Schmerzen der unteren und oberen Gliedmassen.
Valérie Solano sagt: «Es ist ein harter Beruf. Je mehr man die Arbeitsbedingungen verbessern kann durch regelmässigere Dienstpläne, weniger Stress und mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz, desto höher sind die Aussichten, dass das Personal gesund bleibt!» Die drei besten Elemente des Berufs sind der sichere Arbeitsplatz, die Solidarität und die Unabhängigkeit.
Radiointerview mit Fritz Haenni (rechts im Bild), Busfahrer bei den Freiburgischen Verkehrsbetrieben und Sektionspräsident SEV-VPT TPF, als SRF1-Morgengast vom 13. Juli 2022 zur Gesundheitsumfrage:
https://www.srf.ch/audio/morgengast/morgengast-vom-13-07-2022?id=12221704
Drei Fragen an Unisanté
Mit einem Doktortitel in öffentlicher Gesundheit leitet Prof. Irina Guseva Canu die Abteilung Gesundheit, Arbeit, Umwelt bei Unisanté Lausanne.
Weshalb interessieren Sie sich für die Gesundheit der Busfahrer:innen?
Prof. Irina Guseva Canu: In zwei nationalen Studien, die Unisanté durchgeführt hat, haben wir eine erhöhte Sterblichkeit durch Suizid und Lungenkrebs bei den Fahrer:innen des öffentlichen Verkehrs (insbesondere Bus) im Vergleich zur gesamten berufstätigen Schweizer Bevölkerung festgestellt. Wir haben die Gewerkschaften und das BAV über diese Erkenntnisse informiert und versuchen, deren Ursachen zu verstehen.
Was sind für Sie die drei wichtigsten Ergebnisse dieser Umfrage?
Das wichtigste Ergebnis ist, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten sagen, dass sie Muskelschmerzen im Schulter- und Halsbereich sowie Rückenschmerzen haben und übermässig erschöpft sind. Das ist bemerkenswert, denn die technische Entwicklung der Fahrzeuge ist auf eine Verbesserung des Komforts ausgerichtet. Ein weiteres wichtiges Resultat ist die Zunahme der Arbeitsausfälle und der Unfälle seit 2010.
Wie liegt der Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen und der Gesundheit?
Dafür möchten wir in nächster Zeit eine Kohortenstudie bei den Busfahrer:innen durchführen. Die Mehrheit der Fahrerinnen und Fahrer ist positiv dazu eingestellt. In diesem Beruf wurden wenige kausale Verbindungen zwischen der Gesundheit und der Arbeit gemacht, und für ein so hoch entwickeltes Land wie die Schweiz scheint es untragbar, so kranke Berufsleute zu haben.
Yves Sancey / Übersetzung: Peter Moor
Editorial von Christian Fankhauser, Vizepräsident SEV
Buschauffieren ist schlecht für die Gesundheit
Die dritte Umfrage zur Gesundheit der Busfahrerinnen und Busfahrer, die vom SEV zusammen mit Syndicom, VPOD und Unisanté durchgeführt wurde, ist ausgewertet. Das Resultat ist derart beunruhigend, dass wir gezwungen sind, Alarm zu schlagen.
Nur gerade 3,9 % der Fahrerinnen und Fahrer haben keinerlei gesundheitliche Probleme. Jede zweite Person leidet unter Muskelschmerzen in der Schulter oder im Nacken, ungewöhnlicher Müdigkeit und Rückenschmerzen. Fast ein Drittel der Befragten treten den Dienst an, ohne fahrtüchtig zu sein. Die Umfrage zeigt sehr genau, welche Auswirkungen der Chauffeurberuf auf die Gesundheit hat. Dieser Beruf verursacht viel zu viele Krankheiten. Es sei daran erinnert, dass der Arbeitgeber Massnahmen ergreifen muss, um die Gesundheit der Arbeitnehmenden zu schützen. Was also tun?
Die Arbeitsbedingungen müssen sich rasch verbessern! Hauptgrund der Probleme sind die langen Dienstschichten über zehn Stunden, die der SEV mit seiner Kampagne «Zehn Stunden sind genug!» bekämpft. Die Diskussionen mit den Unternehmungen müssen nun endlich Resultate zeitigen. Eine weitere berufliche Beschwerlichkeit, die langen Phasen ohne Erreichbarkeit einer Toilette, war schon Thema einer SEV-Kampagne. Auch hier muss etwas geschehen. Eigene Busspuren würden den Stress im Zusammenhang mit dem Verkehr zusätzlich mildern.
Und wenn dann unsere Kolleginnen und Kollegen trotz aller Bemühungen krank werden und nicht mehr in einem sogenannten «Monopolberuf» arbeiten können, müssen ebenfalls Lösungen gefunden werden. Ausbildungen, Umschulungen oder die Schaffung eines gemeinsamen Arbeitskräftepools der öffentlichen Verkehrsunternehmungen. Die brutalen Zahlen unserer Umfrage haben uns dazu bewogen, einen neuen Runden Tisch der betroffenen Unternehmungen einzuberufen. Wir wollen kantonale oder regionale Lösungen finden, wenn es national nicht möglich ist.
Die Sache drängt aus drei Gründen. Bessere Dienstschichten verringern die krankheitsbedingten Fehltage. Die Babyboomer gehen in den nächsten Jahren in Pension und nur eine höhere Attraktivität der Branche wird genügenden Nachwuchs sicherstellen. Und weil der öffentliche Verkehr eine der Lösungen des Klimaproblems darstellt, wäre es absurd, hier Milliardeninvestitionen zu machen ohne Berücksichtigung der Gesundheit des Fahrpersonals.
Die Situation ist gravierend und verlangt rasche Antworten.
Kommentare
Haldi Hans 29/08/2022 14:04:37
Guten Tag
Seit 36 Jahren bin ich Busfahrer. Auch ich habe Beschwerden im Nacken und Schulter Bereich. Wenn es im Winter schneit schlafe ich sehr schlecht. Denn am Morgen ist es unsicher wie die Straße aussieht.
Schneeketten montiert, ist die Straße vereist, wie viel Zeit muss ich früher beginnen,...
Auch die Gäste werden immer anspruchsvoller. Meine Linie geht von 1000 Meter bis 1900 Meter über Meer..
Daher entsteht ein psychischer Stress der dem Körper viel Stress bereitet.
Auch in der Pause bist du Ansprechspartner der Gäste. Ich bin mir nicht sicher ob ich diesen Beruf noch bis 65 Jahre machen kann..