SBB Cargo
Zusatzkompetenz für technische Zugkontrollen fair abgelten
SBB Cargo hat seit 2019 rund 230 Rangiermitarbeiter zu «Prüfern Wagenladung» (PWL) ausgebildet. Vorgesetzte versprachen, diese Zusatzkompetenz mit jährlich 3000 Franken abzugelten, bis sie in die geplanten neuen Berufsbilder integriert ist. Weil dieses Versprechen aber nie verschriftlicht wurde und die Berufsbilder frühestens Ende 2021 bereit sind, stellt Cargo offenbar die jährliche Zahlung in Frage.
Die 21-tägige PWL-Ausbildung erhalten vor allem Rangierlokführer B100, aber je nach Standort auch weitere Rangiermitarbeitende. Sie befähigt Rangierteams, Züge vor der Fahrt in die Rangierbahnhöfe selber zu kontrollieren. Bisher brauchte es dafür die Technischen Kontrolleure Cargo (TKC) mit einer internen Spezialausbildung von 6 bis 8 Monaten (früher 9) nach einer 3-jährigen Berufslehre vorzüglich im Metall- oder Elektrohandwerk (oder als Rangierer / Lokführer B100), während Rangierteams nur oberflächlichere «Annahme-Sichtkontrollen» machten. Doch die Verfügbarkeit von TKC sank in den letzten Jahren, weil zu wenig Nachwuchs ausgebildet wurde, um Pensionierungen und Wechsel zu anderen Unternehmen zu ersetzen.
Sandro Kälin, Zentralpräsident SEV-TS und selber TKC, sieht die PWL nicht als Billigkonkurrenz, sondern als Ergänzung und Entlastung der TKC, zumal diese allein zuständig bleiben für Züge, die ins Ausland fahren, für Zugkontrollen bei Sondertransporten, nach Alarmen von Zugkontrolleinrichtungen und weiteren Ereignissen, für die Verladeberatung bei Kunden und anderes mehr.
Zahlreiche Kollegen können bezeugen, dass Cargo-Verantwortliche an diversen Sitzungen und Veranstaltungen versprochen haben, dass Cargo bis zur Erarbeitung eines neuen Berufsbildes jährlich – und nicht nur einmal – eine PWL-Zulage von 3000 Franken bezahle.
Treu und Glaubenund Fairness
Weil dies aber nie offiziell und schriftlich mit den Sozialpartnern vereinbart wurde, und weil die Erarbeitung der Berufsbilder länger dauert als geplant, stellt SBB Cargo nun offenbar die jährliche Zahlung in Frage. Und vertröstet auf die geplante Entschädigung im Rahmen des Berufsbildes, das frühstens Ende 2021 umgesetzt werden dürfte.
Deshalb richtete SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn am 11. März die Bitte an die Cargo-Leitung, ihn «zeitnah mit ‹Destinatärsliste› zu informieren, wann die fälligen Prämien nachbezahlt werden». Denn es sei «wichtig, Loyalität und Engagement der Mitarbeitenden mit Fairness zu honorieren». Weiter fordert Philipp Hadorn im Brief, «anlässlich des nächsten Begleitausschusses (vom 24. März) auch den Einbezug der Sozialpartner in die Berufsbilder bzw. Zuordnung in die korrekten Anforderungsniveaus aufzugleisen» (bisher war nur die Peko involviert). Die Zusatzqualifikation als PWL sei «im neuen Berufsbild so zu berücksichtigen, dass sich dies auch in einer verantwortungsadäquaten monetären Abgeltung spiegelt. (...) Und sollte es nicht mit den standardisierten ‹Toco-Tools› lösbar sein, gilt es eine passende Alternative zu finden.»
Die Zentralpräsidenten der SEV- Unterverbände des Rangierpersonals (RPV) und des Technischen Servicepersonals (TS), Hanspeter Eggenberger und Sandro Kälin, erwarten eine spürbare, nachhaltige Lohnerhöhung für die PWL. Denn ihre Ausbildung ist mit einigem Aufwand verbunden. Nach der Prüfung müssen sie auf dem neusten Wissensstand bleiben und periodische Prüfungen ablegen. Hinzu kommt grössere Verantwortung.
Markus Fischer
Auf der Suche nach der eigenen Identität
Kommentar von Philipp Hadorn.
Selbstverständlich entwickeln sich Berufsbilder, auch bei SBB Cargo. Ein Geschäft für die Peko gemäss GAV. Die Frage der Bewertung, konkret also die Einreihung in ein Anforderungsniveau und Abgeltungen von Zusatzaufgaben, sind allerdings eine sozialpartnerschaftliche Angelegenheit. Mit «ToCo» liegt ein analytisches Bewertungssystem zwar vor. Doch es ist bekannt, dass Ermessenspielraum und Gewichtungen Teile des Systems sind. SBB Cargo ist wohl beraten, wenn sie hierzu den Einbezug der Sozialpartner zulässt. Vielleicht ist es für SBB Cargo im Moment gar nicht so einfach, die Zukunft zu planen. Während die Programme für «Strukturkostenreduktionen» fortschreiten, muss SBB Cargo gerade eine Strategie zwischen einmal in Aussicht gestellter Eigenwirtschaftlichkeit und zukunftsgerichtetem Verlagerungsziel entwickeln. Ob dabei die regelmässigen Wechsel im Management und ein noch unerfahrener Verwaltungsrat hilfreich sind, muss sich noch weisen. Jedenfalls ist SBB Cargo zu empfehlen mit dem UVEK Strategien zu entwickeln, bei denen sich das Bahnunternehmen als Teil der Lösung der Klimaziele 2050 positioniert. Und vielleicht ist es zweckdienlich, wenn in der Zwischenzeit neue Minderheitseigner auf ein patronales KMU-Gebaren verzichten und im Interesse der Unternehmensentwicklung ihre Vorstellungsgrenzen über Fuhrhalter-Visionen hinaus sprengen. Den Mitarbeitenden, der Verlagerungspolitik, unserer Umwelt und dem komplexen Transportsystem in unserem Land der Regionen wäre es zu gönnen.
Kommentare
Hubert Koller 17/04/2021 16:43:58
Wie immer, sei es bei SBB oder SBB Cargo, wenn es für die Unternehmung passt, hätten sie es sicher so gesagt gehabt. Aber in diesem Fall würde es ja dem Personal zugute kommen, daher weiss man von nichts. War ja schon mit Jordi so, weil die Verhandlungen nicht protokolliert werden. Unsere Lehre daraus sollte wohl sein, alles schriftlich zu verlangen. Was sicher mühselig ist, aber es geht wohl nicht anders. Bleibt hart auf eueren Standpunkten von Treu und Glauben und beharrt auf den Auszahlungen! Das Personal wirds euch danken.
Kollegiale Grüsse Hubi Koller
René Sturny 22/04/2021 16:44:23
Das Theater um die neuen Berufsbilder geht jetzt schon jahrelang so. Da könnte man Bücher schreiben. Viele würden nicht mehr gut schlafen, wenn herauskommen würde wie wir abgeschoben und vertröstet wurden. Wir übernehmen jeden Tag als B100,Rangierer, Pwl usw. eine riesen Verantwortung , doch unsere Ansprüche versickern irgendwo ,in einer Organisation , die sich mit sich selber beschäftigt.