Tödliche Arbeit
Die dunkle Seite der Mode
Neue Jahreszeit, neue Kleider. Die Frühlings- und Sommerkleider machen sich breit, denn die grossen Modeketten haben schon vor Monaten mit der Werbeschlacht begonnen, um Kundinnen und Kunden zur Erneuerung der Garderobe aufzufordern. Mithilfe der digitalen Medien folgen sich Schlag auf Schlag «einmalige» Angebote – wenn du nicht sofort kaufst, hast du die Gelegenheit verpasst – «Spezialpreis» und «Sonderangebot». Es hebe die Hand, wer noch nie darauf reingefallen ist.
Aber es gibt eine Alternative. Denn man kann als Konsumentin und Konsument kritisch und bewusst sein. Hinter der glitzernden Modewelt befindet sich eine düstere Welt der Ausbeutung und der Missachtung von Menschenrechten, mit den weltweiten Modeketten als Komplizen. Die Tragödie von Rana Plaza in Bangladesh ist noch in Erinnerung: Am 23. April 2013 stürzte ein Gebäude ein und begrub unterbezahlte Textilarbeiterinnen und -arbeiter unter sich. 1138 Personen kamen ums Leben. Vor einem Monat ging die Meldung durch die Medien, dass sich die Regierung von Bangladesh mit allen Mitteln gegen die Umsetzung der Vereinbarung zur Sicherheit der Arbeitskräfte wehrt, die die Arbeiterinnen und Arbeiter vor Bränden und Einstürzen schützen soll. Die Regierung behauptet, dass sie die Kapazität hat um die 1688 Fabriken zu kontrollieren. Eine Recherche zeigt etwas anderes: Clean Clothes Campaign, International Labor Rights Forum, Maquila Solidarity Network und Worker Rights Consortium (Unterzeichner der Vereinbarung als Zeugen) kritisieren ein schockierendes Ausmass der Nachlässigkeit. Brände in Textilfabriken lassen erkennen, dass die nationalen Kontrollbehörden nicht auf der Höhe ihrer Aufgaben sind. Im März 2019 sind bei einem Brand in einer Textilfabrik in Dhaka erneut acht Personen verletzt worden.
Deshalb spielt die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, CCC) eine wichtige Rolle. Sie arbeitet auf verschiedenen Ebenen: Es geht um die Sensibilisierung und den Einbezug der Konsumentinnen und Konsumenten (erst vor wenigen Tagen hat Public Eye in Genf den «Tag der nachhaltigen Mode» begangen), wie auch um den Druck auf Unternehmen und Regierungen, damit sie die Wahrung der Rechte der Arbeiter in der Textil- und Schuhindustrie zusichern.
«Clean Clothes» ist das grösste Bündnis in der Textilbranche; es besteht aus Gewerkschaften und Nicht-Regierungs-Organisationen. Es ist ein Netz aus über 250 Partnern, das sich weltweit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Stärkung der Rechte des Personals der Modebranche widmet. Zurzeit ist es in 14 europäischen Ländern aktiv, darunter die Schweiz, wo es von Public Eye vertreten wird. Es arbeitet mit Kampagnen zu verschiedenen Themen (gerechter Lohn, Gesundheit und Sicherheit, Transparenz, Wanderarbeit) und Aktionen, die das Bewusstsein schärfen und die Bevölkerung mobilisieren sollen, sei es persönlich, sei es gemeinsam. Es geht darum, Anfragen um Beistand und Solidarität der internationalen Partner zu unterstützen, um Missbräuchen in den Produktionsländern einen Riegel zu schieben.
Auch die Umwelt bezahlt einen hohen Preis und damit auch die Menschen. Am «Festival du film vert», in Monthey letzten März wurde der Film «Vert de rage: Indonésie, le fleuve victime de la mode» gezeigt. Es geht um den Citarum. Der Citarum fliesst durch den Westen der Insel Java und gilt als schmutzigster Fluss der Welt. Der Grad der Verschmutzung liegt um das 5000-fache über den zulässigen Werten. Das verheerende Bild wird noch verschärft durch die Textilfabriken im Einzugsgebiet des Citarum, die ohne jede Kontrolle äusserst giftige Abwässer in den Fluss leiten. Der Umweltschaden ist bekannt, aber unberechenbar. Die unhaltbaren hygienischen Zustände führen jährlich zu 50000 Todesfällen, ganz abgesehen von den Schäden an andern Lebewesen zu Land und im Wasser.
Häufig ist die Rede von «Modeopfern», wenn es um Menschen geht, die jedem Trend folgen, oft gefangen im zwanghaften Shopping. Aber die wahren Opfer sind die Menschen, rund 60 bis 75 Millionen, die in der Textil- und Schuhindustrie arbeiten und den höchsten Preis bezahlen. Es wäre wirklich Zeit – wie eine Volksinitiative verlangt (siehe Box) –, dass die multinationalen Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen, statt nur an den Profit zu denken.
Françoise Gehring/ Übersetzung: pmo
francoise.gehring@ sev-online.ch
Initiative für verantwortungsvolle multinationale Konzerne
Die Konzernverantwortungsinitiative zum Schutz von Menschen und Umwelt passt genau in die Ziele, die die «Kampagne für Saubere Kleidung» vertritt.
Die Initiative verlangt, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz bei ihren Geschäften sicherstellen sollen, dass sie die Menschenrechte respektieren und Umweltstandards einhalten, also sorgfältig wirtschaften. Damit sich auch dubiose Konzerne daran halten, sollen Menschrechtsverletzungen und Missachtung von internationalen Umweltstandards neu Konsequenzen haben und die Konzerne sollen dafür haften.
Die Volksabstimmung ist 2020 vorgesehen.