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Auf den Spuren von…

Brigitte Rohr, Direktionssekretärin

Direktionssekretärin bei der CGN und seit April im Sektionsvorstand: Brigitte Rohr wahrt die Distanz zwischen ihrem Beruf und ihrer Tätigkeit als Gewerkschafterin, Politikerin und Feministin.

Brigitte Rohr, Mitglied des Sektionsvorstands VPT CGN, am Pier in Ouchy (Foto: Anne Voeffray).

Als ich beim Empfang der Genfersee-Schifffahrt CGN eintreffe, begrüsst mich Brigitte Rohr mit einem breiten Lächeln. Die jugendliche, flotte Frau in den Sechzigern ist voller Energie, und häufig platzt ihr frohes Lachen in unsere Unterhaltung. In der Cafeteria erzählt sie mir ihren Werdegang. Als Einzelkind ist sie oberhalb von Lausanne aufgewachsen. Eine glückliche Kindheit: «Wir sind in den Wäldern geschlittelt und haben den alten Metrotunnel erkundet. Ich war eher eine Draufgängerin!»

Schmuck, Strassen, Schiffe

Als Jugendliche träumt sie davon, Schmuckdesignerin zu werden. «Aber mein Vater wollte, dass ich einen ‹richtigen Beruf› lerne. Ich bedaure nichts, es haben sich andere Möglichkeiten ergeben.» Sie absolviert die Sekretariatsschule Bénédict und bekommt eine Stelle bei Sarer und Colas, die Bitumen für den Strassenbau herstellen. Mit 22 Jahren heiratet sie und hat eine Tochter, die inzwischen Psychiaterin ist und eine Klinik leitet. Sie wechselt als Sekretärin zu einer Firma für Heizung und Lüftung, wo sie 19 Jahre eine kleine Gruppe führt. Bis sie 1998 wegen einer Umstrukturierung die Stelle verliert.

Spontan bewirbt sie sich auf neue Stellen, genau in dem Moment, als bei der CGN die Direktionssekretärin geht. Nach einem Vorstellungsgespräch wird Brigitte Rohr eingestellt: «Sie haben mir vertraut. Am Anfang hatte ich etwas Angst (lacht). Aber ich habe es gepackt! Als ich anfing, hatte es einen einzigen Computer: meinen! Ich habe ein ausserordentliches Unternehmen angetroffen. Die Leute sind mit Leidenschaft dabei, was in der Privatwirtschaft selten ist.» In den 22 Jahren bei der CGN hat sie nicht weniger als vier Direktoren kommen und gehen sehen.

Von Zola zum SEV

Letzten April wurde sie in den Vorstand der Sektion VPT CGN – Lac Léman gewählt, als Vertreterin des nicht-fahrenden Personals: «Ich freue mich. Der GAV ist fällig. Es wird einen grossen Kampf geben. Erstmals sind wir zwei Frauen im fünfköpfigen Vorstand.» Ist es als Direktionssekretärin einfach, sich so stark gewerkschaftlich zu betätigen? «Manchmal mache ich die Faust im Sack (lacht), aber ich habe tatsächlich gut gelernt, damit umzugehen. Denn letztlich haben mir sowohl die Direktion als auch die Gewerkschaft ihr Vertrauen geschenkt.»

Sie orientiert sich schon seit langem nach links. In der Jugend war Zola ihr Lieblingsschriftsteller. Als bei der CGN der erste Direktor, mit eher patriarchalischen Vorstellungen, nach wenigen Monaten wegging, trat sie 1999 dem SEV bei. Seit 14 Jahren führt sie bereits die Gruppe des nicht-fahrenden Personals der Sektion. Mit etwas Vorlauf, zumal sie erst in 19 Monaten pensioniert wird, übernahm sie im April auch das Präsidium der CGN-Rentnervereinigung im SEV. Als erste Frau seit 50 Jahren. Neben der Gewerkschaft hat sie sich auch politisch in der SP engagiert.

SP, 14. Juni und Madagaskar

Seit 36 Jahren lebt sie in Renens, und dort war sie auch von 2006 bis 2016 Mitglied des Gemeinderats: «Begeisternde Jahre!» Und der Frauenstreik am Tag, wenn dieses Porträt erscheint? «Selbstverständlich ist das wichtig! Ich war schon 1991 dabei. Jetzt werde ich in Lausanne an der Kundgebung teilnehmen. Viele Jahre war ich Mitglied der Frauenkommission des SEV. Man muss gegen das Patriarchat kämpfen!»

Ihre soziale Ader hat sie zu zahlreichen Engagements geführt. Seit 12 Jahren ist sie als Kassierin im Vorstand von AVIVO Renens. Mit der Zeit hat sie auch zunehmend eine Liebe für die Insel Madagaskar entwickelt, dank einer früheren Mitarbeiterin der CGN, die seit der Pensionierung dort lebt: «Zusammen mit Freunden vor Ort kümmere ich mich um eine kleine Schule. Ich bin Sponsorin. Es ist ein Elend dort. Wir schicken Geld, wir bringen Schulmaterial. Ich habe Sehnsucht, wieder dorthin zu reisen!»

Beim Abschied frage ich sie nach dem Anhänger, den sie um den Hals trägt. «Das ist reine Dekoration», sagt sie zuerst, bevor sie ergänzt dass das Motiv mit einer Welle eine Anspielung auf den Genfersee ist. Ihre künstlerische Ader ist immer noch da, wie ihr soziales Empfinden, das sie seit der Lektüre von Zola begleitet.

Yves Sancey/Übers. Peter Moor

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