«Wir brauchen die Gewerkschaft!»
Die VPT-Tagung der Branche Bus-Gatu fand am 23. Februar in Olten statt. Zum ersten Mal waren die Kolleg/innen aus der Romandie und dem Tessin in Überzahl – VPT-Vizepräsident Ueli Müller freuts. Doch trotz Sprachunterschied geht es um Solidarität und Zusammenarbeit aller Beschäftigten in der Branche.
Die Branche Bus ist vom Trend zu Marktöffnung und Liberalisierung direkt betroffen. Einerseits, weil viele Busbetriebe private Unternehmen sind, andererseits auch, weil die Fernbusse in der Schweiz auf dem Vormarsch sind. An der diesjährigen Tagung der Branche Bus-Gatu liefert deshalb SEV-Vizepräsidentin Barbara Spalinger zunächst einige Hintergrundinformationen zum Fernbus-Unternehmen Flixbus: «Flixbus besitzt kein einziges eigenes Fahrzeug. Das Risiko wird anderen Unternehmungen überlassen, die für Flixbus fahren – Flixbus selbst bietet nur die Plattform.» Arbeitsbedingungen sowie Unterhalt der Fahrzeuge bleiben auf der Strecke, und mit ihnen die Sicherheit. Dennoch zeigt das Bundesamt für Verkehr (BAV) Interesse daran, Fernbus-Unternehmungen in der Schweiz Konzessionen für den Fernverkehr zu erteilen. Spalinger und mit ihr der SEV haben dazu eine klare Haltung: «Wir sagen Nein, und wenn, dann nur zu anständigen Bedingungen.» Dabei stellt sich die Frage nach der Branchenüblichkeit, wozu Spalinger eine gewagte, aber legitime These aufstellt: «Bisher betreibt in der Schweiz nur die SBB Fernverkehr, also soll sie als Massstab für die Branchenüblichkeit gelten.»
Verantwortungsloses Prinzip
Auch Giorgio Tuti warnt vor solchen Geschäftsmodellen. Das Taxiunternehmen Uber funktioniert nämlich genau gleich wie Flixbus: Auch Uber bietet lediglich die Plattform – um den Rest müssen sich die Fahrer/innen selbst kümmern. «Uber hält Gesetze wie das Arbeitsgesetz und die Verkehrszulassungsverordnung nicht ein und zahlt keine Sozialversicherungsbeiträge. Das ist illegal!», stellt Tuti klar. Trotzdem will die SBB Uber in ihre neue Smartphone-Applikation integrieren, obwohl sich ihr CEO Andreas Meyer nach einem offenen Brief von Giorgio Tuti und Vania Alleva, Präsidentin der Unia, davon distanziert hatte. «Es geht nicht, dass eine Unternehmung wie die SBB, die zu 100 Prozent dem Bund gehört, einen solchen Anbieter in seine App aufnimmt.» Deshalb kommt an der Branchentagung Bus-Gatu eine Resolution gegen Uber zur Abstimmung. Diese wird einstimmig verabschiedet.
Wertvolle Gewerkschaft
Nach den Plädoyers von Spalinger und Tuti ergreift Ueli Müller das Wort, der Vizepräsident des Unterverbands VPT. «Wenn wir keine Gewerkschaft hätten, dann würden die Unternehmen Reglement um Reglement schreiben, und wir könnten nicht einen Buchstaben darin verändern», sagt er. Der SEV hat seit 2001 mit der SBB einen Gesamtarbeitsvertrag. Seither sind schweizweit im öV über 70 weitere GAV abgeschlossen worden. Dazu sagt Müller: «Nur dank des im GAV vereinbarten Mitspracherechts können wir Mitarbeitenden unsere Arbeitsbedingungen auf Diskussionsbasis mitbestimmen, ohne zu anderen Mitteln greifen zu müssen. Die Gewerkschaften haben damit die demokratischen Werte in die Unternehmungen gebracht.» Viele Kolleg/innen seien sich dieser Errungenschaft gar nicht bewusst und wüssten sie deshalb nicht zu schätzen.
Müller betont den Wert der Gewerkschaft im Zusammenhang mit der Mitgliederwerbung: «Auch die Betriebschefs reden miteinander», erklärt er. Es sei essenziell, dass die Arbeitnehmer/innen über ihren eigenen Zaun hinaus auf andere Unternehmen schauen. Nur so sieht man, wenn die Dinge dort vielleicht besser geregelt sind, und man kann sich in der eigenen Unternehmung wehren, anstatt einfach alles hinzunehmen. «Wir haben diese Möglichkeit nur über die Gewerkschaft. Es ist so wichtig, dass wir mitreden können. Sonst sind wir verloren. Wir brauchen die Gewerkschaft!», schliesst Müller.
Wahlen für den Zentralvorstand
Die Branche Bus-Gatu ist im Unterverband VPT organisiert. Dort ist sie mit drei Kolleg/innen im Zentralvorstand (ZV) vertreten. Dafür muss ein Ersatzmitglied gewählt werden: Kurzfristig entscheidet sich das bisherige ZV-Mitglied René Taglang, sich als Ersatzmitglied zur Verfügung zu stellen. Taglang ist aufgrund seiner Entlassung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bei einem Busunternehmen tätig, möchte sich aber weiterhin in der Branche engagieren. An seiner Stelle wird Elisabeth Küng für die Wahl in den Zentralvorstand vorgeschlagen. Sie war ursprünglich als Ersatzmitglied vorgesehen. Dieser Vorschlag wird einstimmig angenommen. Küng fährt seit über zwölf Jahren bei den Thuner Verkehrsbetrieben STI und engagiert sich gewerkschaftlich in der Branche Bus-Gatu sowie im Vorstand der Frauenkommission.
Ort und Datum der nächsten Branchentagung Bus-Gatu stehen bereits fest: Sie findet am 27. Februar 2018 im Hotel Olten statt.
Karin Taglang
Resolution: SBB muss sich von illegalen Uber-Praktiken distanzieren
Die Branchenversammlung Bus, die sich am 23. Februar 2017 in Olten versammelt hat, nimmt mit Konsternation zur Kenntnis, dass die SBB beabsichtigt, die Firma Uber in ihre Mobilitäts-Applikation zu integrieren.
Uber ist eine Unternehmung, die illegale Praktiken betreibt: sie missachtet unter anderem das Arbeitsgesetz, die Arbeits- und Ruhezeitenverordnung, die Sozialversicherungsgesetzgebung und die Verkehrszulassungsverordnung. Das ist unfair gegenüber ihren Mitarbeitenden, gegenüber anderen Beförderern und auch für die Kunden ein Risiko.
Die Anwesenden finden es skandalös, dass eine Unternehmung, die der schweizerischen Eidgenossenschaft gehört, und somit dem Schweizer Volk, eine Kooperation mit einer derartigen Firma überhaupt ins Auge fasst, und fordert die SBB auf, diese Kooperation sofort zu beenden!