Hauptziele der Initiative sind Post und Swisscom
Kontraproduktiv und gefährlich
Auf den ersten Blick erscheint es paradox. Im Land des Service public suchen die Initianten vergeblich nach Verbündeten für die Initiative «Pro Service public». Verbände und Parteien sprechen sich gegen die Initiative aus.
Fragt man die Verantwortlichen für Swisscom und Post, weshalb die Gewerkschaft Syndicom sich gegen die Initiative ausspricht, bekommt man eine klare Antwort. Sowohl Daniel Münger (Post) als auch Giorgio Pardini (Swisscom) kommen zum Schluss, dass die Initiative ihr Ziel verfehlt. Eine Annahme birgt die Gefahr, dass die profitablen Unternehmensteile privatisiert würden.
Mehr als nur Grundversorgung
Zwei Bestimmungen des Initiativtexts sind für diese Einschätzung verantwortlich. Einerseits die verlangte genaue Abgrenzung der Grundversorgung von den anderen Leistungen und andererseits das propagierte Gewinnverbot in der Grundversorgung.
Zuerst ist zu verstehen, dass Grundversorgung und Service public nicht gleichgesetzt werden können. Während die Grundversorgung eng gefasst wird, beinhaltet der Service public weit mehr.
So bei der Post: Zur Grundversorgung gehören da das verbleibende Briefmonopol, der Zahlungsverkehr und das Poststellennetz. Nimmt man die gesetzlichen Bestimmungen der Grundversorgung zum Massstab, dann erfüllt die Post ihren gesetzlichen Auftrag knapp. Syndicom verlangt von der Post als Unternehmen des Service public aber mehr: einen guten Service und eine Verantwortung als Arbeitgeber. Die Initiative hilft in dieser politischen Diskussion keinen Schritt weiter. Stattdessen setzt sie auf die gesetzliche Abgrenzung der Grundversorgung durch ein bürgerlich dominiertes Parlament. Damit riskiert sie eine noch enger gefasste Grundversorgung und einen Abbau des Service public insgesamt.
Dasselbe trifft auf die Swisscom zu. Die Grundversorgung deckt die Swisscom ohne Weiteres ab. Darüber hinaus investiert sie aber stetig in die Modernisierung des Netzes und der Dienstleistungen auf diesen Netzen und ist damit Innovationstreiberin. Auch hier fordert Syndicom von Swisscom weit mehr als die reine Grundversorgung. Dazu gehört zum Beispiel ein freier und erschwinglicher Zugang zu den neuen Technologien und Standards.
Aufsplitterung droht
Die Frage nach dem Quersubventionierungsverbot wird sehr kontrovers diskutiert. Ob die Initiative Quersubventionierung weiterhin ermöglichen wird, ist juristisch umstritten und deshalb nicht abschliessend zu beantworten. Klar ist: Sollte die Quersubventionierung nicht mehr möglich sein, würde der Service public insbesondere in den Randregionen infrage gestellt. Die Initianten nehmen dieses Risiko in Kauf.
Aus Sicht von Swisscom und Post ist ein weiteres Szenario noch gefährlicher. Das explizite Gewinnverbot gepaart mit der Frage der Grundversorgung ist ein gefährlicher Mix. Schon heute haben es die bürgerlichen Kräfte auf die Gewinne der Post und Swisscom abgesehen. Für Giorgio Pardini ist dabei klar: «Die Privatisierer sind weniger an der Grundversorgung, also der Infrastruktur interessiert, als vielmehr an den profitablen Produkten und Dienstleistungen, die die Swisscom anbietet.» Die Folge des Gewinnverbots wäre wohl unweigerlich eine Aufsplitterung der Swisscom in einen kleineren Teil der Grundversorgung mit Gewinnverbot und einen grösseren, profitableren Teil mit hohen Gewinnen für die privaten Aktionäre.
Daniel Münger und Giorgio Pardini gehen bei Annahme der Initiative von einem Leistungsabbau in der Grundversorgung aus. Bei Swisscom müssten Einbussen beim Ausbau des Netzes hingenommen oder die Preise in der Grundversorgung erhöht werden.
Bei der Post wären die Auswirkungen noch schlimmer. Werden hier die profitablen Unternehmensteile privatisiert, werden die Poststellen in noch schnellerem Tempo aufgehoben und der Service schneller abgebaut. Das wollen die Initianten zwar nicht, aber sie gehen auch hier das Risiko ein.
Nina Scheu, Syndicom
Dore Heim: «Die Initiative ist eine Mogelpackung»
Dore Heim ist geschäftsführende Sekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes und betreut das Dossier Infrastrukturpolitik. Zur Initiative «Pro Service public» hat sie eine klare Meinung.
kontakt.sev: Macht der Bund Gewinn mit seinen Dienstleistungsbetrieben?
Dore Heim: Ja, Post, SBB und Swisscom haben den ausdrücklichen Auftrag des Bundesrats, Gewinn zu erwirtschaften. Und es gibt tatsächlich einige Bereiche der Grundversorgung, die äusserst lukrativ sind, so zum Beispiel der Personenfernverkehr der SBB oder der Zahlungsverkehr der Postfinance. Ob dieser Auftrag des Gewinnstrebens nach Annahme der Initiative noch legitim wäre, ist höchst fraglich. Im Fall der SBB, die 2015 131 Mio. Fr. mit dem Personenverkehr erwirtschaftet hat, hiesse das dann, dass der Bund entsprechend mehr Geld ein schiessen müsste, um die hohen Kosten der Schieneninfrastruktur zu finanzieren.
Wie steht es bei der Post?
Heute haben wir bei der Post eine wechselseitige Querfinanzierung: Der Bund finanziert den Betrieb von Postauto jährlich mit rund 200 Mio. Fr. und subventioniert mit 50 Mio. Fr. den Zeitungsversand der Post. Handkehrum sind im letzten Jahr aus dem Unternehmensgewinn der Post 200 Mio. Franken in die Bundeskasse geflossen. Im Falle der Annahme der Initiative würde die Post nur noch kosten, aber keinen Ertrag mehr einbringen. Wie schnell käme da der Ruf der bürgerlichen Mehrheit, die Grundversorgung mit postalischen Dienstleistungen einzugrenzen?
Und die Swisscom?
Die Swisscom ist eine private Aktiengesellschaft mit vielen Kleinaktionären. Die Initiative würde nicht mehr zulassen, dass Dividenden ausgeschüttet würden. Der Bund müsste alle Kleinaktionäre auszahlen, was er finanziell gar nicht stemmen kann. Also zieht er sich zurück und über lässt die Aktienmehrheit Privaten. Damit wäre die Swisscorn dann voll privatisiert und die öffentli che Hand hätte keinen Einfluss mehr auf die Geschäfts- und Personalpolitik.
Was geschieht, wenn die Initiative angenommen wird?
Durch Swisscom und Post erhält der Bund jährlich im Durchschnitt rund 600 Mio. Franken Einnahmen. Die Initianten behaupten, damit würden die Armeeausgaben subventioniert und sie wollen das mit der Initiative verhindern. Das ist reine Polemik. Gespart wird nicht bei der Armee – das aktuelle Sparprogramm zeigt es –, gespart wird bei Bildung und Forschung, beim Bundespersonal, bei der Entwicklungszusammenarbeit, beim öffentlichen Verkehr und bei den Sozialversicherungen.
Was wäre die Folge für SBB oder die Post?
Wir rechnen damit, dass die Initiative zu einer Aufspaltung der Unternehmen führen würde: Die profitablen Bereiche würden privatisiert, die defizitären bleiben beim Staat. Eine miese Perspektive für die Mitarbeitenden, die heute durch einen guten GAV geschützt sind!
Dein Fazit?
Die Initiative ist eine Mogelpackung. Sie würde zu Stellenabbau, verschlechterten Arbeitsbedingungen und einer Einschränkung der Grundversorgung führen.