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Danilo Tonina

Voller Einsatz für Cargo und Gerechtigkeit

Der neue Kongresspräsident ist Spezialist RCP (Regionale Cargo-Produktion) und Lokführer C (LCC, ehemals Rangierlokführer). kontakt.sev hat ihn besucht.

Danilo Tonina

Schaffhausen, 11.50 Uhr: Im Bahnhof hält ein Güterzug mit einer Diesellok Am 843, geführt von Danilo Tonina. Er übergibt die Lok an LCC Robert Berger, der die Mitteltour antritt. Für Danilo Tonina ist Feierabend. Seit 4 Uhr hat er mit einem Kollegen einen Teil der 40 Wagen, die frühmorgens aus dem Rangierbahnhof Limmattal eingetroffen waren, an Kunden in der Region verteilt – bis Kreuzlingen Hafen, 40 km weiter östlich. Beim Dienstgebäude steigt er aus, zieht sich um und fährt nach Hause, wo das Mittagessen wartet, liebevoll zubereitet von Ehefrau Anita.

Personalabbau, Multifunktionalität und Flexibilität

Beim Kaffee kommen wir auf die Veränderungen im Rangierberuf in den letzten Jahren zu sprechen. «Früher waren wir mehr Leute in der Rangiergruppe und hatten mehr Austausch untereinander, mehr Freundschaften», sagt Danilo Tonina. Heute arbeitet er meist nur mit einem Kollegen zusammen, oft sogar allein. Der einzelne Rangierer nimmt mehr Funktionen wahr als früher. Das jetzige Berufsbild «Spezialist RCP» umfasst neben dem Rangieren auch das Zugaufgeben (Aufnahme und Weiterleitung von Zugdaten) und die Annahme- und Sichtkontrolle (ASK). Hinzu kommen fakultativ die Module LCC und Wagenmanagement. Für beide hat Danilo Tonina die Prüfungen gemacht und ist somit als Ablöser für jede Tour im Team einsetzbar.

«Ich habe ein sehr abwechslungsreiches Berufsleben», sagt er, «doch was für die einen interessant ist, muss nicht für alle gut sein!» Der Arbeitgeber dürfe Zusatzmodule nicht von jedem erwarten und müsse Allrounder angemessen entlöhnen – allein schon deshalb, weil sich diese auf mehr Gebieten à jour halten müssen.

«Wird von euch heute mehr Flexibilität erwartet?» Flexibel zu sein habe schon immer zum Rangierberuf gehört, antwortet Danilo Tonina. Also beispielsweise bei einer Zugverspätung oder beim Zuckerrübenverlad länger zu arbeiten. Oder kurzfristig andere Dienste zu leisten wegen einer Baustelle. Oder sonst spezielle Kundenwünsche zu erfüllen.

Zur Person

Danilo Tonina (44) trat vor 28 Jahren in die SBB ein. Nach der Betriebslehre in Schaffhausen arbeitete er mehrere Jahre auf dem (inzwischen geschlossenen) Rangierbahnhof Winterthur. Zurück in Schaffhausen stieg er zum Rangiergruppenführer und Rangiermeister auf und machte 1999 die Rangierlokführerprüfung. Seit Anfang Jahr ist er Vizepräsident der Personalkommission Cargo Region Ost, der er zuvor schon mehrere Jahre angehört hatte. In der SEV-RPV-Sektion Winterthur-Schaffhausen übernahm er 2007 das Präsidium und im Unterverband RPV 2008 das Vizepräsidium. Letztes Jahr ernannte ihn der Verbandsvorstand SEV zum Vizekongresspräsidenten, nachdem Jean-Claude Compagnoni von diesem Amt zurückgetreten war. Nun hat der Kongress Danilo Tonina zum Präsidenten gewählt. Ist er enttäuscht darüber, dass seine Amtszeit wegen der Strukturreform schon Ende Jahr auslaufen wird? «Überhaupt nicht! Die Wahl war für mich ein ganz besonderer Moment. Ich bin sehr stolz auf diesen Vertrauensbeweis der Kolleg/innen.» Er wohnt mit seiner (zweiten) Frau Anita in Schaffhausen und hat vier Kinder im Alter von 16 bis 19 Jahren. Die Familie ist für ihn enorm wichtig, um sich zu erholen und entspannen.

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Verpendelung, Fokus und Wirtschaftskrise

Trotzdem oder gerade deswegen arbeitet Danilo gerne bei SBB Cargo: «Ich fühlte mich im Güterverkehr schon immer zu Hause!» Daher hatte er kein Problem mit dem Wechsel des Rangierteams Schaffhausen vom Personenverkehr (P) zu Cargo Anfang 2002. Der Grund dafür war der Rückgang der P-Leistungen mit der Verpendelung der Personenzüge. Heute arbeitet das Team nur noch zu 10 bis 15% für P und umfasst zurzeit noch 14 Leute.

leich mehrere Teamkollegen haben vor vier Jahren ihre Stelle verloren, als mit «Fokus» Zustellpunkte gestrichen wurden. Seither werden die Kunden in drei Wellen bedient: Grosse weiterhin frühmorgens, Kleinere Mitte Morgen und die Übrigen am Nachmittag. «Etliche sind deshalb auf die Strasse umgestiegen, obwohl sie mit unserer Leistung sonst sehr zufrieden waren.» Klar, auch die Bahn muss kostenbewusst arbeiten, «doch dieser Kahlschlag war zu radikal!»

Danilo Tonina hofft, dass die Cargo-Spitze aus «Fokus» gelernt hat. Ihre bisherigen Reaktionen auf die Wirtschaftskrise stimmen ihn zuversichtlich: Statt Leute zu entlassen, die bei einem Aufschwung wieder gebraucht werden, hat Cargo bisher nur einen Einstellungsstopp verfügt, aber keinen Ausbildungsstopp. Und Teams, die nicht ausgelastet sind, sollen andernorts Personallücken schliessen. Für Danilo Tonina ist klar: «Der weitere Arbeitsweg oder auswärtiges Essen muss den Betroffenen vergütet werden!»

«Nicht bei den Kleinen sparen!»

Generell dürfe der Arbeitgeber nicht bei den «Kleinen» sparen mit dem Argument «Wir haben kein Geld!», während weiter oben in der Hierarchie beispielsweise Mehrarbeit durchaus grosszügig abgegolten werde, so Danilo Tonina weiter. Das gebiete die soziale Gerechtigkeit, die ihm sehr am Herzen liegt. Daher möchte er, dass im GAV die Zulagen wieder klar geregelt werden, beispielsweise auch jene für die Übernahme von Funktionen mit höheren Anforderungen. Heute heisst es im GAV Cargo dazu nur, dass in solchen Fällen «Prämien oder Belohnungen ausgerichtet werden können» (Ziffer 106). In der Praxis ist dies aber kaum je geschehen. «Ich finde es nicht gut, wenn der einzelne Arbeiter Zulagen aushandeln muss und dafür ein schlechtes Gewissen haben soll!» Weitere Anliegen der Rangierer seien die Möglichkeit der Pensionierung ab 60 Jahren ohne finanzielle Nachteile und attraktivere Fahrvergünstigungen (FVP).

Markus Fischer