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Der gleiche Schaden und verschiedene Systeme
Medienberichte zeigen immer mal wieder auf, dass IV-Rentner/innen doch noch ganz rüstig sind, aber angeblich keiner Arbeit nachgehen können. Andere wiederum scheinen kaum noch fähig zu sein, sich zu bewegen, und bekommen trotzdem nichts. Das ist doch ungerecht, und Betrug ist im Spiel? Längst nicht immer, denn oft lassen sich solche Situationen und Differenzen mit den unterschiedlichen Systemen der verschiedenen Versicherungen erklären. Ein Beispiel:
Max ist 56 Jahre alt und gelernter Handwerker. Lange Jahre hat er bei Wind und Wetter draussen auf Montage gearbeitet, bis zu seinem Unfall vor ein paar Jahren. Die Schulter musste mehrfach operiert werden, im linken Knie wurde wegen Arthrosebeschwerden eine Prothese eingesetzt, und nach verschiedenen Bandscheibenvorfällen hat er nun drei versteifte Wirbel im Rücken. Hier waren verschiedene Versicherungen beteiligt:
Die Suva hat sämtliche Unfall- und Heilungskosten in Bezug auf die Schulterproblematik übernommen. Sie hat festgestellt, dass Max mit dieser Schulter nicht mehr in seiner schweren körperlichen Arbeit eingesetzt werden kann. Leichte Arbeit ohne Überkopfarbeiten wäre noch möglich. Die Suva macht eine Rentenberechnung und spricht eine Rente von 30 Prozent. Die Suva befasst sich ausschliesslich mit dem Unfall.
Die Taggeldversicherung, die der Arbeitgeber für seine Angestellten abschliessen muss, wird leistungspflichtig für die Knie- und Rückenbeschwerden. Sie bezahlt so lange Taggelder (80 Prozent vom Lohn), wie Max nicht arbeiten kann. Da der Arzt zum Schluss kommt, dass Max aus medizinischer Sicht eine andere Arbeit machen sollte und ihn für seine Arbeit dauernd arbeitsunfähig schreibt, stellt die Taggeldversicherung nach 720 Tagen ihre Leistungen ein, da dies die maximale Zahl der Taggelder ist, die eine Taggeldversicherung ausbezahlt. Die Taggeldversicherung versichert ausschliesslich den Lohnausfall während der Arbeitsunfähigkeit. Rentenleistungen gibt es keine.
Die Invalidenversicherungmuss sämtliche Beschwerden anschauen und aufgrund dieses Gesamtbildes entscheiden, ob eine Leistung ausgesprochen werden muss. Dabei geht es nicht nur um Renten, sondern vor allem um berufliche Massnahmen wie Umschulung, Hilfsmittel oder Zuschüsse an den Arbeitgeber während einer Einarbeitungszeit. Wie die Suva kommt die IV zum Schluss, dass Max in einer schweren körperlichen Tätigkeit wegen der Schulter, aber auch wegen des Rückens und des Knies nicht mehr arbeiten kann. In einer leichten Bürotätigkeit wäre Max zu 100 Prozent arbeitsfähig. Eine kaufmännische Ausbildung würde aber den Kostenrahmen sprengen. Max darf einen Computerkurs besuchen und bewirbt sich dann munter auf Hilfsbürostellen. Er findet aber nichts. Die IV prüft nun die Rente und kommt zum Schluss, dass Max einen Anspruch auf eine Dreiviertelrente hat.
Die Pensionskasse muss auch Leistungen erbringen, da Max nun eine Rente der Suva und eine Rente der IV hat. Die PK versichert nicht nur die Altersrente, sondern auch Leistungen im Falle einer Invalidität.
Die Renten der Suva und der IV berechnen sich aufgrund des Lohnes vor der Gesundheitsproblematik und des Lohns, den man noch verdienen könnte mit den gesundheitlichen Problemen. Bei Max ist der Unterschied relativ hoch. Wäre er KV-Angestellter, erhielte er mit den gleichen Beschwerden keine IV-Rente, da er für die kaufmännische Tätigkeit immer noch arbeitsfähig wäre. Von der Suva hätte er wohl nur eine Integritätsentschädigung bekommen, da die Schulter nicht mehr voll belastbar ist. Und so führen gleiche Gesundheitsschäden zu ganz unterschiedlichen Resultaten.
Rechtsschutzteam SEV