Ein Lokpersonal-Teamleiter einer Bahnunternehmung, dem die Vorgesetzten ihr Vertrauen und seine Cheffunktion entzogen, musste für seine Weiteranstellung als Lokführer kämpfen.

Als Chef das Vertrauen verloren

Die Rolle der «kleinen» Chefs im Sandwich zwischen der «Basis» und den höheren Chefs ist nicht einfach. Richtig gefährlich aber wird es für sie, wenn sie die Erwartungen ihrer Vorgesetzten nicht erfüllen: Dann droht ihnen neben dem Verlust der Cheffunktion gar die Entlassung – und in einem Monopolberuf damit eine schwierige berufliche Neuorientierung.

Der Teamleiter– nennen wir ihn Hans – wird ein paar Tage nach seinen Ferien vom Chef seines Chefs überraschend ins Büro zitiert. Dort eröffnen ihm seine beiden Vorgesetzten ohne lange Vorrede, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr infrage komme. Er müsse eine neue Stelle suchen. Dies deshalb, weil er eine (angeblich) brisante Information nicht an sie weitergegeben habe.
Was ist passiert? Hans hat vor seinen Ferien einen Mitarbeiter gebeten, zu einer Kundenreaktion Stellung zu nehmen, worauf dieser seine Sicht der Dinge nicht nur an Hans’ Stellvertreter mailte, sondern ungefragt auch an den Direktor, da der Kundenbrief an diesen adressiert war. Hans erklärt, dass er erst nach den Ferien vom unglücklichen Mail an den obersten Chef erfuhr und zu diesem späten Zeitpunkt von der Information seiner Chefs absah, zumal kein definierter Prozess eine solche vorsieht. Die Chefs interessiert Hans’ Meinung wenig: Nach kaum zehn Minuten wird er aus dem Büro entlassen.

Vertrauensentzug

Fünf Tage später spricht der direkte Chef mit Hans über seine Funktionsenthebung. Er wirft Hans vor, ihn schon mehrmals erst auf Nachfrage über heikle Führungsgeschäfte informiert zu haben. Hans unterstütze die Leitung zu wenig bei der «Gestaltung» (was wohl vor allem heisst, dass Hans den Mitarbeitenden zu nahe stehe), und es sei bei ihm kein Wille zur Weiterentwicklung festzustellen. Hans habe daher das Vertrauen seiner Vorgesetzten verloren. Folglich müsse er seine Funktion in zwei Monaten abgeben und innerhalb wie auch ausserhalb des Unternehmens aktiv eine neue Aufgabe suchen. Die betroffenen Kollegen und Mitarbeitenden könne er in den nächsten Tagen selber informieren. Für Hans kam die Funktionsenthebung umso überraschender, als nur einen Monat zuvor seine letzte Leistungsbeurteilung allgemein wie auch hinsichtlich der Mitarbeiterführung überdurchschnittlich gut ausgefallen war.

Einige Tage später erhält Hans eine Gesprächsnotiz zum Unterschreiben. Er tut dies aber nicht, weil er die darin formulierten Vorwürfe zu wenig konkret findet und damit nicht einverstanden ist. Aus seiner Sicht hat er sich kein gröberes Fehlverhalten vorzuwerfen. Er bittet daher den SEV um Rechtsschutz und Begleitung zum nächsten Gespräch.

Irreguläres Vorgehen

Beim folgenden Gespräch von Hans mit seinem Chef und einem Vertreter des Personaldienstes hält der SEV-Beistand fest, dass Hans die Vorwürfe bestreitet und dass diese, selbst wenn sie stimmen würden, die Funktionsenthebung und die (versteckte) Kündigung nicht rechtfertigen würden. Das Vorgehen gegenüber Hans entspreche nämlich nicht dem GAV, der vor einer Kündigung wegen ungenügender Leistungen oder mangelhaften Verhaltens eine schriftliche Mahnung mit Hinweis auf eine mögliche Kündigung verlangt. Laut GAV müssten vorher Ziele gesetzt und eine angemessene Frist zur Verbesserung gewährt werden.

Teamleiterfunktion freiwillig aufgegeben

Bei dem Gespräch lässt Hans aber auch verlauten, dass er aufgrund des zerrütteten Verhältnisses zu den Chefs bereit sei, seine Vorgesetztenfunktion abzugeben und wieder als Lokführer zu arbeiten. Doch die Arbeitgeberseite antwortet, sie könne Hans zum aktuellen Zeitpunkt nur eine auf sechs Monate befristete Lokführerstelle anbieten. Er müsse sich folglich beruflich neu orientieren.

«Angebot» abgelehnt

Dieses «Angebot» weist der SEV-Beistand als inakzeptabel zurück. Schriftlich hält er fest, wie Hans die ihm vorgehaltenen Ereignisse sieht, dass er diese bestreitet, dass die Funktionsenthebung und die versteckte Kündigung nicht GAV-konform sind und dass ein Entgegenkommen der Unternehmung angebracht wäre.

Offizielle Kündigung

Bei einem weiteren Gespräch (zweieinhalb Monate nach der zehnminütigen ersten kalten Dusche) erklärt die Arbeitgeberseite, dass Hans seine Vorgesetztenstelle definitiv in dreieinhalb Monaten verliere. Eine unbefristete Lokführerstelle könne «aufgrund der Ressourcenentwicklung» noch nicht garantiert werden, doch habe Hans gute Chancen. Jedenfalls könne er zwei weitere Monate als Lokführer bleiben, falls er innert fünf Tagen eine Vereinbarung unterzeichne, in der er auf rechtliche Schritte verzichte.

Letztere Passage wird auf Antrag des SEV gestrichen und stattdessen festgehalten, dass es im Interesse beider Seiten liege, eine Einigung zu erlangen.

Akzeptable Lösung

Bei einem weiteren Gespräch wird Hans eine unbefristete Lokführerstelle angeboten. Diese nimmt er an, und der bisherige Lohn seiner Vorgesetztenfunktion wird ihm während zweier Jahre weiterbezahlt. Zur gleichen Lösung hätte man einvernehmlicher kommen können – ohne Kündigung.

Rechtsschutzteam SEV