Schienengüterverkehr
Abbau bei SBB Cargo: Vielmehr Apokalypse als «Genesis»
Achtzig Arbeitsplätze will SBB Cargo bis Ende 2025 streichen und Hunderte weitere bis 2030: Das ist das Projekt «G-enesis». Dagegen hat am 23. Februar eine SEV-Personalversammlung in Bellinzona einstimmig eine Resolution verabschiedet mit der Aufforderung an die Unternehmensleitung, ihre Schritte zu überdenken und weniger einschneidende Lösungen zu finden.

Der SEV hatte zu dieser Versammlung mit Flugblättern an den wichtigsten Arbeitsplätzen von SBB Cargo im Tessin aufgerufen, um mit den Mitgliedern eine Bestandesaufnahme des drastischen Abbaus vorzunehmen, den SBB Cargo in den kommenden Jahren, vor allem auch im Tessin, plant, und um den Betroffenen den Puls zu fühlen. Zudem sollten ihnen praktische Ratschläge gegeben werden, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie über den Verlust ihrer Stelle informiert werden. Auch gewerkschaftliche Forderungen an die Adresse der Cargo-Leitung sollten ausgearbeitet werden. Der Saal der Casa del Popolo in Bellinzona war an jenem Sonntagabend mit rund 60 Personen gut gefüllt.
Die Situation
SBB Cargo will bis Ende dieses Jahres schweizweit 80 Stellen abbauen. Das Unternehmen begründet dies mit dem Rückgang des Verkehrsaufkommens. Der SEV ist sehr besorgt, denn die Absichten von SBB Cargo gehen in Richtung einer noch drastischeren Reorganisation mit dem Projekt «G-enesis», der bis zum Jahr 2030 Hunderte von Stellen zum Opfer fallen sollen, und zwar bei der Produktion wie auch bei der Verwaltung. Die Tessiner Mitarbeitenden von SBB Cargo sind sich bewusst, dass die Abbauaxt auch auf das Tessin fallen wird, zumal DB Cargo ihren Transportvertrag mit SBB Cargo nicht erneuert hat und ihre 20 Züge pro Tag offenbar von Lokführern mit italienischen Löhnen fahren lassen will: ein Dumpingversuch auf Schweizer Schienen, den auch die Politik nicht ignorieren sollte.
«Die Tatsache, dass ihr heute Abend so zahlreich anwesend seid», sagte SEV-Präsident Matthias Hartwich an der Versammlung einleitend, «zeigt, wie gross die Besorgnis über den Abbau bei SBB Cargo ist. Der Schienengüterverkehr ist fast überall in Europa in der Krise, und viele Regierungen haben beschlossen, in diesem Bereich zu sparen, leider auch bei uns in der Schweiz.»
Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär und beim SEV zuständig für das Dossier SBB Cargo, erläuterte die Situation aus gewerkschaftlicher Sicht und bat die Anwesenden um ihre Sicht der Dinge vor Ort. «Die wirtschaftliche Lage ist im Moment schlecht, aber das rechtfertigt nicht den Abbau von fast einem Fünftel des Personals», warnte Hadorn. «Wir sind überzeugt, dass der konjunkturelle Abschwung auch anders aufgefangen werden kann, zum Beispiel durch Kurzarbeit. Zudem riskiert die SBB mit ‹G-enesis›, alle laufenden Bemühungen zur Verlagerung der Güter auf die Schiene unwiderruflich zu beschädigen.» Es folgte eine rege und lebhafte Diskussion, in der viele Punkte angesprochen wurden, die innerhalb des Unternehmens verbessert werden könnten. Die Botschaft an die Cargo-Leitung war klar: «Diese Reorganisation muss gestoppt werden, weil sie Arbeitsplätze abbaut und die Kunden verärgert und von der Bahn entfremdet», so Gewerkschaftssekretär Angelo Stroppini.
Die Resolution
Die intensive Diskussion mündete in einer von den anwesenden Mitarbeitenden einstimmig verabschiedeten Resolution, die «die kurzsichtige Unternehmenspolitik der Leitung von SBB Cargo» entschieden ablehnt, wie es darin heisst. Der geplante Personalabbau sei «ein unverzeihlicher strategischer Fehler, der die Zukunft des Unternehmens gefährdet». Denn: «SBB Cargo muss mit ihrem hochspezialisierten Personal für die Zeit gerüstet sein, wenn sich die Wirtschaft erholt und die Transportnachfrage steigt. Damit nicht das Personal die Fehler des Managements ausbaden muss, fordert die Versammlung deshalb die Leitung von SBB Cargo auf, die Gewerkschaft SEV in die Suche nach sozialverträglichen Lösungen zur Überwindung dieser schwierigen Phase einzubeziehen und dem Personal Sorge zu tragen, wie auch den Kunden, die an den Schienenverkehr geglaubt haben und immer noch glauben.»
Der SEV ruft seine Mitglieder auf, sich umgehend bei der Gewerkschaft zu melden, wenn sie über den Verlust ihres Arbeitsplatzes informiert werden.
Veronica Galster