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Schifffahrt Neuenburger- und Murtensee

Sturmwarnung bei der LNM

Das Personal bei der LNM, der Schifffahrtsgesellschaft auf dem Neuenburger- und Murtensee, ist müde, überarbeitet und am Ende. Die Flotte ist in schlechtem Zustand, die Finanzen tiefrot. Die Saison ist in Gefahr, die Führung umstritten. Trotz eines «Klimas der Angst», regt sich Solidarität.

Die äusserst teure Renovierung der «Fribourg» wird auf Eis gelegt.

«Ich fühle mich erschöpft, geistig und körperlich müde», sagt ein Kollege bei der SEV-Jahresversammlung am 27. März. Die Stimmung ist angespannt. Rund 15 der 18 gewerkschaftlich organisierten Kolleginnen und Kollegen nehmen teil – fast das gesamte Personal. «Ich habe die Nase voll. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich mich morgens frage, warum ich überhaupt noch aufstehe. Ich habe das Gefühl, dass ich meine Zeit damit verbringe, um Hilfe zu bitten, die nicht kommt. Warum?», fragt ein Kollege. Ein Dritter ergänzt: «Eigentlich liebe ich diese Arbeit mit einem Team von tollen Kolleginnen und Kollegen. Doch es gibt immer wieder Probleme mit der Geschäftsleitung. Wir werden nicht angehört. Sie haben kein Vertrauen in uns.»

SEV-Gewerkschaftssekretär Jean-Pierre Etique, der das Personal seit zehn Jahren vertritt, sagt: «Ich habe noch nie Personal in einem solchen Erschöpfungszustand und einer solchen Notlage gesehen.» Die Belastung sei enorm, die Mittel unzureichend. Nur drei von sieben Schiffen werden zur Saisoneröffnung über Ostern einsatzbereit sein, wie ein Mitarbeiter gegenüber dem Sender RTS bestätigt. Die «Winterkreuzfahrten» am 5. April wurden «aus betrieblichen Gründen» gestrichen. «Wenn einer von uns krank wird, wer wird ihn ersetzen? Wer wird die Fahrten übernehmen?», fragt ein Techniker besorgt in der Tageszeitung «ArcInfo».

Schon 2024 hatte der SEV auf Probleme hingewiesen – ohne grosse Wirkung. In einem Schreiben an den Verwaltungsrat beklagte die Gewerkschaft den technischen Zustand der Schiffe und forderte mehr Gehör für das Wartungspersonal. Auch ein Treffen am 12. März 2025 brachte laut Etique keine Lösungen: «Die Situation hat sich seit einem Jahr kaum verändert.» Die Absenzen sind gestiegen, ein Drittel des Personals fällt aktuell aus.

Die Lage hat sich seit dem Amtsantritt des neuen Direktors Peter Voets im Januar verschärft. Die umstrittene fristlose Kündigung eines leitenden Angestellten beschädigte das Vertrauen. Die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitenden forderten rasche Verbesserungen und drohten mit Kampfmassnahmen.

Nach einer Woche intensiver Diskussionen über das Unbehagen im Unternehmen – ausgelöst durch Enthüllungen von Mitarbeitenden und dem SEV, die eine breite mediale Resonanz fanden – versammelten sich die Verantwortlichen der Schifffahrtsgesellschaft am 9. April zu einer ausserordentlichen Generalversammlung. Neben der finanziellen Stabilisierung wurde der Wiederaufbau des Vertrauens zu den Mitarbeitenden als Priorität festgelegt. In einer Mitteilung am Folgetag kündigte die LNM an, drei neue Stellen zu schaffen, die Asbestsanierung von Schiffsteilen voran zu treiben und mit der Verwaltung in Räumlichkeiten umzuziehen, die einem zeitgemässeren Standard entsprechen.

Auf Forderung der überlasteten Mitarbeitenden und angesichts eines Jahresverlusts von 600 000 Franken im 2024 setzt die LNM Investitionen aus: Die kostspielige Renovierung der «Fribourg» wird gestoppt und das Projekt für das neue Elektroschiff LNM 500 neu geprüft.

«Es ist schrecklich, dass erst nach über einem Jahr vergeblicher Warnungen und gesundheitlicher Belastungen reagiert wird», sagt Jean-Pierre Etique. Viele Massnahmen bedeuteten lediglich, sich endlich an gesetzliche Vorgaben zu halten. Vertrauen lasse sich nicht verordnen, sondern müsse wachsen – insbesondere zum Verwaltungsratspräsidenten, der spät reagierte und in einen Interessenkonflikt um die Fribourg-Renovierung verstrickt sei. «Wichtig ist, dass dem Personal nun Respekt gezollt wird und dass es mitreden kann. Und dringend notwendig ist die Ausbildung von Nachwuchs.»

Yves Sancey
yves.sancey@sev-online.ch