SBB Fernverkehr
Bund gleicht Covid-Verluste teilweise aus
National- und Ständerat haben sich in der Herbstsession auf einen Kapitalzuschuss von 850 Millionen Franken an die SBB geeinigt – 300 Millionen weniger als vom Bundesrat beantragt. Damit werden die Verluste von 1,15 Milliarden, die die SBB in den Covid-Jahren 2020 bis 2022 durch die Aufrechterhaltung des Fernverkehrs erlitten hat, nur teilweise ausgeglichen.
Ursprünglich hatte die Finanzkommission des Ständerats mit einer Motion die Abfederung der Covid-Verluste im Fernverkehr gefordert, wie sie im bestellten Regionalverkehr bereits erfolgt war. Diesem Auftrag kam der Bundesrat mit seinem Antrag auf einen Kapitalzuschuss von 1,15 Milliarden nach. Am 11. Dezember 2023 stimmte der Nationalrat als Erstrat deutlich zu. Am 30. Mai 2024 lehnte der Ständerat zwar einen Antrag von rechts zur Kürzung auf 600 Millionen ab, doch es fehlte eine Stimme für das nötige qualifizierte Mehr von 24 Stimmen zur Aufhebung der Schuldenbremse für die 1,15 Milliarden. Am 9. September beharrte der Nationalrat nochmals knapp auf den 1,15 Milliarden. Doch am 11. September beschloss der Ständerat 850 Millionen. Die Präsidentin der ständerätlichen Verkehrskommission, Marianne Maret (Mitte/VS) begründete diesen «Kompromiss» damit, dass sich die SBB schneller von der Krise erholt habe, als erwartet worden sei, während die Finanzlage beim Bund kritischer werde. Und die 850 Millionen entsprächen den Deckungsbeiträgen, die der SBB-Fernverkehr in den Jahren 2020 bis 2022 an die Infrastrukturbetreiberin bezahlen musste. Diesem Kompromiss schloss sich der Nationalrat am 16. September diskussionslos an.
Kompromiss
«Im Kontext der aktuellen Sparhysterie in der Bundespolitik musste erwartet werden, dass das Parlament den Kapitalzuschuss kürzt», kommentiert Simon Burgunder, Koordinator Politik beim SEV. «Angesichts der diskutierten Varianten ist die Kürzung von 300 Millionen noch moderat. Die jetzige Lösung entspricht einem gut schweizerischen Kompromiss, doch bleibt damit die Verschuldung der SBB grösser.» 300 Millionen sind allerdings relativ wenig im Vergleich zu den gesamten Finanzverbindlichkeiten der SBB von 11,4 Milliarden gemäss Geschäftsbericht per 31. Dezember 2023.
Die vom Bundesrat beantragten 1,15 Milliarden waren Teil eines von Bundesverwaltung und SBB ausgehandelten, ausgewogenen Pakets verschiedener Massnahmen zur Sicherstellung der Finanzierung der SBB. Dazu gehören auch Sparmassnahmen der SBB. «Die SBB hat ein Sparprogramm von rund 4,4 Milliarden Franken geschnürt, um die finanzielle Situation bis 2030 zu stabilisieren. Davon ist auch das Personal betroffen», erklärt Simon Burgunder.
Sparmassnahmen belasten Personal bereits stark
«Während der Pandemie wurde der öffentliche Verkehr als systemrelevant bezeichnet. Das SBB-Personal hat dafür gesorgt, dass Mobilität weiterhin möglich und gewährleistet war. Dafür darf es nicht mit zusätzlichen Sparmassnahmen bestraft werden, nachdem es wegen der Covid-Verluste bereits Sparbeiträge leisten musste», ergänzt Burgunder. «Der Druck auf das Personal ist jetzt schon sehr gross, dieser Druck darf nicht aufgrund finanzpolitischer Entscheide noch grösser werden», hält SEV-Vizepräsident Patrick Kummer zusammenfassend fest.
Limite für Tresoreriedarlehen
National- und Ständerat einigten sich in der Herbstsession auch über eine Änderung im SBB-Gesetz zu den Bundesdarlehen an die SBB: Der Bundesrat hatte ursprünglich beantragt, dass die SBB vom Bund nur noch so genannte Tresoreriedarlehen erhalten soll, wenn ihre verzinslichen Schulden nicht grösser sind als beim letzten Jahresabschluss (2023). Ansonsten erhält sie vom Bund nur noch Haushaltdarlehen, die der Schuldenbremse unterstehen und vom Parlament beschlossen werden müssen. Dies lehnte der Nationalrat am 9. September noch ab, weil er befürchtete, dass mit dieser Regelung Darlehen auf Kosten anderer Bundesaufgaben gingen. Der Ständerat forderte als Kompromiss eine flexiblere Festlegung des Verschuldungsniveaus, bis zu dem Tresoreriedarlehen möglich sind: Der Bundesrat soll es in seinen strategischen Zielen festlegen. Dem stimmte der Nationalrat zu.
Der SEV erwartet nun vom Bundesrat, dass er die Schuldenlimite genügend hoch ansetzt, damit Bahnbetrieb und Infrastrukturunterhalt nicht auf Kosten anderer Bundesaufgaben finanziert werden müssen und so zum finanzpolitischen Spielball werden.
Markus Fischer