Auf den Spuren von …
Pascal Müller, Schiffsführer
Seit diesem Sommer ist Pascal Müller Schiffsführer bei der Schweizerischen Bodensee Schifffahrt AG SBS. Seit acht Jahren arbeitet er auf den Bodenseeschiffen. Angefangen hat er als Leichtmatrose. Er ist Präsident der SEV-VPT-Sektion Bodensee SBS.
1932 wurde die «Thurgau» gebaut, 1958 wurde sie renoviert. Sie ist eines der ältesten Schiffe, das noch auf dem Bodensee fährt. Auf dem dritten Deck, Steuerbord, also in Fahrtrichtung rechts, steht der Schiffsführer und manövriert das Schiff in den Hafen von Kreuzlingen. Auf beiden Seiten des Schiffes steht eine Steuerung, die mit der Steuerung auf der Brücke in der Mitte des Schiffes verbunden ist. Mit höchster Präzision sorgt der Schiffsführer dafür, dass das Schiff ruhig anlegen kann. Dann verlassen und besteigen die Passagiere das Schiff. Pascal Müller schaut von oben runter und verständigt sich mit dem Hafenmeister per Handzeichen. Zu laut dröhnt es unten im Maschinenraum, um sich akustisch zu verstehen. Gleichzeitig zählt der Schiffsführer die Anzahl Gäste und trägt sie anschliessend in ein Dokument ein.
«Das gehört auch zur Aufgabe des Kapitäns», schmunzelt Pascal Müller. «Wir müssen ganz viele Dinge gleichzeitig tun.» Auf der «Thurgau» gehören drei Personen zum Schiffspersonal. Neben dem Schiffsführer sind das der Maschinist, der gleichzeitig auch Ticketverkäufer ist, und die Matrosin, die das Schiff jeweils im Hafen festbindet und die Tickets kontrolliert. Zudem arbeiten noch zwei bis drei Leute beim Catering im Schiffsrestaurant.
Vom Matrosen zum Kapitän
Angefangen hat Pascal Müller als Leichtmatrose. «Du arbeitest dich vom Leichtmatrosen zum Matrosen und dann zum Maschinisten hoch. Zuerst putzt du Toiletten. Dann kontrollierst du die Tickets. Später überprüfst du die Maschinen. Und nach ein paar Jahren kannst du die Prüfung zum Schiffsführer machen.»
Gelernt hat Pascal Müller Baumaschinenmechaniker. Er arbeitete für einen grossen Baumaterialkonzern und setzte Betonmaschinen in der ganzen Schweiz instand. Eines Tages wurde es ihm zu langweilig und er heuerte auf dem Bodensee an. Zehn Minuten nach dem Bewerbungsgespräch konnte er gleich den Vertrag unterschreiben. Mechaniker sind bei den Schifffahrtsgesellschaften gefragt. Auf dem Bodensee wird im Winter ausser beim Fährdienst nur wenig gefahren. Das heisst, im Winter arbeitet Pascal Müller vor allem in der Werkstatt im Service. Dort sorgt er dafür, dass die zuweilen hochbetagten Schiffe im Sommer, in der Hochsaison, wieder fahrtüchtig sind. Auch im Sommer ist er in der Regel ein Tag pro Woche in der Werft statt auf dem See.
Die Arbeitstage im Sommer sind lang und Sommerferien hat Pascal Müller nur alle paar Jahre. «Du musst das schon richtig gern machen, denn auch der Lohn ist eher bescheiden», sagt er, «aber ich liebe meinen Job. Ich könnte mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.» Gerade deshalb, weil die Arbeit sehr streng ist, ist es wichtig, dass das Schiffspersonal gewerkschaftlich organisiert ist. «Seit viele Schifffahrtsgesellschaften, wie auch unsere, privatisiert wurden, ist es noch wichtiger geworden, in einer Gewerkschaft zu sein. Die Gewerkschaft ist eine wichtige Stütze; sie schützt unsere Rechte und vertritt uns wo nötig vor Gericht. Nicht jeder Patron hilft dir, wenn du ein Problem hast.»
Gute Löhne dank Fachkräftemangel
Die SBS hat keinen GAV. Jeder muss einzeln seinen Vertrag mit dem Unternehmen aushandeln. Trotzdem ist der Organisationsgrad bei der Gewerkschaft sehr hoch. Pascal Müller hat vor gut einem Jahr das Präsidium der Sektion übernommen. «Mir ist es wichtig, dass wir füreinander einstehen. Was beim Einsatz für gute Arbeitsbedingungen gilt, gilt auch im Arbeitsalltag. Unsere Arbeit funktioniert nur dann gut, wenn wir uns gegenseitig unterstützen.» Im Moment ist die Stimmung beim Personal gut. Die Arbeitszeiten in der Hochsaison sind zwar anstrengend, doch die Entlöhnung ist besser geworden. «Die Chefs haben gemerkt, dass es schwierig ist, gute Fachkräfte im Betrieb zu halten.»
Zur guten Stimmung trägt auch bei, dass das Personal einen sehr freundschaftlichen Umgang unter einander pflegt. «Ich sorge dafür, dass wir auch ausserhalb des Betriebs etwas zusammen unternehmen. Einmal pro Jahr lade ich alle Kolleginnen und Kollegen zum Grillplausch in meinen Garten ein.»
Die «Thurgau» bewegt sich sanft über den Bodensee. Sie hat einen Grossteil der Reisenden auf die Blumeninsel Mainau und in die historische Stadt Meersburg gebracht. Pascal Müller schaut durch den Feldstecher. Weitsichtig muss er sein, denn das Manövrieren eines Schiffes setzt eine gute Planung voraus. In letzter Sekunde einem Hindernis ausweichen geht nicht.
Schliesslich fährt er wieder den Hafen von Kreuzlingen an, wo die nächste Gästeschar sich darauf freut, mit dem Schiff über den Bodensee zu fahren. «Das ist denn auch das Schöne an unserem Beruf. Die Menschen fahren zum grössten Teil freiwillig mit uns. Das heisst, sie freuen sich auf die Reise und sind meistens sehr anständig zu uns.» Pascal Müller ist sichtlich glücklich in seinem Beruf und bereit dafür zu kämpfen, dass die Schiffsberufe auch weiterhin Traumberufe bleiben.
Michael Spahr