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Führerausweisentzüge

Schluss mit der doppelten Strafe für Berufsfahrer:innen bei leichten Verstössen

Am 30. Juni 2017 übergibt eine SEV-VPT-Delegation die Petition «Nein zur doppelten Strafe für Berufsfahrer:innen» an den damaligen Informationschef des Departements Uvek (mit Unterschriftenpaket).

Ab 1. April 2023 können Berufsfahrer:innen beim Ausweisentzug wegen leichter Widerhandlungen von einer Ausnahmeregelung profitieren, die ihnen während dem Ausweisentzug berufliche Fahrten ermöglicht. So werden für sie die beruflichen Auswirkungen des Ausweisentzugs gemildert und eine doppelte Bestrafung im Vergleich zu nichtberuflichen Fahrzeugführer:innen vermieden. Die entsprechende Verordnungsänderung setzt eine vom Parlament überwiesene Motion um, die vom SEV initiiert wurde. Den Anstoss dazu gab ein Kongressantrag des Buspersonals von 2015.

Die Verordnungsänderung hat der Bundesrat am 22. Juni beschlossen. Er setzt damit die Motion 17.3520 «Nein zur doppelten Strafe für Berufsfahrer und Berufsfahrerinnen!» um, die Nationalrätin und Gewerkschaftssekretärin Edith Graf-Litscher 2017 im Parlament eingereicht hat und die anschliessend von beiden Räten überwiesen wurde.

Konkret ändert Artikel 33 Absatz 5 E der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51). Das Bundesamt für Strassen hat in seiner Medienmitteilung vom 22. Juni einen Link auf «Erläuterungen» veröffentlicht, welche die neue Regelung wie folgt erklären:

«Um besondere Härtefälle im Berufsleben zu vermeiden, kann die kantonale Behörde den Ausweisinhaberinnen oder Ausweisinhabern Fahrten, die zu ihrer Berufsausübung notwendig sind, während der gesamten Dauer eines laufenden Lernfahr- oder Führerausweisentzugs bewilligen. Dazu legt sie die Einzelheiten der bewilligten Fahrten zur Berufsausübung in ihrer Entzugsverfügung genau fest. (…) Auch kann die Behörde entscheiden, ob sie die Fahrten zur Berufsausübung während der gesamten Dauer des Entzugs bewilligt oder aber nur während einzelnen Zeiträumen, beispielsweise, weil die Betroffenen einen Teil des Entzugs in die Ferienzeit legen können. (…) Fahrten zur Berufsausübung können nie während eines Führerausweisentzugs infolge Begehung einer mittelschweren Widerhandlung (Art. 16b SVG) oder schweren Widerhandlung (Art. 16c SVG) bewilligt werden, sondern nur bei Führerausweisentzügen nach leichten Widerhandlungen gemäss Artikel 16a SVG. Zur Berufsausübung notwendige Fahrten können bei höchstens zwei Führerausweisentzügen innert fünf Jahren bewilligt werden. Nicht möglich ist die Bewilligung solcher Fahrten zudem für Personen, denen der Führerausweis aus Sicherungsgründen auf unbestimmte Zeit oder für immer entzogen wird.»

Kongressantrag, Petition, Motion und viel Überzeugungsarbeit

Die Motion diente der Umsetzung eines Antrags der VPT-Sektion Sottoceneri, unter ihrem damaligen Präsidenten Peter Bernet, und der Konferenz der VPT-Branche Bus-GATU an den SEV-Kongress vom 28. Mai 2015. Der Antrag verlangte vom SEV, sein Möglichstes zu tun, um die Diskriminierung der Buschauffeure durch die doppelte Bestrafung bei Führerausweisentzügen aufzuheben. «In anderen europäischen Ländern verhindert der Führerscheinentzug im Privatleben nicht zwangsläufig das Fahrzeugführen im professionellen Leben. Eine ähnliche Lösung wäre auch in unserem Land begrüssenswert», hiess es im Antrag. Der Kongress nahm ihn lediglich zur Prüfung entgegen, weil die SEV-Leitung die politischen Chancen einer Gesetzesänderung skeptisch beurteilte und auch eine Lösung auf GAV-Ebene prüfen wollte.

Wesentliche Überzeugungsarbeit für eine gesetzliche Lösung, wie sie der SEV dann mit der Motion anstrebte, leistete eine Petition des Unterverbands VPT mit über 4400 Unterschriften. Diese übergab am 30. Juni 2017 eine SEV-VPT-Delegation mit mehreren Busfahrer:innen – darunter VPT-Zentralpräsident Gilbert D’Alessandro – ans Departement Uvek. «Wir sind keine Kriminellen, sondern einfach Busfahrer:innen. Es kann passieren, dass man im Leben einen kleinen Fehler macht. Wenn man deshalb seine Stelle verliert, dann verliert man auch seine Würde», sagte D’Alessandro bei der Übergabe. «Wir wollen keinesfalls Raser oder Personen, die alkoholisiert fahren, schützen», stellte Edith Graf-Litscher klar. «Den Chauffeuren geht es darum, dass sie nicht bei leichten Vergehen, wie wenn z. B. der Vortritt nicht klar war, doppelt bestraft werden und allenfalls ihren Job verlieren.»

Kombination von gewerkschaftlicher und politischer Arbeit

«Das hartnäckige Engagement der Milizgewerkschafter:innen unserer Bus-Sektionen und der Einsatz von Edith Graf-Litscher im Parlament haben zusammen zum Erfolg geführt», sagt SEV-Vizepräsident Christian Fankhauser. «Die Kombination von gewerkschaftlicher und politischer Arbeit hat sich bewährt. Das Beispiel zeigt, dass es manchmal jahrelange Ausdauer braucht, bis ein Kongressantrag unserer Basis umgesetzt werden kann. Allen Beteiligten vielen Dank!»

Markus Fischer
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Neu: bewilligte Fahrten zur Berufsausübung trotz Ausweisentzug

Um berufliche Härtefälle zu vermeiden, können neu ab 1. April 2023 die kantonalen Behörden während einem Ausweisentzug Fahrten zur Berufsausübung bewilligen. Dabei werden die Einzelheiten in einer Entzugsverfügung genau festgelegt.

Diese Möglichkeit besteht aber nur bei leichten Widerhandlungen. Eine solche begeht, wer die Verkehrsregeln verletzt und die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmenden nur in leichtem Masse gefährdet und wenn ihn/sie dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 16a SVG). Als leichte Widerhandlung gilt auch ein leicht angetrunkener Zustand mit einer Atemalkoholkonzentration von unter 4 mg/l bzw. einer Blutalkoholkonzentration von unter 0,8 Promille, sofern keine weiteren Strassenverkehrsvorschriften verletzt worden sind. Hat die fehlbare Person in den zwei Jahren zuvor weder einen Ausweisentzug noch eine sonstige Administrativmassnahme aufzuweisen, wird eine Verwarnung ausgesprochen. Andernfalls wird der Ausweisentzug für mindestens einen Monat angeordnet. Es ist also wichtig, von Anfang an den Behörden mitzuteilen, dass man Berufsfahrer:in ist, damit dies in einer eventuellen Entzugsverfügung berücksichtigt wird, um eben die Berufsausübung während dem Ausweisentzug nicht zu gefährden. Ebenfalls zu empfehlen ist das umgehende Einreichen des SEV-Rechtsschutzgesuchs.