Auf den Spuren von ...
Sandro Bonomi, Busfahrer
In einer Welt, in der viele Menschen nur um des Redens willen reden, ist die Fähigkeit zur Reflexion ein kostbares Gut. Sandro Bonomi ist ein Mann, der die Kunst des Nachdenkens kultiviert und seine Worte mit Sorgfalt und Bedacht wählt, was der Kommunikation förderlich ist. Der 53-jährige Busfahrer, der am 13. Oktober in den Vorstand der Branche Bus des SEV-Unterverbands VPT gewählt wurde, präsidiert schon seit mehreren Jahren die Personalkommission der Trasporti pubblici luganesi (TPL).
Sandro Bonomi ist also ein Mann der wenigen Worte, setzt diese aber lebendig und präzise. Und seine grosse Begabung zuzuhören, verleiht ihm eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Analyse und Synthese. Bevor er 2008 bei den TPL anfing, war er auch als Unternehmer tätig. Als Inhaber eines öffentlichen Lokals lernte er die Last der Verantwortung und die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen kennen. Diese Erfahrung im täglichen Umgang mit Kundinnen und Kunden kommt ihm auch bei seiner jetzigen Tätigkeit zugute. «Im öffentlichen Verkehr ist die Beziehung zur Kundschaft eine andere als in einer Bar. Aber dank der Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe, weiss ich die Stimmungen der Menschen aufzufangen», sagt Sandro.
«Generell muss man lernen, Aggressionen und Unhöflichkeiten zu vermeiden und die Nerven zu behalten», fährt Sando Bonomi fort. «Aber das ist nicht immer einfach.» Ganz sicher nicht, denn ‹gegen die Abnützung im modernen Leben› (wie es in einem Werbeslogan für einen bekannten italienischen Amaro heisst) braucht man oft einen kühlen, klaren Kopf. Und die Pandemie hat uns wirklich nicht besser gemacht. So kommt es, dass Busfahrerinnen und Busfahrer zu einer Art fahrenden Blitzableitern werden. «Unser Beruf ist anspruchsvoll. Er erfordert Verantwortungsbewusstsein, Konzentration, Antizipationsvermögen und schnelle Reflexe», analysiert Sandro. «Aber es ist auch eine grossartige Arbeit, die jeder von uns mit Leidenschaft macht und die sehr befriedigend sein kann.»
Gewerkschaft ist eine ernsthafte Sache
Als Sandro vor kurzem zum SEV kam, machte er sofort aktiv mit: «Ich erkannte, dass die Bedürfnisse des Personals vielfältig sind und dass man auf die täglichen Probleme im Zusammenhang mit dem Beruf rasch reagieren muss. Da die Gewerkschaften nicht jeden Tag im Unternehmen sein können, entschloss ich mich auf Drängen vieler meiner Kolleg:innen, meinen Beitrag zu leisten und für die Personalkommission zu kandidieren, die ich derzeit präsidiere. Die Gewerkschaften und die Peko haben zwei unterschiedliche Aufgaben, die sich jedoch in hohem Masse ergänzen», erklärt Bonomi. «Was zählt, ist der stetige Kontakt. Und beim SEV habe ich gefunden, wonach ich gesucht habe: Professionalität, Fachwissen im öffentlichen Verkehr, Zuhören, Offenheit und konstruktive Beziehungen. Nur wenn wir unsere Kräfte bündeln und Ideen austauschen, können wir Lösungen finden.»
Sandro Bonomi mag wie gesagt kein unnützes Geschwätz. Das gewerkschaftliche Engagement ist für ihn eine ernste Angelegenheit. «Ich bin mir bewusst, dass es nicht einfach ist, denn die Personalvertreter:innen stehen oft zwischen zwei Fronten: zwischen dem Unternehmen und den Arbeitnehmenden. Die Kunst liegt meines Erachtens darin, Problemlösungen in die Wege zu leiten. Denn das ist es, was die Mitarbeitenden wollen: Lösungen für ihre Probleme und Bedürfnisse. Und natürlich liegt das Gleichgewicht zwischen den Parteien irgendwo in der Mitte.»
Als Peko-Präsident nimmt Sandro die Ideen aller auf und versucht, eine Synthese zu schaffen. «Wir verlangen nicht das Blaue vom Himmel», sagt er, «aber wir verteidigen mit Nachdruck unsere Arbeitsbedingungen. Zu unserer Schichtarbeit gehört viel harte Arbeit.»
Den Blick in die Zukunft gerichtet
Sandro ist gut vertraut mit dem GAV, den er immer bei sich trägt. Und er ist voll einverstanden mit den Ergebnissen der beiden vom SEV durchgeführten nationalen Umfragen zur Gesundheit der Busfahrer:innen. «Ich kann bestätigen, dass ab einem gewissen Alter Schlaflosigkeit, Stress, Verdauungs- und Rückenprobleme zunehmen. Langfristig wirkt sich die Art unseres Berufs unweigerlich auf unser allgemeines Wohlbefinden aus.» Die Idee des SEV, einen runden Tisch zum Thema der beruflichen Wiedereingliederung bei gesundheitlichen Problemen vorzuschlagen, findet Sandro gut. Aber er geht noch weiter: «Ich denke, wir müssen anfangen, ernsthaft über die Frühpensionierung nachzudenken, ähnlich wie im Baugewerbe. Wenn man nach einem Berufsleben im öffentlichen Verkehr das 60. Altersjahr erreicht hat, sollte man die Möglichkeit haben, sich mit soliden Garantien frühpensionieren zu lassen. Auch im Bahnsektor gibt es verschiedene Pensionierungsmodelle, die uns inspirieren könnten.» Die nächste Aufgabe sind nun aber Verhandlungen zum Lohnsystem. «Die Verlängerung des GAV bis Ende 2023», so der Peko-Präsident, «hat in einer sehr unsicheren Zeit Sicherheit gegeben. Die Verhandlungen zum Lohnsystem sind sicherlich ein Pluspunkt.»
Der noch junge Grossvater Sandro tankt neue Energie durch Sport und lange Spaziergänge. Er liest viel und bildet sich über Gesundheit und Wohlbefinden im ganzheitlichen Sinne weiter. «Lesen hilft mir auch, die Menschen besser zu verstehen. Manchmal greift dich eine Person wegen ihrer eigenen Probleme an, nicht weil sie wütend auf dich ist. Man muss also lernen, die Dinge auseinanderzuhalten.» Sandro ist ein wissbegieriger Geist, gradlinig und aufrichtig.
Françoise Gehring / Übersetzung: Jörg Matter