Solidar Suisse
Das Hilfswerk der Gewerkschaften
In diesen gesundheitlich und wirtschaftlich schwierigen Zeiten scheint es uns wichtig, eine NGO zu beleuchten, deren Ursprung aus der Arbeiterklasse nicht unbedingt bekannt ist: Solidar Suisse. Lionel Frei, der Kommunikationsverantwortliche in der Romandie, stellt uns die Organisation vor.
Kennt ihr das Bild von einem Menschen, der sich zu einer Nähmaschine verkrümmt hat? Es handelt sich um eine der jüngsten Kampagnen von Solidar Suisse, die auf die untragbaren Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie aufmerksam macht. Dieses eine Bild bringt das Engagement der NGO perfekt zum Ausdruck. «Wir sind mit unseren Projekten in der Entwicklungshilfe aktiv. Aber unser Engagement ist natürlich auch politisch, weil wir glauben, dass die Sensibilisierung der nördlichen Weltbevölkerung von grundlegender Bedeutung ist, um Druck auf die in den südlichen Ländern tätigen multinationalen Unternehmen auszuüben», sagt Lionel Frei.
So beleuchtete Solidar Suisse mit einer Kampagne die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen für die nächste FIFA-Weltmeisterschaft 2022 in Katar und trug die Konzernverantwortungsinitiative mit. Eine weitere Kampagne der NGO deckte kürzlich die Kinderarbeit bei der Baumwollernte in Burkina Faso auf. «Das betrifft die Schweiz direkt, da die in der Baumwollvermarktung tätigen Firmen ihren Hauptsitz in unserem Land haben», erklärt Lionel Frei.
Die Produktion von Palmöl in Malaysia kritisiert Solidar Suisse ebenfalls: «Wir haben Untersuchungen auf zwei Plantagen durchgeführt, die ihre Produkte direkt und indirekt an Nestlé verkaufen. Die Angestellten haben keinen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung, und auf den Plantagen arbeiten sogar Kinder … Die Mängel in Bezug auf die Menschenrechte sind offensichtlich», betont Lionel Frei.
Spenden nötig
Solidar Solidar ist anders als andere NGOs: Die Wurzeln der Organisation liegen in der Arbeiterbewegung (siehe Box). Es ist daher logisch, dass SGB-Gewerkschafter/innen im Vorstand sitzen. Das Jahresbudget beträgt rund 17 Millionen, davon stammen ein Drittel vom Bund, rund 20 % von den Kantonen und Gemeinden und ein gutes Viertel von einzelnen Spender/innen. «Ohne Spenden könnten wir nicht in so vielen Ländern aktiv sein», sagt Lionel Frei. «Zurzeit haben wir 60 Projekte in 15 Ländern. Die Spenden sind umso wichtiger, seit das EDA nach der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative beschloss, die Finanzierung politischer Sensibilisierungskampagnen nicht mehr zu unterstützen. Das ist bedauerlich, weil wir glauben, dass diese Sensibilisierungsarbeit entscheidend ist. Aber wir werden sie trotzdem weiterverfolgen. Wir respektieren das ZEWO-Label. So können die Spender/innen sicher sein, dass 80% ihrer Zahlungen für die von ihnen unterstützten Projekte verwendet werden. Die restlichen 20% gehen an Solidars Betriebskosten: 13% an die Verwaltungskosten, 7% ans Fundraising.»
Gewerkschaftsmitglieder können die NGO auch unterstützen, indem sie das Solidar-Magazin oder den Newsletter abonnieren, Petitionen und Kampagnen unterzeichnen und verteilen. «Jede kleine Geste zählt», schliesst Lionel Frei.
Weitere Infos auf solidar.ch
Vivian Bologna / Übersetzung: Karin Taglang
Vom SAH zu Solidar Suisse
Solidar Suisse wurde 1936 als Schweizerisches Arbeiterhilfswerk (SAH) vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund und der SP Schweiz gegründet. Es unterstützte bedürftige Arbeiterfamilien in der damaligen Wirtschaftskrise sowie Opfer des spanischen Bürgerkrieges und betreute Flüchtlingskinder aus Spanien in der Schweiz. Im und nach dem 2. Weltkrieg weitete das SAH die Unterstützung und Aufnahme von Geflohenen und Asylsuchenden aus. Mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit in den 1990er-Jahren richtete sich das SAH neu auf die Wiedereingliederung von Arbeitslosen aus. Im Ausland war das SAH seit 1949 in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe tätig. Dieses frühe Engagement macht Solidar Suisse zu einer der ältesten Hilfsorganisationen der Schweiz.
Die SAH-Regionalstellen wurden 2005 zu selbstständigen regionalen Vereinen. Diese zurzeit zehn Regionalvereine sind weiterhin unter dem Namen SAH in der Schweiz in der beruflichen und sozialen Integration tätig. Aus der ehemaligen «Internationalen Abteilung des SAH» für Entwicklungszusammenarbeit wurde eine eigenständige Organisation, Solidar Suisse (Name seit 2011), die dem europäischen Netzwerk Solidar angehört. Solidar Suisse kämpft für Solidarität, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit und gegen extreme Ungleichheit und fördert die demokratische Mitbestimmung. Die NGO hilft bei humanitären Programmen und beim Wiederaufbau in benachteiligten Regionen nach Natur- und von Menschen verursachten Katastrophen.