Konzessionierte Transportunternehmen
Lohnverhandlungen 2018 bei den KTU: Versuch einer Bilanz
Der SEV führt schweizweit mit über 60 konzessionierten Transportunternehmungen (KTU) Lohnverhandlungen. 2018 sind substanzielle allgemeine Lohnerhöhungen die Ausnahme, doch die in den Lohnsystemen vorgesehenen individuellen Aufstiege werden zumeist gewährt. Hinzu kommen in vielen KTU Einmalprämien und diverse Verbesserungen, etwa bei Zulagen. Gewisse KTU leisten ausserordentliche Beiträge an die Pensionskasse.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) forderte für 2018 allgemein 1,5 bis 2 Prozent mehr Lohn mit folgender Begründung: Die Teuerung hat wegen der Abschwächung des Frankens erstmals seit fünf Jahren etwas zugelegt (auf 0,7% im Oktober). Die Krankenkassenprämien steigen 2018 weiter um durchschnittlich rund 4%. Die Beiträge an die Pensionskassen nehmen ebenfalls laufend zu, weil die Sparkapitalien zurzeit nur geringe Erträge abwerfen und weil die Lebenserwartung zunimmt. Zudem erleben wir gerade einen Konjunkturaufschwung: Davon muss das Personal auch etwas haben.
Keine allgemeine Lohnforderung für die KTU möglich
Der SEV kann die SGB-Lohnforderungen für die KTU nie einfach übernehmen, weil diese – anders als Privatfirmen in anderen Branchen – öffentliche Abgeltungen erhalten. Diese sind zudem je nach Finanzlage der 26 Kantone und des Bundes, die den Verkehr bestellen, unterschiedlich gross, aber überall knapp genug. Und die KTU an sich sind sehr verschieden: Neben grossen Bahnen wie BLS oder RhB und den grossen Nahverkehrsbetrieben etwa in Genf oder Lausanne gibt es auch kleine und kleinste Unternehmen. Ferner unterscheiden sich die Rahmenbedingungen je nach Branche – Personenverkehr auf der Schiene, private Güterbahnen, Nahverkehr, Schiff, Bergbahnen, Bahngastronomie, Logistik – wie auch nach Landesgegend. Darum würde eine allgemeine SEV-Lohnforderung für alle KTU wenig Sinn machen.
Verhandlungsmandate kommen von der Basis
Bei jeder KTU legen die SEV-Sektionsbetreuer/innen das Verhandlungsziel mit den Sektionen fest, und in aller Regel wird das Mandat von der Mitgliederversammlung verabschiedet. «Wenn die Teuerung tief ist, die KTU kein Geld hat, der Kanton extrem spart und seinen Beamten Lohnkürzungen verordnet, dann ist eine zweiprozentige Lohnforderung natürlich wenig realistisch», sagt SEV-Vizepräsidentin Barbara Spalinger. «Der SEV fordert auch nicht das Doppelte, um wenigstens die Hälfte davon zu bekommen, das ist ein blödes Spiel.»
Wenn eine KTU kein Geld hat, haben die Mitglieder ein gewisses Verständnis dafür, dass allgemeine Lohnerhöhungen schwierig sind. Aber nicht Jahr für Jahr, denn die Krankenkassenprämien steigen ja weiter. «Auch müssen alle im Unternehmen Verzicht üben», betont Spalinger. «Es geht nicht, dass sich oben die Kader Boni gönnen und unten ‹keinerlei Möglichkeiten› sehen.»
Wenn das finanzielle Korsett keine allgemeine Lohnerhöhung zulässt, versucht der SEV wenigstens Einmalprämien zu kriegen, auch wenn diese nicht nachhaltig sind. Denn sie sind besser als nichts. Oder Verbesserungen bei Zulagen, Arbeitszeit, Ferien, Mutter- und Vaterschaftsurlaub usw. Solche kreative Lösungen waren auch diesmal wieder vielerorts möglich.
Pensionskassen und Lohn kaum mehr zu trennen
Bei mehreren KTU spielten dieses Jahr auch wieder Pensionskassenprobleme in die Lohnverhandlungen hinein. «Die Trennung der beiden Themen ist langsam künstlich», sagt Barbara Spalinger. «Viele Arbeitgeber versuchen für die Pensionskasse eine gute Lösung zu finden. Schlechte Lösungen bekämpfen wir selbstverständlich.»
Bei mehreren Unternehmen (wie RhB, TPF, MOB oder SBB Historic) laufen mehrjährige Vereinbarungen, die ausserordentliche Beiträge des Unternehmens an die Kasse mit den Lohnmassnahmen für das Personal verknüpfen. Damit wissen beide Seiten längerfristig, was sie erwarten können und bezahlen müssen.
Wichtige Lohnsysteme
Auch die mit den KTU in den GAV vereinbarten Lohnsysteme sorgen für eine gewisse Konstanz bei der Lohnentwicklung, insbesondere beim individuellen Lohnaufstieg. Das ist für die Zufriedenheit der jüngeren Mitarbeitenden im Aufstieg wichtig. «Ein automatischer Lohnaufstieg hat den Vorteil, dass die Kosten gut planbar sind», erklärt Barbara Spalinger. Manche Unternehmen wollen den Lohnaufstieg aber lieber an die Leistungsbeurteilung knüpfen, auch wenn dies bei vielen Funktionen in der Produktion keinen Sinn macht. «Zum Beispiel bei Lokführern ist eine Unterscheidung von gut und exzellent kaum möglich», gibt Spalinger zu bedenken. «Es gibt Unternehmungen, die Leistungen nach 30 Kriterien bewerten. Da frage ich mich schon, was solche Bürokratie soll. Es ist unbedingt nötig, dass die Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitenden mindestens einmal im Jahr ein Gespräch führen, doch sollte man dieses gescheiter nutzen.»
Für die Unternehmungen ist die Verpflichtung, ein Lohnsystem über mehrere Jahre umzusetzen, auch ein Argument, mit dem sie sich gegen kurzfristige Sparübungen der Kantone beim Personalbudget wehren können.
Zudem schützen Lohnsysteme die Mitarbeitenden vor Lohnwillkür und insbesondere die Frauen vor geschlechtsbedingter Lohndiskriminierung. «Eine solche bleibt aber trotzdem möglich, indem Funktionen, wo vor allem Frauen arbeiten, wie etwa im Verkauf, schlechter bewertet werden als typische Männerberufe», nuanciert Barbara Spalinger. Andererseits seien in den letzten Jahren auch die Handwerkerberufe, wo vor allem Männer tätig sind, abgewertet worden, während die Manager und Informatiker zulegten. «Das beste Mittel gegen Lohnungerechtigkeiten wäre die volle Lohntransparenz: Einmal im Jahr sollten alle Löhne offengelegt werden», schlägt Barbara Spalinger vor.
Markus Fischer
Besser spät als nie: ZVV erhört SEV
Zu den wenigen Unternehmen, die 2018 eine allgemeine Lohnerhöhung gewähren, gehören jene im Zürcher Verkehrsverbund (ZVV): Dieser erhöht den Personalaufwand um ein Prozent und hat die KTU ausdrücklich dazu aufgerufen, diese Mittel vollumfänglich in Form von Lohnmassnahmen ans Personal weiterzugeben. «Darüber sind wir sehr froh», freut sich SEV-Gewerkschaftssekretärin Edith Graf-Litscher. «Das hat der SEV schon lange gefordert, denn bei diesen KTU hat es seit Jahren keine nennenswerte allgemeine Lohnerhöhung mehr gegeben.»
Fi