Das IT-Programm Sopre schafft alle, die damit arbeiten müssen
Löchrig wie Emmentalerkäse
Am 1. Juni 2016 hat die SBB das IT-Programm Sopre eingeführt. Seither hat Andrea Lauber, Personaleinsatzplaner beim Zugpersonal, mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Auch nördlich des Gotthards ärgern sich die Einsatzplaner/innen und das Zugpersonal darüber, dass die Lücken in der Informatik ihre Arbeit erschweren. Der Unterverband des Zugpersonals (ZPV) nahm bereits mehrfach Stellung und kritisierte das löchrige Programm.
Im Zeitraum von seiner Einführung am 1. Juni 2016 bis Oktober wurden rund 1700 Fälle gemeldet, in denen das Programm Sopre nicht richtig funktionierte. 1700 – das sind nicht nur «Peanuts». Eigentlich sollte das Programm ein Vorreiter sein, indem es Informationen aus verschiedenen Quellen verknüpft und mit anderen Informationsplattformen kommuniziert. Bisher lieferte das Programm aber nicht die erhofften Resultate, obwohl die SBB das Problem erkannt hat und seit Monaten daran arbeitet. Währenddessen steigen die Kosten natürlich an.
Andrea Lauber wirft eine legitime Frage auf: «Ich kann einfach nicht verstehen, warum dieses IT-Programm um jeden Preis am 1. Juni eingeführt werden musste, ohne dass es davor ausführlich getestet wurde. Ich glaube, die sture Einhaltung dieser Frist hing mit einem Bonus zusammen, der für erreichte Ziele ausgeschüttet wird. Aber darunter leiden nun diejenigen, die Tag für Tag mit dem System arbeiten müssen.»
Das grösste Problem des neuen Programms liegt in seiner Unzuverlässigkeit. Andrea Lauber erklärt: «Es gibt noch viele Fehler zu beheben. Für uns, die täglich mit diesem System arbeiten, wird alles viel schwieriger. Besonders bei der Darstellung von Abrechnungen und Arbeitszeiten ist Sopre unzuverlässig. In einer Darstellung zeigt es dir eine Abrechnung, in einer anderen siehst du Daten, die mit den ersten nicht übereinstimmen. Man muss immer alles nachprüfen. Und bei der Korrektur der Abrechnungen können wir nicht mitreden.»
Doch damit nicht genug. «Die Züge werden nicht korrekt oder gar nicht angezeigt», fährt Lauber weiter. «Diese Störungen sind leider unser täglich Brot und machen es uns unmöglich, mit der nötigen Gelassenheit zu arbeiten.» Haben die Verantwortlichen all diese Störungen erkannt? «Einige der Probleme wurden teilweise behoben, aber seit Juni befinden wir uns wegen des unzuverlässigen Systems quasi in einer Notsituation. So kann es nicht weitergehen. Wir müssen immer auf der Hut sein.»
Normales Arbeiten unmöglich
Andrea Lauber findet es schwierig, zu arbeiten, wenn man immer tausend Zweifel hat, ob die Daten korrekt sind. Um diese Unsicherheiten zu beseitigen, müssen die Daten immer wieder kontrolliert werden. «Es kommt vor, dass eine Tour auch Stunden später noch nicht angezeigt wird, obwohl sie längst erscheinen sollte. Man muss wissen, dass das Programm Informationen aus diversen anderen Programmen bezieht. Es sollte also mit diesen verschiedenen Plattformen kommunizieren, aber offensichtlich funktioniert dieser Dialog nicht, denn die Probleme bestehen weiterhin. Ich verstehe sehr wohl, dass jedes neue Programm gewisse Probleme aufweist und dass Testphasen zur Verbesserung nötig sind. Allerdings verstehe ich nicht, warum die SBB plötzlich entschieden hat, das Programm um jeden Preis und trotz anhaltender Probleme am 1. Juni 2016 zu lancieren, nachdem sie die Einführung mehrmals verschoben und fünf Jahre lang mit dem Programm experimentiert hat. Für das Lokpersonal zum Beispiel wurde die Einführung wohlweislich um ein Jahr verschoben, weil das Programm noch immer Probleme macht. Beim Zugpersonal hingegen bestand die SBB darauf, es in Betrieb zu nehmen.» Koste es, was es wolle.
Der Ärger von Andrea Lauber hört auch nicht hier auf: «Ich bin 62 Jahre alt und stehe seit 42 Jahren im Dienst der Eisenbahn. In dieser Zeit arbeitete ich mit fünf verschiedenen IT-Programmen, aber dieses ist wirklich das schlimmste. Wir werden weiterhin Probleme mit den Zulagen haben, die das neue Programm auf jeder Lohnabrechnung ausweisen sollte. Da unklar ist, ob das Programm die Zeit korrekt erfasst, wird den Mitarbeitenden empfohlen, eine separate Abrechnung zu führen. Auch bei der Zuteilung von Reserve-Touren treten Probleme auf.»
Unter Sopre leiden mit Andrea Lauber auch die Einteiler/innen in den anderen Landesteilen, mit denen er sich jeden Monat trifft. «Mein Depot ist mit zirka 150 Beschäftigten relativ klein. Doch in Zürich mit rund 500 Beschäftigten sind die Probleme noch viel grösser: Dort gibt es nicht nur den Fernverkehr, sondern auch den Regionalverkehr und die Frequenzerheber/innen. Die Probleme im Zürcher Depot haben auch Auswirkungen auf andere Depots.»
Obwohl viele Mitarbeitende von ihrer angestammten Arbeit freigestellt wurden, um die Programmierer zu unterstützen, bleibt Sopre für das Personal eine eigentliche Hindernisbahn. Dagegen wehrt sich das Personal jetzt mit einer Petition (siehe Kasten) und fordert, dass die nötigen Korrekturmassnahmen unverzüglich ergriffen und die Probleme endlich gelöst werden.
Françoise Gehring / kt
SEV-ZPV-Petition Überreicht
Seit beim Zugpersonal im Juni 2016 das System Sopre für die Zeiterfassung eingeführt wurde, führen Informatikprobleme zu Unregelmässigkeiten beim Zeitmanagement und bei den Zulagen. Der Unterverband des Zugpersonals ZPV wies die Ver- antwortlichen von Anfang an auf den Ernst der Lage und die steigende Unzufriedenheit des Personals darüber hin. Nach und nach sind denn auch einige IT-Lücken behoben worden. In den letzten Monaten standen Vertreter von SEV, ZPV und Peko in regel- mässigem Kontakt zum Verkehrsmanagement (VM), um auf die nötigen Verbesserungen am System hinzuwirken und die Mitarbeitenden vor weiteren IT-Pannen möglichst zu verschonen.
Die Situation ist dennoch besorgniserregend – jetzt, wo das Jahr fast zu Ende ist. Für den Übergang von 2016 zu 2017 ist es unerlässlich, dass das System lückenlos funktioniert. Bis heute scheint die Situation noch nicht unter Kontrolle zu sein, was die SEV-Mitglieder beunruhigt.
Am 10. November überreichten Andreas Menet, Zentralpräsident ZPV, und der SEV-Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni der VM-Leitung in Bern eine Petition mit 856 Unterschriften von Mitarbeitenden. Die Petition fordert, dass die nötigen Verbesserungsmassnahmen sofort ergriffen werden. Wie Jürg Hurni betont, erwartet der SEV auch, dass die Mitarbeitenden für die Nachteile, die ihnen aus dem fehlerhaften System entstanden sind, angemessene Kompensationen erhalten werden, zum Beispiel in Form von Zeitgutschriften.
Hes / kt