Am 28. September geht es um eine einfachere, gerechtere und günstigere Krankenkasse
Mehr Krankheitsprävention statt Jagd auf «gute Risiken»
Bei der Abstimmung von Ende September geht es nicht um ein besseres Gesundheitswesen oder billigere Leistungen von Ärzten und Spitälern. Es geht nur darum, wer vom Krankenversicherungssystem und unseren Prämien profitiert. Eine einzige öffentliche Krankenkasse macht Sinn!
Die Schweiz hat ein gutes Gesundheitssystem. Zwei Zahlenbeispiele mögen diese Behauptung belegen: Betrug im Jahr 1900 die Lebenserwartung für ein neugeborenes Kind noch weniger als 50 Jahre, so ist sie bis heute auf über 80 Jahre gestiegen. Die Säuglingssterblichkeit (Todesfälle von Kindern im ersten Lebensjahr) lag im Jahr 1800 bei 186 von 1000 Knaben und 156 von 1000 Mädchen, heute sind es noch 3,7 Knaben und 3,5 Mädchen.
Gutes Gesundheitssystem bleibt
Diese erfreulichen Entwicklungen haben viele Ursachen. Sehr wahrscheinlich ist, dass die Krankenkassen nur einen kleinen Anteil daran haben. Denn diese Kassen sind zwar nicht unbedeutende Beteiligte am Gesundheitssystem, aber nur, soweit es die Verteilung der Kosten betrifft. Wenn nun das Krankenkassenwesen in der Schweiz geändert werden soll, dann wird nicht das Gesundheitssystem verändert. Es geht lediglich darum, wie die Krankenkassen, die nötig sind, organisiert werden.
Zu viele Krankenkassen
Heute gibt es in der Schweiz über 60 private Krankenkassen. Wenn ihre Zahl in den letzten Jahren auch gesunken ist – 2001 gab es noch fast 100 Kassen –, so ist diese Zahl doch erstaunlich hoch und das System für einen Einzelnen nur schwer überblickbar. In der Grundversicherung sind diese Krankenkassen alle an den gleichen Leistungskatalog gebunden. Sie dürfen also nicht einzelne Krankheitskosten von der Versicherung ausschliessen. Während sich alle Einwohner und Einwohnerinnen der Schweiz bei einer Krankenkasse versichern müssen (obligatorische Krankenversicherung), müssen die Kassen umgekehrt alle Leute, die das wünschen, versichern. Sie können also nicht beispielsweise Raucher ablehnen. Weil es nun aber trotz allem Kassen gibt, in denen beispielsweise mehr alte Leute – die höhere Krankheitskosten haben – versichert sind als bei andern, gibt es ein kompliziertes System des «Risikoausgleichs». Damit ist der Wettbewerb, der unter den Krankenkassen herrschen soll, ein sehr beschränkter: Er bietet nicht unterschiedliche Leistungen, sondern unterschiedliche Preise – die Prämien. Und in der Grundversicherung sollen durch den Risikoausgleich diese Prämien nicht allzu weit auseinanderklaffen.
300 000 verschiedene Prämien
Doch es gibt ja noch die Zusatzversicherungen. Weil die Versicherungen oder Krankenkassen hier frei sind, anzubieten, was sie wollen (und auch Leute abzulehnen, die ihnen nicht passen), ist der Wirrwarr vollständig. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Wohnorte, Leistungen, Selbstbehalte und Rabatte gibt es heute in der Schweiz 300 000 unterschiedliche Prämien! Hier hat niemand mehr den Überblick – auch die Internetvergleichsdienste nicht, die sich mit ihrer Dienstleistung eine goldene Nase verdienen. Allzu oft vergleichen sie Äpfel mit Birnen. Und ein Jahr später beginnt das ganze Spiel von vorne, die letztes Jahr konkurrenzlos billige Kasse schlägt pötzlich massiv auf, und die Versicherten suchen von Neuem die «billigste» Kasse.
Ein ungerechtes System
Dieses System, das ist leicht einzusehen, hat erhebliche Mängel. Es ist ungerecht, denn je nach Kasse und Kanton gibt es, unter anderem wegen des unvollständigen Risikoausgleichs, grosse Prämienunterschiede, auf die die Versicherten kaum einen Einfluss haben. Zwar verbietet das Krankenversicherungsgesetz die Selektion nach Krankheitsrisiko. Doch dieses Verbot wird von manchen Kassen systematisch missachtet. Sogenannt «schlechte Risiken» werden diskriminiert. Da muss etwa der Versicherungsantrag persönlich abgegeben werden – das Büro der Krankenkasse liegt «zufällig» im vierten Stockwerk eines Gebäudes ohne Lift … Oder die Anfrage einer Person mit tiefem Jahrgang und entsprechend hohem Alter bleibt lange auf dem Stapel liegen – bis es für einen Wechsel zu spät ist.
Ein enormer Aufwand
Das System ist aber nicht nur umständlich und ungerecht, es ist auch teuer: Die Kassenwechsel verursachen einen enormen administrativen Aufwand – gesprochen wird von 100 Millionen pro Jahr! Im Topmanagement vieler Kassen werden überrissene Saläre bezahlt, doch kaum ein Versicherter oder eine Versicherte machen sich schlau und lesen den Geschäftsbericht der eigenen Krankenkasse, geschweige denn jene der andern … Nochmals 225 Millionen pro Jahr kostet die Jagd auf die «guten» Risiken: Werbung, Abschlussprämien für sogenannte «Versicherungsberater» und Marketingmassnahmen. Dazu kommen die Kosten durch unkoordinierte Überbehandlung und die Folgekosten, weil die Prävention vernachlässigt wird. Das Sparpotenzial durch eine integrierte Versorgung wird auf 2 Milliarden jährlich geschätzt! Dazu kommt, dass die privaten Krankenkassen gewinnorientierte Unternehmen sind, die deshalb einen Teil der eingenommenen Prämien für die Reserven und die Gewinnausschüttung beiseitelegen. Das Sparpotenzial wird auf insgesamt 9 Prämienprozente veranschlagt!
Eine einfache Organisation
Wie würde diese öffentliche Krankenkasse organisiert? Käme es zu einem Monstrum, wo die rechte Hand nicht weiss, was die linke Hand tut?
Nein, es soll ein zentrales Institut geben, das einheitliche Versicherungsmodelle definiert, den Kontakt zu Bundes- und Kantonsbehörden hält, die Tarifverhandlungen koordiniert, den nationalen Reservefonds verwaltet, für die Koordination mit anderen Sozialversicherungen sorgt und gesundheitspolitische Strategien entwickelt.
Zu diesem zentralen Institut kämen die kantonalen Agenturen, die die Prämien festlegen und erheben, die Franchisen und Kostenbeteiligungen beaufsichtigen, Rechnungskontrollen und Leistungsvergütungen machen, die Tarife aushandeln, die Prämiensubventionen verwalten und das Personal führen. So haben die Versicherten wie auch die Leistungserbringer einen einzigen Ansprechpartner.
Die öffentliche Krankenkasse lichtet den Kassen- und Prämiendschungel, macht Schluss mit der unseligen Risikoselektion, verbessert Prävention und Behandlungsqualität und senkt kurz- und langfristig die Kosten. Sie ist mit andern Worten einfacher, gerechter und günstiger.
pan.