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Busfahrer/innen, die fahruntauglich werden, riskieren Entlassung und Finanznot

Exemplarischer Fall zeigt Versicherungslücke auf

Gegen die Entlassung eines Busfahrers und SEV-Sektionspräsidenten wegen Fahruntauglichkeit protestiert die Branche Bus-Gatu der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV in aller Schärfe. Und sie ruft die Busunternehmungen auf, zusammen mit dem SEV eine branchenweite Frühpensionierungslösung zu prüfen.

Schlafstörungen durch unbewusste Atemunterbrüche (Hypopnoen und Apnoen) können zu Tagesmüdigkeit und Sekundenschlaf am Steuer führen. Ein Busfahrer der Verkehrs- betriebe Zürichsee und Oberland VZO liess sich deshalb vor anderthalb Jahren (freiwillig) ärztlich untersuchen, was ihm ein halbjähriges ärztliches Fahrverbot eintrug und letzten Oktober ein definitives. Darauf kündigten ihm die VZO nach neuneinhalb Dienstjahren per Ende Februar 2016, obwohl er mit bald 62 Jahren auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen hat, zumal die Tagesmüdigkeit seine Vermittelbarkeit einschränkt. Als Dienstplaner, Fahrinstruktor, Moderator des ZVV-Schulbusses, Kundenlenker usw. könnte er bei der VZO aber weiterhin sinnvoll eingesetzt werden.

VZO-Kolleg/innen solidarisch

189 der 250 Busfahrer/innen der VZO unterschrieben im Dezember eine Petition für die Weiterbeschäftigung ihres Kollegen, doch die VZO bot ihm nur gelegentliche Einsätze auf unverbindlicher Basis an. Der Gekündigte strebt nun mithilfe des SEV eine Frühpensionierung aus medizinischen Gründen an, um sich wenigstens eine Rente auf Lebenszeit zu sichern, wenn auch eine reduzierte.

Zudem wird er bei der IV nochmals eine Rente beantragen, nachdem die IV bisher befand, dass Fahruntauglichkeit alleine noch keine Arbeitsuntauglichkeit bedeute. Die der Fahruntauglichkeit zu Grunde liegende, medizinisch attestierte chronische Tagesschläfrigkeit wird als Hauptargument bei der angestrebten Neubeurteilung durch die IV ins Felde geführt, weil die Tagesschläfrigkeit auch die Ausübung etlicher anderer in Frage kommender Berufe verunmöglicht.

Der Fall zeigt exemplarisch, dass ältere Busfahrer/innen, die aus gesundheitlichen Gründen unverschuldet fahruntauglich werden, in eine Versicherungslücke fallen.

Resolution für branchenweite Frühpensionierungslösung

Daher riefen die Teilnehmenden der Branchentagung Bus-Gatu des SEV vom 25. Februar in Olten in einer Resolution alle Konzessionierten Transportunternehmungen im Land auf, mit dem SEV eine branchenweite Frühpensionierungslösung zu prüfen für Busfahrer/innen, die wenige Jahre vor dem ordentlichen Pensionsalter aus gesundheitlichen Gründen fahruntauglich werden. «Wenn keine interne Wiedereingliederung möglich ist, muss auf eine Lösung zurückgegriffen werden können, wie sie beim Bau existiert oder wie bei der Stiftung Valida der SBB für besonders belastende Berufe wie z.B. Gleisbauer oder Rangierer», fordert die Resolution. Der SEV will in dieser Sache auch den Verband öffentlicher Verkehr (VöV) angehen.

«Ich denke, dass seitens der Unternehmungen nicht nur Ablehnung kommen wird», sagt der für die VZO zuständige SEV-Gewerkschaftssekretär Arne Hegland. «Denn sie werden zunehmend mit solchen Fällen konfrontiert sein und können die soziale Verantwortung für langjährige ältere Mitarbeitende nicht einfach an die öffentliche Hand, sprich an die kommunalen Sozialhilfen abschieben.»

Inakzeptable Entlassung eines Gewerkschaftsvertreters

In einer weiteren Resolution unterstrichen die Tagungsteilnehmer/innen ihren Zorn über die Entlassung eines gewerkschaftlich engagierten Kollegen, der seit 2013 die SEV-VPT-Sektion VZO präsidiert. Die VZO-Direktion müsse deshalb eine Lösung suchen, um ihn weiterhin in der Unternehmung arbeiten zu lassen. Die Versammlung erklärte sich «solidarisch mit allen gewerkschaftlichen Aktionen, die der Reintegration des Kollegen dienen», und sind «bereit, ihm und der Sektion ihre konkrete Unterstützung zu bieten».

In der Tat haben SEV-Sektionspräsident/innen naturgemäss in jedem Unternehmen Konflikte mit der Direktion auszufechten und machen sich bei dieser damit kaum beliebt. Wenn sie entlassen werden, steht somit immer die Frage im Raum, wie weit diese gewerkschaftliche Dimension eine Rolle gespielt hat. In manchen Ländern wäre die Entlassung eines so wichtigen Gewerkschaftsvertreters schlicht unzulässig.

«Mit der Verteidigung unseres Repräsentanten bestätigen wir auch die Entschlossenheit des SEV, alle Mitarbeitenden zu verteidigen, die ihre Gesundheit der Arbeit geopfert haben», unterstreicht die Resolution und verurteilt «das mangelnde Verantwortungsgefühl der Direktionen in solchen Fällen».

Untersuchung zu Tagesmüdigkeit, Chronotypen und Diensten

Aufgrund des aktuellen Falls von Tagesmüdigkeit führte der SEV beim VZO-Personal eine anonymisierte, repräsentative Umfrage dazu, zu den Chronotypen der Fahrer/innen (Morgentyp, Abendtyp usw.), ihren Wunschdiensten und zur Dienstplanung durch. Von den 134 Probanden wiesen 27 einen erhöhten Tagesmüdigkeitswert ESS von 12 und mehr auf. Das heisst, bei ihnen wäre eine ärztliche Untersuchung angezeigt. Wohin eine solche führen kann, hat aber die Kündigung ihres Kollegen gezeigt…

Die Untersuchung ergab weiter, dass sich der Bedarf der VZO an allen Diensten (5–14 Uhr, 12–22 Uhr, 15–1.30 Uhr, 1–6 Uhr, geteilter Dienst 5–9+13–18 Uhr) gut abdecken liesse, wenn die Fahrer/innen ihrem Chronotyp gemäss eingesetzt würden. Dies wäre ihrer Gesundheit förderlich und würde der Entwicklung von Tagesmüdigkeit vorbeugen.