Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – Auswertung unserer Umfrage
Traumberuf mit Nebenwirkungen? Eine Frage der Vereinbarkeit
Im Frühling 2024 führte der SEV eine schweizweite Umfrage durch. Hauptthema dabei: Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben im Schichtbetrieb. Ob das überhaupt geht und was Faktoren dafür sind? Erste Antworten hierzu liefert die Auswertung der Rückmeldungen von BLS-Kolleginnen und -Kollegen.
Dass Vereinbarkeit im Schichtbetrieb von vielen Kolleginnen und Kollegen als wichtiges Thema empfunden wird, darauf deutet bereits die hohe Beteiligung an der Umfrage. 239 Kolleginnen und Kollegen der BLS haben teilgenommen und erlauben es aussagekräftige Schlüsse zu den einzelnen Punkten zu ziehen. Danke für die Teilnahme!
Wer hat teilgenommen?
Die Generationen «X» (1965-1979) sowie «Y» (1980-1994) mit total 206 Teilnehmer:innen bzw. einem Anteil von 86.1 % sind stark vertreten. 82 % der Teilnehmenden sind männlich, 16 % weiblich und 2 % divers. Dies entspricht, wie auch die Altersstruktur der Befragten, weitgehend der Struktur der Gesamtbelegschaft. Die grosse Mehrheit der Befragten arbeitet Vollzeit oder im hohen Teilzeitbereich von 80-95 %. Die grösste Population der Teilnehmer:innen stammt aus dem Zug- und Lokpersonal, weitere bedeutende Populationen finden sich in den Bereichen Bau, Unterhalt und Werkstätten sowie der Leitstellen und der Personaldisposition.
Was wurde erfragt?
Die Umfrage beinhaltete Fragen zu verschiedenen Aspekten der alltäglichen Arbeit, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang zu Fragen der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben stehen. Angefangen von der Befragung zur allgemeinen Arbeitszufriedenheit, über Arbeitgeberattraktivität und privaten Betreuungsaufgaben bis hin zur Beurteilung der Einteilung von Dienstschichten versuchten wir uns der Thematik zu nähern, welche Elemente im Schichtbetrieb die Vereinbarkeit fördern können und welche dieser entgegenstehen.
Generelle Arbeitszufriedenheit – Berufsstolz als Faktor
Nicht überraschend und dennoch beeindruckend: 99,6 % der Kolleg:innen arbeiten gerne bis sehr gerne in ihrem Job. Die Identifikation mit dem Beruf, mit der Eisenbahn oder der Nautik ist also enorm hoch. Konkret auf die BLS bezogen finden sich immer noch zumindest ähnlich hohe positive Wertungen. Nur 4,2 % der Befragten geben an, sich nicht oder gar nicht wohl bei der BLS zu fühlen; demgegenüber stehen 59,8 % sehr zufriedene sowie 36 %, die sich wohl fühlen. Eine hohe Identifikation ist dabei – wenig überraschend – wichtig, um die bereichsspezifischen Herausforderungen des Schichtbetriebs anzunehmen bzw. mit ihnen positiv umzugehen.
Nichtsdestotrotz – und dies hängt offensichtlich weder mit dem Beruf noch der Unternehmung an sich zusammen – würden immerhin 15,1 % der Kolleginnen und Kollegen gerne ihren Job wechseln. Als absolute Zahl betrachtet wenig augenfällig, verweist dies im Verhältnis zur ausserordentlich hohen Identifikation mit Beruf und Unternehmen auf ungelöste Problematiken im Bereich der Arbeitsbedingungen und spezifisch der Vereinbarkeit.
Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben – (wie) geht das?
Grundsätzlich beurteilen die Kolleg:innen das Engagement der BLS hinsichtlich Vereinbarkeit positiv. 80,1 % geben an, das Thema sei ihrer Arbeitgeberin sehr wichtig oder wichtig. Dass es gerade in diesem Bereich gleichwohl weitere und verstärkte Anstrengungen benötigt, verdeutlichen die Werte zu «Vereinbarkeit ist schwierig in meinem Job, mein Privatleben leidet darunter». 39,8 % der Befragten geben an, dass es schwierig bis sehr schwierig ist alles unter einen Hut zu bringen. Bei jener Gruppe, die einem Jobwechsel positiv gegenübersteht, fällt das Resultat noch deutlicher aus. Die Aussage, dass das eigene Privatleben unter der Arbeit leide, findet hier eine klare Zustimmung. Es lässt sich somit dazu festhalten, dass Schwierigkeiten im Bereich der Vereinbarkeit unmittelbar mit dem Wunsch nach einem Jobwechsel bzw. dem Verlassen der Unternehmung zusammenhängen. Und dass eine attraktive Arbeitgeberin gut daran tut diesen Zusammenhang zu bedenken und weitere Anstrengungen in diese Richtung zu unternehmen.
Das Spannungsfeld der Vereinbarung von Berufs- und Privatleben akzentuiert sich weiter anhand der Angaben der Kolleginnen und Kollegen zu ihren Betreuungsaufgaben. Über die Hälfte der Befragten gibt an, regelmässig Betreuungsaufgaben neben der Arbeit zu übernehmen. Die Betreuung jüngerer Familienangehöriger ist dabei mit 40,2 % sehr viel häufiger gegenüber 15,5 % in der Betreuung älterer Familienangehöriger. Ein kleiner Teil von 4,2 % betreut ältere und jüngere Familienangehörige gleichzeitig. Dass selbst geleistete Kinderbetreuung und die Koordination derselben mit der Partnerin oder dem Partner Zeit und Planung erfordert, versteht sich von selbst. Dass Möglichkeiten der Drittbetreuung wiederum ebenso Planung und finanziellen Spielraum voraussetzen, ebenso. Umso mehr gelten diese Punkte im ununterbrochenen Schichtbetrieb, und umso dringlicher sind hier spezifische Lösungen.
Arbeitgeberattraktivität – es ist nicht der Lohn allein
Über die finanzielle Entschädigung hinaus gibt es weitere praktikable Möglichkeiten die Belastungen durch Schichtarbeit zu mildern und die Vereinbarkeit zu fördern.
Die in der Umfrage thematisierten Optionen wurden allesamt von einer grossen Mehrheit der Kolleg:innen begrüsst. So etwa die Möglichkeit, grundsätzlich Teilzeit zu arbeiten ebenso wie die Möglichkeit, dies nur während einer bestimmten Lebensphase tun zu können . Auch die Möglichkeit der Teil-Pensionierung, die es bei der BLS schon länger gibt, wird begrüsst. Als besonders attraktiv wird die frühzeitige Planbarkeit von Privat- und Berufsleben beurteilt (71,5 % stimmen voll zu, 23 % mehrheitlich). Dies bestärkt den SEV als Vertretung des Personals weiter in der Position und der klaren Haltung, dass eine allfällige Flexibilisierung von Arbeitsmodellen auf keinen Fall auf Kosten des Personals und der Möglichkeit einer Jahreseinteilung erfolgen darf. Im Gegenteil: In Zeiten des Fachkräftemangels und schwieriger Rekrutierung ist es an den Unternehmen, ihren Angestellten attraktive Optionen anzubieten, die Planbarkeit und Flexibilität auf Seiten der Angestellten garantieren.
Erfragt wurde auch die Häufigkeit telefonischer Arbeitseinsatz-Anfragen in der Freizeit. Der Grossteil der Befragten gibt an, in der Freizeit bzw. an einem freien Tag «selten» für einen Arbeitseinsatz angefragt zu werden (59,4 %); mit «nie» antworteten weniger als ein Viertel (23,4 %). 15,9 % antworteten mit «ab und zu» und 1,2 % geben an «oft» kontaktiert zu werden. Die Gewerkschaftsvertreter:innen werden ein wachsames Auge darauf haben, dass das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit in der Freizeit garantiert wird. Es darf keinen Druck von oben und keinen Zwang auf Erreichbarkeit in der Freizeit geben. Wer freiwillig einspringt und so aushelfen will, soll dies im gesetzlich möglichen Rahmen selbstverständlich weiterhin tun dürfen.
Dienstschichten im Spannungsfeld von Planbarkeit und Flexibilität
Der Schichtbetrieb stösst bei einer grossen Mehrheit der Befragten durchaus auf Zustimmung bzw. sehen die Kolleg:innen darin auch klare Vorteile. 89,5 % äusserten sich in der Umfrage in diese Richtung.
Mehr als die Frage nach dem Für und Wider von fixen Tourenpräferenzen oder Einteilungen in Rotation scheint die Angestellten der BLS die Thematik einer gewissen Selbstbestimmung in diesem Bereich zu beschäftigen. Sofern die beiden Modelle als wählbare Möglichkeiten erscheinen, werden sie beide grossmehrheitlich begrüsst. Der SEV setzt sich mit seinen Mitgliedern und für die Angestellten dafür ein, dass in Fragen der Dienstschichteinteilungen das Personal so weit wie möglich einbezogen wird, um für die jeweiligen Bereiche möglichst passende Ausgestaltungen zu ermöglichen.
Die Wichtigkeit langfristiger Planbarkeit des Privat- und Berufslebens – gerade auch im Hinblick auf Vereinbarkeit – wird in der sehr deutlichen Zustimmung zur Möglichkeit einer Jahreseinteilung offenbar; 63,2 % stimmen voll, weitere 22,2 % stimmen eher zu. Anders ausgedrückt: nur 14,6 % der Befragten lehnen diese eher oder vollständig ab.
Noch deutlicher fällt der Zuspruch in der Kategorie Dienstschichten einzig und allein für die Möglichkeit aus, gelegentlich und kurzfristig einen Freiwunsch eingeben zu können, der bewilligt wird. 69 % stimmen hier voll überein, weitere 25,1 % immer noch in der Tendenz.
Die Verbindung einer langfristigen (Absenzen-)Planung bzw. Planbarkeit des Alltags mit der Möglichkeit kurzfristig auf sich verändernde Situationen im (Privat-)Leben reagieren zu können, ist der Wunsch einer sehr grossen Mehrheit der Befragten. Dies geht sehr deutlich aus den Umfrageresultaten hervor. Dass sich hieraus ein gewisses Spannungsfeld ergibt, ist klar. Eine attraktive Arbeitgeberin, als die sich die BLS zurecht versteht und sicherlich weiter verstehen möchte, tut gut daran ihr Möglichstes zu unternehmen, um diese beiden Aspekte zu verbinden und ihre Angestellten dabei zu unterstützen. Hierauf wird der SEV seinerseits hinarbeiten und die Anliegen des Personals auch in diesen Fragen in die regelmässig stattfindenden Diskussionen einbringen und vertreten.
Fazit?
Die Umfrage zeigt gesamthaft, dass bei der BLS bereits Schritte unternommen wurden, um die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben im Schichtbetrieb des öV zu erleichtern. Dies ist nicht zuletzt dem Einsatz der Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, die in Gremien und Kommissionen als Vertreter:innen der Gewerkschaft Einfluss nehmen konnten. Zugleich zeigt die Umfrage aber auch auf, dass dieser Weg noch nicht zu Ende gegangen ist. Dass es weitere Schritte braucht, um gerade auch der jüngeren Generation gute Perspektiven zu ermöglichen, wie Vereinbarkeit im Schichtbetrieb gelebt werden kann. Diesen Weg wird der SEV als Gewerkschaft aller Beschäftigten der BLS konsequent weiter gehen, eure Meinungen dazu einholen und diese gegenüber der BLS klar vertreten.
Anpassungen GAV BLS 2024
Bei den GAV-Anpassungen in diesem Jahr handelt es sich um kleinere Änderungen, welche der Zentralvorstand BLS an seiner Sitzung vom 9. April 2024 verabschiedet hat.
Übersicht über die Anpassungen zum Download
Diese Ziffern des GAV BLS werden gegenüber dem GAV-Nachdruck vom Januar 2022 angepasst:
Gültig ab | Ziffer | Beschreibung der Änderung |
1. Januar 2024 | Ziffer 67 | Aktualisierung Betrag Betreuungszulage |
1. April 2024 | Anhang 3, Ziffer 7 | Aktualisierung Lohnskala |
1. Juni 2024 | Anhang 4, Ziffer 2, Absatz 4 | Wartefrist Treueprämie |
1. Juni 2024 | Ziffer 22, Absatz 2 | Kündigungsschutz |
Weiterhin gültig sind die Anpassungen GAV BLS per 1. April 2023:
Gültig ab | Ziffer | Beschreibung der Änderung |
1. April 2023 | Ziffer 33 | Verweis auf Verhaltenskodex und Weisung zu Geschenken und Einladungen. |
Ziffer 60bis | Neue Ziffer Adoptionsurlaub |
22
Kündigung
2 Kündigt die BLS nach der Probezeit aufgrund von ungenügenden Leistungen oder mangelhaftem Verhalten, hat vorab ein Gespräch mit dem Mitarbeitenden und eine schriftliche Mahnung zu erfolgen. Darin ist das Ungenügen oder die Mangelhaftigkeit zu begründen, sind Ziele und eine angemessene Frist zur Verbesserung zu setzen sowie auf eine mögliche Kündigung hinzuweisen.
Kommentar SEV: In diesem Artikel wird nur «nach der Probezeit» eingefügt. Die Ziffer behandelt den Prozess einer Kündigung wegen mangelhaftem Verhalten oder ungenügender Leistung. Da in der Probezeit die Kündigungsfrist beidseitig nur 7 Tage beträgt, ist eine Zielvereinbarung kaum umsetzbar und wenig sinnvoll.
67
Betreuungszulage
1 Die BLS richtet anspruchsberechtigten Mitarbeitenden eine Betreuungszulage für jedes Kind aus. Es gelten folgende Ansätze (Stand 01.01.2024)
a. für ein zulagenberechtigtes Kind Fr. 4’663.– pro Jahr,
b. für jedes weitere zulagenberechtigte Kind Fr. 3’011.– pro Jahr.
Kommentar SEV: Die Betreuungszulagen werden gemäss Vorgaben erhöht.
GAV Anhang 5.3, Ziffer 7, Lohnskala Stand 01.04.2024
Funktionsstufe | Lohn 100% (Alter 40/Lst. 5) | Funktionsstufe | (Alter 40/Lst. Lohn 100%5) |
1 | 63'417 | 15 | 97'205 |
2 | 65'011 | 16 | 100'888 |
3 | 66'644 | 17 | 104'710 |
4 | 68'318 | 18 | 108'677 |
5 | 70'033 | 19 | 112'796 |
6 | 71'792 | 20 | 117'068 |
7 | 73'595 | 21 | 121'505 |
8 | 75'444 | 22 | 126'108 |
9 | 78'302 | 23 | 130'885 |
10 | 81'268 | 24 | 135'845 |
11 | 84'348 | 25 | 140'992 |
12 | 87'542 | 26 | 146'332 |
13 | 90'860 | 27 | 151'879 |
14 | 94'303 | 28 | 157'633 |
Kommentar SEV: Die Lohnskala setzt die Resultate der Lohnverhandlungen 2024 in Zahlen um.
GAV Anhang 5.4, Ziffer 2, Treueprämie
2
Grundsätze
4 Die Frist bis zur Ausrichtung der Treueprämie beträgt grundsätzlich fünf Jahre. Es erfolgt eine Differenzierung in Abhängigkeit zu den Anspruchsjahren, der Wartefrist bzw. Umfang des Treueprämienanspruchs. Je nach Konstellation erfolgt der Erstanspruch ab 3 bis maximal 6 Jahren. Das Nähere regelt die entsprechende Bereichsweisung.
Kommentar SEV: Bei den Treueprämien gab es eine Vereinfachung bei den anrechenbaren Jahren beim Eintritt in die BLS. Diese neue Regelung wird die BLS vermutlich etwas mehr kosten als die bisherige Lösung.