Positionspapiere 2019–2021
Inhalt
- Positionspapier Gewerkschaft
- Positionspapier Vertragspolitik
- Positionspapier Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit
- Positionspapier Sozialpolitik
- Positionspapier Verkehrspolitik Schweiz und Europa
- Positionspapier Digitalisierung der Mobilität
1. Positionspapier Gewerkschaft
Dank dem starken Engagement innerhalb der Gewerkschaftslandschaft in den letzten Jahren ist es dem SEV gelungen, seine Rolle im Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) zu stärken. Dies hat dazu geführt, dass der SEV als grösste und stärkste Gewerkschaft im Verkehrsbereich wahrgenommen wird und so sein Gewicht gezielt einbringen kann.
Der SEV positioniert sich so, dass er auch in Zukunft verstärkt sinnvolle Kooperationen mit Gewerkschaften und Verbänden, vor allem im Bereich Service public, eingehen kann. Im Jahr 2016 wurden erste Kooperationen mit dem Personalverband des Bundes (PVB), der Gewerkschaft des Kabinenpersonals (Kapers) und im Jahr 2017 mit dem Personalverband PUSH konkretisiert.
Die Mitgliederentwicklung bleibt ein zentrales Thema: Der SEV konnte den Mitgliederschwund leider nicht stoppen. Rechnet man in der Gesamtrechnung die jährlich rund 1’000 Todesfälle dazu, wird der Mitgliederrückgang noch deutlicher. Der SEV stellt deshalb die Mitgliederwerbung vehement und konsequent ins Zentrum der Unterverbands- und Sektionsarbeit. Der SEV will mit spezifischen Aktionen die Mitgliederwerbung vorantreiben und das Netz seiner Vertrauensleute konsequent weiter ausbauen. Dabei darf die Mitgliederbetreuung nicht vernachlässigt werden, sondern muss mit Aktionen wie «SEV bei den Leuten» oder Flächenbesuchen konsequent für die Mitglieder spürbar gemacht werden.
Stärkung der Service-public-Anliegen
Die Stossrichtung, welche den SEV für die Zukunft stärken und bestmöglich positionieren soll, lässt sich wie folgt definieren: Der SEV muss nach innen gestärkt werden, um somit eine stärkere Wirkung nach aussen erreichen zu können.
Nach innen: Strukturen laufend überprüfen und bei Bedarf anpassen. Mitgliederwerbung und den Ausbau des Vertrauensleutenetzes intensivieren nach dem Grundprinzip «Mitglied wirbt Mitglied».
- Der SEV stärkt die Nähe zu seinen Mitgliedern, steigert seine Mobilisierungsfähigkeit und verbessert seine Durchschlagskraft beim Vertreten seiner Interessen und beim Erbringen der Dienstleistungen. Um dies zu erreichen, optimiert und verstärkt der SEV die Zusammenarbeit mit den Unterverbänden und Sektionen, hinterfragt seine Strukturen und passt diese wo nötig an, sodass er seine Effizienz und Effektivität steigern kann.
- Bei der Mitgliederwerbung hält der SEV am Prinzip «Mitglied wirbt Mitglied» fest. Durch gezielte Werbekampagnen und durch verstärkte professionelle Unterstützung der Sektionen soll die Mitgliederentwicklung im SEV positiv beeinflusst werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Aufgabe, jüngere öV-Angestellte für den SEV zu gewinnen.
- Der SEV und die Unterverbände entwickeln Strategien, damit Forderungen und Anliegen der Jugend, der Frauen sowie der Migrantinnen und Migranten verstärkt im Zentrum der gewerkschaftlichen Verantwortung stehen. Besonders im Fokus müssen dabei die Jugendlichen sein – sind sie doch die Zukunft der Gewerkschaft. Deshalb müssen sie früh in die gewerkschaftliche Arbeit eingebunden werden.
Nach aussen: Verstärkte Positionierung und Bereitschaft zu Kooperationen mit anderen Gewerkschaften und Verbänden.
- Der SEV tritt kämpferisch auf, verstärkt weiterhin sein Engagement im SGB und festigt dadurch seine Position als massgebende Verkehrsgewerkschaft in der Schweiz.
- Der SEV positioniert sich innerhalb des SGB im Zusammenhang mit der Digitalisierung als kompetente und sachverständige Gewerkschaft.
- Kooperationen mit anderen Gewerkschaften und Verbänden, insbesondere aus dem Umfeld des Transportsektors und des Service public, sind vertieft zu prüfen und gegebenenfalls einzugehen. Im Vordergrund stehen die gemeinsamen Ziele im Transportsektor sowie im Service public und die Entwicklung einer entsprechenden Politik.
- Stärkere Einflussnahme in der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF): Die Schweiz liegt mitten in Europa und ist folgerichtig auch von der EU und ihrer Politik abhängig. Der SEV prägt durch seine aktive Teilnahme innerhalb der ETF-Gremien die Rahmenbedingungen der europäischen Verkehrspolitik mit.
2. Positionspapier Vertragspolitik
Die Vertragspolitik des SEV ist solide aufgestellt und steht vor allem in den traditionellen Sektoren auf sicherem Boden: Wohl sind die Pionierjahre mit markanten Verbesserungen nach 20 Jahren GAV-Politik vorüber, aber wir bewirtschaften die mittlerweile 76 GAV mit beträchtlicher Erfahrung. Deshalb konnten wir bislang erfolgreich Verschlechterungen abwehren: So ist es uns in vielen GAV gelungen, die Verschlechterungen des revidierten Arbeitszeitgesetzes (AZG) abzufedern. In vielen anderen Punkten erreichen wir immer noch die Verbesserung bestehender Regelungen. Dass es uns gelungen ist, den «Leuchtturm» der Gesamtarbeitsverträge, den GAV SBB und SBB Cargo, nicht nur zu halten, sondern auch zu verbessern, hat wesentlich dazu beigetragen.
«Traditionelle» GAV-Politik
Die vor zwei Jahren verabschiedete Position, innerhalb der traditionellen GAV bestimmte Themen wie etwa den Umgang mit Krankheit und Berufstauglichkeit verstärkt aufzugreifen, ist im Gange, aber längst noch nicht verankert. Dafür reichen zwei Jahre niemals aus. Dass wir aber die wesentlichen Punkte aufgegriffen haben, ist evident und hat zu einer verstärkten Sensibilisierung auch der Arbeitgeberseite geführt. Allerdings sind Lösungsansätze erst in Erarbeitung, von einer Konsolidierung sind wir noch weit entfernt. Die Stossrichtung ist daher beizubehalten.
«Erweiterte» GAV-Politik
Ebenfalls vor zwei Jahren haben wir Inhalte, die in GAV bislang keine oder kaum eine Rolle spielten, bereits angesprochen. Hierbei ist namentlich die ungebremste Erosion der Alterssicherung durch die Pensionskassen das grösste Problem. Auch hier sind wir erst am Anfang, was eine bessere Position der Gewerkschaft bei Abfederungsmassnahmen angeht, weshalb diese wichtige Stossrichtung zu bekräftigen ist.
Dazu gehört, dass wir weiterhin Lösungen bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit vorantreiben, als auch die Prüfung vorzeitiger Pensionierungen konkretisieren müssen.
«Politische» GAV-Politik
Die Wichtigkeit von GAV für die Definition der Branchenüblichkeit hat nicht abgenommen. Aus diesem Grund haben wir festgehalten, dass wir willens sind, GAV abzuschliessen, auch wenn wir wenige oder keine Mitglieder haben, wobei wir damit die Wichtigkeit der starken Mitgliedschaft keineswegs schwächen wollen. Im Gegenteil: Wir sind im Moment daran, mehr als ein derartiges Projekt voranzutreiben, ohne allerdings zu wissen, ob dies erfolgreich sein wird. Dies ist massgeblich auf den fehlenden Rückgriff auf die Mitgliederbasis, respektive auf den Organisationsgrad zurückzuführen. Noch können wir diese Stossrichtung nicht abschliessend beurteilen, weshalb wir sie weiterführen müssen. Ihr direkter Bezug zu anderen Positionspapieren, namentlich zur Verkehrspolitik, ist zu wichtig, um sich vorzeitig zurückzuziehen.
3. Positionspapier Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit
Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit bleiben beim SEV weiterhin zentrale Themen. In vielen Bereichen ist die Zusammenarbeit von Gewerkschaft und Personalkommissionen unentbehrlich, um einerseits die Rechte des Personals zu verteidigen und andererseits in jedem Transportunternehmen Fortschritte in diesen Themenfeldern zu erzielen, die den Alltag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stark beeinflussen.
Gesundheit am Arbeitsplatz
Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist eine der Hauptverantwortungen der Unternehmen. Der SEV achtet darauf, dass dieser Grundsatz in jedem GAV festgeschrieben ist und dass konkrete Massnahmen umgesetzt werden. Es geht nicht nur um die Arbeitsplatzergonomie, sondern auch um die Ausstattung der Pausen- und/oder Ruheräume, um den Kampf gegen Stress und psychischen Druck aufgrund der Erreichbarkeit rund um die Uhr (Mobiltelefone), die Förderung der Gleichstellung und den Schutz vor jeglicher Form von Diskriminierung.
Die Umfrage, die der SEV in der Branche Bus durchgeführt hat, zeigt, dass die Nachtarbeit als weniger lästig empfunden wird, dass aber Stress, Probleme bei Appetit und Verdauung und Schlafstörungen zunehmen, wie auch Aggressionen der Passagiere und anderer Verkehrsteilnehmer.
Gestützt auf diese Ergebnisse wird sich der SEV noch stärker einsetzen für:
- die Verbesserung der Dienstpläne. Dienstschichten über 10 Stunden täglich sollen vermieden werden.
- die Einführung von humanen Formen der Absenzenbewirtschaftung
- Massnahmen, welche die Berufe des öffentlichen Verkehrs für die Jungen attraktiver und für die über 55-Jährigen weniger belastend machen.
Arbeitssicherheit und Unfallverhütung
Die andauernden Rationalisierungen bestimmen den Arbeitsrhythmus des Personals im öffentlichen Verkehr und erhöhen den Arbeitsdruck, was physische und psychische Krankheiten nach sich zieht. Der SEV fordert weiterhin von den Unternehmen wirksame Massnahmen für die Arbeitssicherheit und die Unfallverhütung.
Asbest
Die Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer EFA, gegründet am 28. März 2017, hat gegen 6 Millionen Franken bereitgestellt, um überlebende Asbestopfer und Hinterbliebene zu entschädigen. Nun soll der Kreis der Bezugsberechtigten ausgeweitet werden: Künftig erhalten auch Personen Entschädigungen, bei denen durch Asbest verursachter Krebs (malignes Mesotheliom) als Berufskrankheit anerkannt wurde. Nach wie vor erhalten jährlich rund 120 Personen die Diagnose eines tödlichen Mesothelioms.
Die vordringliche Aufgabe der Stiftung EFA ist die Entschädigung von Personen, bei denen das Mesotheliom nicht als Berufskrankheit anerkannt wurde. Das sind Personen aus dem Umfeld, die beispielsweise kontaminierte Kleider gereinigt haben. In Zukunft können auch Personen, die beruflichen Kontakt mit Asbest hatten, vom Fonds entschädigt werden.
Angesichts dieser Leistungsausweitung ruft der SEV die Arbeitgeber und das Personal des öffentlichen Verkehrs auf, sich über diese Unterstützungen zu informieren und darüber aufzuklären. Der öffentliche Verkehr (beispielsweise die Unterhaltswerkstätten der Fahrzeuge) ist einer der Bereiche, die in den nächsten Jahren am meisten Todesfälle als Folge von Asbest-Krankheiten verzeichnen dürften.
Arbeitsgesetz (ArG) / Arbeitszeitgesetz (AZG)
Der politische Angriff auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Arbeitsgesetz muss mit aller Schärfe zurückgewiesen werden. Die Höchstarbeitszeit und die Arbeitszeiterfassung von 1,4 Millionen Lohnempfänger/innen könnten verändert werden. Die Tore wären damit weit geöffnet für Gratisarbeit und berufliche Erschöpfung («Burnout»). Wenn das Parlament diesen Abbau des Arbeitsgesetzes beschliesst, wird der SGB das Referendum ergreifen, unterstützt vom SEV.
Ohne Erfassung der Arbeitszeit für «Spezialist/innen» und «Kader» können die Arbeitskontrollen nicht mehr sicherstellen, dass die gesetzlichen Bestimmungen zur Nachtruhe, das Verbot der Sonntagsarbeit und die Pausen eingehalten werden. Zudem hätten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Möglichkeit mehr, Verstösse nachzuweisen.
Im öffentlichen Verkehr gelten das AZG und seine Verordnung, die soeben revidiert wurden. Für den SEV geht es nun darum, die Anpassungen der GAV an diese neuen Regelungen im Auge zu halten. Das Leitmotiv lautet in diesem Zusammenhang: «Produktivitätsgewinne teilen». In der Tat ist es nicht denkbar, dass die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs allein davon profitieren, dass die Regelungen der Pausen, der Schichten und der Ruhetage geändert wurden. Der SEV wird sich dafür einsetzen, dass in den KTU Vereinbarungen getroffen werden, welche die Anwendung dieser neuen Regelungen festlegen.
4. Positionspapier Sozialpolitik
Die Gewerkschaften kämpfen seit schon mehr als einem Jahrhundert für eine sichere Altersvorsorge und so für einen würdigen Lebensabend für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. So steht es auch in der Bundesverfassung: In der Schweiz muss man im Rentenalter die gewohnte Lebensweise in angemessener Art und Weise weiterführen können. Doch mit der obligatorischen Altersvorsorge aus erster und zweiter Säule wird das immer schwieriger. Ein Hauptproblem dabei sind die steigenden Krankenkassenprämien und Gesundheitskosten, die viel stärker steigen als die AHV-Renten. Alleine die Krankenkassenprämien haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt (Anstieg um 128 Prozent).
Um dieser Problematik entgegenzuwirken, unterstützt der SEV einerseits Aktionen und Initiativen, die zur Limitierung der Krankenkassenprämienlast beitragen und setzt andererseits auch bei der Stärkung der 1. Säule an.
Seit rund vierzig Jahren gelang kein weiterer Ausbau der Altersvorsorge. Nach dem Scheitern der Vorlage «Altersvorsorge 2020» steht eine Neuauflage der Altersvorsorge-Reform an. Die Ausgangslage dafür hat sich in den letzten Jahren verschärft.
Der SEV wird sich mit dem SGB vehement für eine Verbesserung des Rentensystems und gegen jegliche Art von Leistungsabbau einsetzen.
AHV
Die AHV ist das wichtigste Sozialwerk der Schweiz. Durch das geniale Finanzierungssystem (Umlageverfahren) ist die AHV die wichtigste, stabilste und gerechteste Säule in unserem 3-Säulen-System. Das Prinzip ist einfach: Die Aktiven und die Arbeitgeber bezahlen AHV-Beiträge, mit denen die AHV-Renten bezahlt werden. Die Beitragspflicht besteht auf dem ganzen Lohn, die Maximalrente ist hingegen für alle gleich und limitiert. Das bedeutet, dass Leute mit sehr hohen Salären auf diesen Löhnen AHV-Beiträge entrichten, ohne aber mehr Leistung als die Maximalrente zu bekommen. Das ist die Finanzierungssolidarität der Grossverdiener gegenüber Klein- und Normalverdienern.
Um Rentenverbesserungen und den Renteneintritt der Babyboomer-Generation zu finanzieren, erfordert es eine Stärkung und somit einen finanziellen Ausbau der 1. Säule. Die Gesundheit der AHV-Finanzen hängt dabei in erster Linie von der Lohnsumme ab, die in der Schweiz verdient wird und nicht vom Verhältnis der Beitragszahlenden zu den Rentnerinnen und Rentnern. Die AHV-Lohnbeiträge konnten deshalb seit 1975 konstant bei 8.4 Prozent bleiben. Nur einmal waren 0.83 zusätzliche Mehrwertsteuer-Prozente notwendig. Dies obwohl sich die Zahl der AHV-Renten seither mehr als verdoppelt hat und obwohl die AHV-Renten jeweils zur Hälfte an Löhne und Teuerung angepasst werden. Das Finanzierungsmodell der AHV ist also äusserst solide. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Demografie keine Rolle spielt. In der Tat gehen jetzt die Babyboomer in Pension. Das sind überdurchschnittlich viele Neurentnerinnen und Neurentner. Dafür braucht die AHV eine Zusatzfinanzierung. Die Babyboomer sind aber ein vorübergehendes Phänomen. Diese Spitze in der Alterspyramide wird auch wieder verschwinden. Die AHV ist sicher und stabil, und deshalb muss eine Rentenverbesserung für die Rentnerinnen und Rentner über die 1. Säule laufen.
2. Säule
Seit Jahren sinken die Pensionskassenrenten. Das Finanzierungssystem der 2. Säule basiert auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Das bedeutet, dass man auf die Erträge aus den Kapitalmärkten angewiesen ist, um die Rentenerwartungen zu erfüllen. In den letzten Jahren haben wir durch das Niedrigzinsumfeld Rentenkürzungen in Kauf nehmen müssen. Im besten Fall konnten wir bei einigen Pensionskassen Abfederungsmassnahmen erzielen, während bei anderen Pensionskassen Rentenkürzungen unumgänglich waren. Das Problem der Senkung der Umwandlungssätze, die Rentenkürzungen zur Folge haben, wird uns leider noch weiter beschäftigen.
Ein weiteres Thema, dem wir grosse Achtsamkeit schenken müssen, sind vermeintliche Entwicklungen und Innovationen, die darauf zielen, die Renten variabel und in Abhängigkeit der Finanzmärkte zu gestalten. Sie münden in aller Regel in Verschlechterungen. Aus diesem Grund setzen wir bei der Verbesserung der Rentensituation auf die sicherere und stabilere AHV. Und wir warnen ausdrücklich vor Volksinitiativen und Vorstössen, welche den Rechtsrahmen der beruflichen Vorsorge dahingehend ändern wollen, dass laufende Altersrenten künftig gesenkt werden können (Einführung sogenannter „Wackelrenten“).
Forderungen zur AHV
- Verteidigung des Rentenalters 64/65
- Unterstützung des Initiativ-Projekts für die Einführung der 13. AHV-Monatsrente
Forderungen zur 2. Säule
- Bessere soziale Absicherung der Frauen in der 2. Säule
- Bessere soziale Absicherung der älteren Arbeitslosen: Verbleib in der Pensionskasse bei Stellenverlust ab 58 Jahren
- Stoppen der Diskriminierungen von Teilzeitangestellten in der 2. Säule
- Einführung von Betreuungsgutschriften in der 2. Säule (Umlagekomponente)
5. Positionspapier Verkehrspolitik Schweiz und Europa
Fairer Transport statt Konkurrenz für Europa
Der SEV kämpft Seite an Seite mit dem europäischen Dachverband, der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF), gegen Sozialdumping und Lohnausbeutung im europäischen Transportsektor. In den letzten Jahrzehnten hat die Politik in der EU und auf nationaler Ebene im Transportsektor auf Wettbewerb und Konkurrenz gedrängt. Dabei wurde der Schutz von Beschäftigten, Unternehmen und Bürger/innen sträflich vernachlässigt.
Weiterhin Kooperation statt Wettbewerb für die Schweiz
Der öffentliche Verkehr in der Schweiz aber bleibt eine europaweite Erfolgsgeschichte. Das Schweizer Bahnnetz wird so intensiv genutzt wie kein zweites. Der SEV ist der Überzeugung, dass der Schlüssel dieses Erfolgs im bestehenden System zu finden ist. Die tragenden Säulen des heutigen Systems sind: nicht privatisierter Personenfernverkehr, unbefristete Finanzierung, die integrierte Bahn, das Miteinander statt Gegeneinander aller Beteiligten, genügend und gut ausgebildetes sowie fair bezahltes Personal, konsequenter Unterhalt und ein Taktfahrplan bis in die Randregionen.
Es braucht eine Kurskorrektur bei der Liberalisierungspolitik des BAV
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) ist dabei, seine Vision von öffentlichem Verkehr konsequent umzusetzen. Dazu gehören mehr Wettbewerb, weitergehende Marktöffnung, verstärkten Marktzugang für private und gewinnorientierte Unternehmungen und mehr marktwirtschaftliche Instrumente.
800 zusätzliche Buspassagiere pro Tag werden unser gut austariertes öV-System nicht zum Erliegen bringen. In Kombination mit all den anderen beschlossenen oder angedachten Änderungen wie zum Beispiel der Aufteilung der Fernverkehrskonzession oder der Aufhebung des Kabotageverbots für den grenzüberschreitenden internationalen Personenverkehr wird das System aber grundlos aus dem Gleichgewicht gebracht.
Die Politik muss sich dringend eine Gesamtsicht über den öffentlichen Verkehr verschaffen und eine Grundsatzdiskussion führen, wie weit eine marktwirtschaftliche Öffnung des Systems überhaupt sinnvoll und zielführend ist. Dazu gehört auch das Überdenken der 2014 veröffentlichten BAV-Strategie «Öffentlicher Verkehr – für die Schweiz».
Schützenswerte Rahmenbedingungen
Neben einer Kurskorrektur zu Gunsten des Service public müssen die bestehenden Rahmenbedingungen wie das Kabotageverbot, das Sonntags- und Nachtfahrverbot sowie die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) zwingend geschützt werden. Seit 2018 engagiert sich der SEV auch als FAIRLOG-Mitglied für diese Anliegen. FAIRLOG ist eine Allianz der Gewerkschafen SEV, Syndicom und Unia mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Logistik und im Strassengütertransport zu verbessern.
Personen- und Güterverkehr sind Teile des Service public!
Der SEV bekennt sich zum Service public im Personen- wie auch im Güterverkehr, der eine flächendeckende, sichere und leistungsfähige Grundversorgung mit qualitativ guten Dienstleistungen umfasst. Diese sollen allen Bevölkerungsschichten, Wirtschaftsunternehmen und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen.
Integrierte Bahn fördert das Miteinander
Die Integrierte Bahn ermöglicht ein hochstehendes Angebot, eine bessere Bewältigung von Störungen und eine optimalere Netznutzung. Eine integrierte Bahn hat zudem ein grosses Interesse daran, das System als Ganzes zu verbessern und so Innovationen zu fördern. «Miteinander statt gegeneinander» steht im Fokus der Bemühungen. Der SEV wehrt sich deshalb dagegen, dass heute integrierte Bahnen in Zukunft in Teilbereiche zerlegt werden.
ÖV braucht ein Gesicht – keine Geisterbahnhöfe
In den letzten Jahren mussten wir leider einen Trend zur «Enthumanisierung» des öV feststellen. Personal in Bahnhöfen, an Schaltern und in Zügen wurde und wird abgebaut. Damit sinkt aber nachweislich das subjektive Sicherheitsempfinden im öV. Das kann nicht im Interesse der Unternehmen und der Öffentlichkeit sein. Der öffentliche Verkehr lebt vom Vertrauen in die Sicherheit und in die Mitarbeitenden.
25. Jahrestag der Alpeninitiative-Abstimmung
Auch 25 Jahre nach dem Abstimmungssieg ist der Volkswille noch immer nicht umgesetzt. Ende 2018 hätte das gesetzlich verankerte Verlagerungsziel von 650’000 alpenquerenden Lastwagen erreicht werden sollen. Doch noch immer fahren mehr als 900’000 Lastwagen durch die Schweizer Alpen. Das wirksamste Instrument, um die Lastwagenflut im ganzen Alpenbogen zu stoppen, ist die Alpentransitbörse, welche vorsieht, Transitrechte zu versteigern.
Der SEV bringt sich ein
Der SEV setzt sich dafür ein, dass die Anliegen der Mitarbeitenden zu diesen Fragen auf allen Stufen der Politik einfliessen und Beachtung finden. Er pflegt den kontinuierlichen Austausch mit anderen Organisationen, mit Behörden, mit Meinungsträgerinnen und -trägern des öffentlichen Verkehrs, mit den Mitgliedern des Schweizer Parlaments und mit der ETF.
6. Positionspapier Digitalisierung der Mobilität
Digitalisierung der Mobilität
Die fortschreitende Digitalisierung verändert die Gesellschaft und die Wirtschaft. Sie wirkt sich unter anderem aus auf die Umwelt, den Raum sowie dessen Planung und Nutzung, das
Kauf-, Konsum- und Mobilitätsverhalten. Dadurch wandeln sich auch Personenverkehr und Gütertransport. Es entstehen vermehrt Mobilitätsketten, in welchen teil- oder vollautomatisierte Transportleistungen erbracht werden. Neue, vernetzte Anbieter treten in den Markt ein, wodurch neue Plattformen und Modelle der Zusammenarbeit, beispielsweise von öffentlichen Bahnunternehmen und privater Automobilindustrie, entstehen. Diese Entwicklung wirft Fragen auf betreffend Regulierungen, Eigentumsverhältnissen und Verteilung des Profits. Um menschenwürdige Arbeit zu gewährleisten, Alternativen zur traditionellen Arbeit zu entwickeln und das Personal im öffentlichen Verkehr zu erhalten, bedarf es klarer sozialpartnerschaftlicher Abmachungen.
Mit der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten verändern sich zudem Arbeitsalltag («was tue ich») und Struktur der Arbeit («wie und wo tue ich es») in Bezug auf Ort, Raum, Zeit, Arbeitsinhalt, Transport, Vertrieb und Verkauf. Davon können und sollen die Angestellten profitieren. Dazu will der SEV die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt rücken und sich ab sofort aktiv in die Diskussionen einbringen.
Digitalisierung als Chance für Mitarbeitende nutzen
Der SEV steht der digitalen Entwicklung grundsätzlich positiv gegenüber. Er verfolgt diese indessen kritisch und sagt nicht einfach «Ja». Denn die Digitalisierung hat auch eine ethische Komponente: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist für die Arbeitnehmenden auch sinnvoll und muss umgesetzt werden. Die Technik muss sich in den Dienst der Mitarbeitenden stellen.
Weil die Automatisierung und Digitalisierung eben auch Tätigkeiten überflüssig machen wird, braucht es parallel dazu eine gesellschaftliche Debatte. Wir müssen die Menschen in diesem Wandel begleiten.
Viele Beschäftigungsmodelle in der hoch digitalisierten Arbeitswelt führen zu loseren Arbeitsverhältnissen, höherer Selbstverantwortung der Mitarbeitenden, weniger Sicherheit hinsichtlich Lohn und Vorsorgeleistungen, erhöhten Leistungserwartungen, zunehmenden Flexibilitätsanforderungen an Arbeitsplatz, -inhalt und -zeit sowie Arbeitsplatzabbau und -verschiebungen.
Gesamtarbeitsverträge weiterentwickeln
Der SEV fordert, in den Gesamtarbeitsverträgen (GAV) Rahmenbedingungen festzuhalten, die möglichst standardisierte Anstellungsbedingungen definieren, was Lohnschutz, Prävention gegen und Umgang mit physischen und psychischen Krankheiten sowie längere Arbeitsunterbrüche und beruflichen Wiedereinstieg betrifft. Ausserdem sollen die Verträge auch Regelungen gegen Arbeitsplatzverlust wegen Digitalisierungsmassnahmen beinhalten. Für unterschiedliche Berufsgruppen sind spezifische Arbeitsbedingungen zu vereinbaren: Im Schichtbetrieb sind Dienstantritt und Dienstschluss verbindlich zu fixieren. Andernorts braucht es Massnahmen zum Gesundheitsschutz wegen unscharfer Trennung von Arbeits- und Privatleben.
Berufliche Qualifizierung ermöglichen
Unternehmen sind nicht nur in der Verantwortung, sich selbst weiterzuentwickeln, sondern auch ihre Angestellten zu befähigen, mit den Entwicklungen Schritt zu halten. Neue Berufsbilder entstehen, andere verändern sich oder verschwinden gänzlich. Der SEV fordert die enge Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern zur Begleitung dieser Entwicklung.
Zusätzlich setzt sich der SEV ein für die Aus- und Weiterbildung sowie die gezielte Nachqualifizierung. Das Erfassen von Kompetenzen, die in der Praxis erworben werden und die Anerkennung ausländischer Ausbildungsnachweise gewinnen dabei stark an Bedeutung.
Flexibilisierung im Sinne der Mitarbeitenden gestalten
Das Arbeiten wird flexibler und mobiler. Dadurch lassen sich im Idealfall Berufs- und Privatleben besser vereinbaren. Damit dies geschieht, müssen geeignete Arbeitszeitmodelle eingeführt und die technischen Hilfsmittel für ortsungebundenes Arbeiten zur Verfügung gestellt werden. Klar zu regeln sind insbesondere die Abgrenzung zwischen Verfügbarkeit, Arbeits- und Freizeit sowie die private Nutzung der betrieblichen Infrastruktur.
Datenschutz gewährleisten
In den automatisierten Prozessen der digitalen Arbeitswelt liefern die Angestellten durch ihr Tun permanent grosse Datenmengen. Was sie tun, wird registriert; was sie nicht tun ebenfalls. Der Schutz vor einem missbräuchlichen Umgang mit Daten wird dadurch eine noch grössere Herausforderung. Das Recht auf und die Einsicht in persönliche Daten ist Mitarbeitenden uneingeschränkt zu gewähren. Die Nutzung von personenbezogenen Daten, insbesondere für Leistungs- und Verhaltenskontrollen, ist sozialpartnerschaftlich zu regeln.
Forderungen an Politik und Wirtschaft
Der SEV verlangt von Politik und Wirtschaft, dass die Digitalisierung nicht als Deckmantel für Spar- und Abbaumassnahmen missbraucht wird und durch den technologischen Fortschritt keine unsinnigen Privatisierungen und Liberalisierungen vorangetrieben werden. Vielmehr sind geeignete Regeln zu entwickeln, damit die Digitalisierung zum gesamtgesellschaftlichen Wohl beiträgt. Die Gewinne an Produktivität und Zeit müssen fair verteilt werden, sodass die Lebensqualität aller steigt.
SEV 4.0
Das Spannungsfeld zwischen den im SEV gut organisierten, traditionellen Berufsgruppen und den potenziellen Mitgliedern in neuen Berufsfeldern gilt es nicht nur auszuhalten, sondern aktiv zur Stärkung des SEV als zukunftsfähige Gewerkschaft in einer digitalen Arbeitswelt zu nutzen.